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Nach zwei Jahren Corona-Notstand in der Veranstaltungsbranche: Kann ich für den Sommer wieder Konzerttickets kaufen?

Konzertbesucher in Kopenhagen, Dänemark, feiern mit der dänischen Band Mew in einer großen Konzerthalle.
Konzertbesucher in Kopenhagen, Dänemark, feiern mit der dänischen Band Mew in einer großen Konzerthalle.

picture alliance/Peter Troest, Gonzales Photo

Konzertgänger sehnen sich seit über zwei Jahren danach, bei Veranstaltungen zu tanzen und zu feiern – doch die Tickets sind inzwischen umgetauscht oder hängen verstaubt am Kühlschrank. Auch für die Mitarbeiter der Veranstaltungsbranche ist die Pandemie zu einer besonders großen Belastung geworden. Anstatt überall im Land große Shows auf die Bühnen zu bringen oder Publikums-Messen auszurichten, sind sie auf Coronahilfen angewiesen – oder mussten ihre Jobs gar gänzlich aufgeben.

Jetzt lockert aber auch Deutschland seine Corona-Regeln. Unser Land öffnet sich langsam – auch für Veranstaltungen. So hat ein Expertengremium auf Initiative der Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) Empfehlungen für bundesweit einheitliche Lufthygiene-Regeln bei Kulturveranstaltungen erarbeitet. Diese richten sich aber lediglich an Veranstaltungsorte mit sitzendem Publikum, wie Theater, Kinos oder Konzerte. Eine echte Perspektive insbesondere für die Konzertbranche bedeuten sie aber nicht. Was heißt das also für den Sommer? Ab wann könnt ihr euch wieder risikofrei Karten für die Auftritte eurer Lieblingsbands kaufen?

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Fakt ist schon seit längerem: Gekaufte Karten können, solange eine Veranstaltung wegen Corona abgesagt oder verschoben wird, weiterhin bei den Vorverkaufsstellen zurückgegeben werden. Die Ticketpreise bekommen Käufer zurückerstattet. Selbst ungeimpfte Ticketbesitzer sind nach Angaben der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg zur Rückgabe berechtigt, wenn ein Bundesland plötzlich auf die 2G-Regelung umschwenkt. Denn der Veranstalter erfüllt seinen Teil des Kaufvertrags nicht, da der Besucher nicht teilnehmen kann. Somit kann man den Eintrittspreis und die Vorverkaufsgebühren zurückverlangen. Die Verbraucherzentrale hat dazu einen Musterbrief auf ihrer Internetseite hinterlegt, den ihr hier herunterladen könnt.

Wie geht es weiter mit Großveranstaltungen?

Doch das für die Veranstaltungsbranche viel größere Problem liegt laut Branchenvertretern woanders: In europäischen Nachbarländern sind wieder Festivals mit über 200.000 Besuchern für die Sommermonate angekündigt, ebenso wie Veranstaltungen in Innenräumen mit über 15.000 Teilnehmern. Aus Deutschland hingegen ist bundesweit bislang nur eine maximal 60-prozentige Auslastung erlaubt. So verlegt beispielsweise die Euroleague eine große Sportveranstaltung mit der Begründung ins Ausland, dass Pandemie-Maßnahmen in Serbien es erlaubten, das Turnier in einer voll besetzten Halle auszuspielen.

„Veranstaltungen in Hallen sind hierzulande aktuell nicht wirtschaftlich“, sagt Markus Illing, Geschäftsführer eines Veranstaltungsunternehmens. Monatlich wechselnde Kapazitätsgrenzen, in jedem Bundesland unterschiedliche Hygienekonzepte – das mache das Geschäft für die Ausrichter schwierig. Alexander Ostermaier, Geschäftsführer der Bundesvereinigung Veranstaltungswirtschaft, und sein Kollege Illing fordern bessere Planbarkeit. So habe die Bundesregierung sich schon zu Beginn der Pandemie entschieden, dass sie Einschränkungen quartalsweise ankündigt. „Unser Geschäft funktioniert aber nicht im Drei-Monats-Raster“, sagt der Geschäftsführer des Veranstaltungsunternehmens Voss und Fischer. „Wir funktionieren in einem Zeitrahmen von sechs Monaten bei kleineren Clubtouren und bis zu 18 Monate bei große Hallentouren“, erklärt Illing.

Fast 40 Milliarden Euro Umsatzeinbußen in drei Jahren

Ostermaier beschreibt, wie es den Beschäftigten in der Branche aktuell geht: „Wir sind von 100 auf null in diese Pandemie geschlittert und hatten schlagartig Umsatzeinbrüche von bis zu 80 Prozent.“ Eine Analyse des Kompetenzzentrums Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes, die Business Insider exklusiv vorliegt, weist die Umsatzverluste für die Branche im Jahr 2020 mit 15,3 Milliarden Euro aus, im Folgejahr dann elf Milliarden Euro. Für 2022 schätzt die Bundesbehörde die Umsatzverluste auf zwischen 2,6 Milliarden und 11,4 Milliarden Euro.

In den ersten neun Monaten habe es für die Firmen kaum passende Wirtschaftshilfen gegeben. Inzwischen befänden sich die Mitarbeiter seit fast zwei Jahren in Kurzarbeit, die Sozialversicherungsbeiträge trage noch der Staat und für die Veranstaltungsunternehmen gebe es die Überbrückungshilfen. „Wir hoffen, dass sich die Politik entscheidet, diese Maßnahmen über den 30. Juni hinaus zu verlängern“, sagt Ostermaier – eine von drei Forderungen der Branchenvertreter an die Bundespolitik.

Einheitlichkeit statt 16 unterschiedliche Verordnungen

Selbst wenn es – wie von Ostermaier und Illing erwartet – im Sommer in Deutschland einen Nachholeffekt gäbe, sind die Bedingungen schwierig: 30 Prozent ihrer Mitarbeiter seien während der Pandemie in andere Branchen abgewandert, die Verbliebenen hätten teils 24 Monate nicht gearbeitet und steckten „in ausgelaugten Unternehmen“, sagt Illing. Zudem seien in den Monaten April bis September sehr viele Veranstaltungen parallel geplant, das stelle die Branche samt Mitarbeitern vor eine Herausforderung.

Was es laut Branchenvertretern also bräuchte, wären einfachere und bundesweit einheitliche Regelwerke – die zweite Forderung aus der Veranstaltungsszene. Ein drittes Anliegen ist eine Imagekampagne, die auch von der Politik mitgetragen wird, denn nach einem echten Neustart sieht es für die Branche nicht aus. „Die gefühlsmäßige Situation ist desolat, wir wurden über zwei Jahre hinweg praktisch als gefährliche Superspreaderevents gehandelt“, sagt der Besitzer einer Firma für Veranstaltungstechnik. Die Menschen hätten Angst, mit vielen Menschen in einem Raum zu sein.

Dabei überwiege bei den Konzertveranstaltern der Optimismus: „Wir raten jedem Konzertgänger, Karten zu kaufen und damit ein starkes Signal an Politik und in die Branche hinein zu senden“, sagt Ostermaier. Bisher gebe es mit der Kampagne „Messen – aber sicher“ lediglich ein zartes Signal, dass sich die Bundes- und Landesregierungen eine Kehrtwende in der verallgemeinernden Corona-Politik zutrauten. Besucher sollten wieder Geld in Karten investieren, denn die Veranstalter bräuchten diese Vorleistung, um kalkulieren zu können.

Die Staatsministerin schwelgt in Erinnerungen

Immerhin stünden die Veranstaltungsexperten im Austausch mit der Politik: Im Sechs-Wochen-Takt rede man mit Vertretern aus dem Wirtschaftsministerium. Auch mit dem Kanzleramt sei man in Gesprächen und habe dort die dritte Forderung nach einer Verlängerung der Wirtschaftshilfen platzieren können. Von der anderen Seite versichert Kulturstaatsministerin Claudia Roth auf Anfrage von Business Insider, dass die Situation der Konzert- und Veranstaltungswirtschaft zu den Themen gehöre, die für sie „höchste Priorität“ hätten. Eine langfristige Perspektive eröffnet sie den Veranstaltern trotzdem nicht. Roths Sprecher schiebt die Verantwortung ab, die konkreten Regeln vor Ort und ihre Umsetzung fielen in die Verantwortung der Länder und Kommunen.

Ein bisschen kribbelt es jedoch Kulturstaatsministerin Roth in den Fingern: „Wie sehr ich mich darauf freue, Musik wieder gemeinsam erleben, lauthals mitsingen, tanzen zu können, diese besondere Energie zu spüren.“ Live-Musik sei immer ein großer, wichtiger Teil ihres Lebens gewesen – „vom legendären Scherben-Konzert in Wackersdorf bis hin zum tollen Benefizkonzert in der Waldbühne“. In den letzten Jahren habe ihr das „definitiv gefehlt“, sagt Roth. Vielleicht lässt sich ja die Staatsministerin mit derartig lebendigen Erinnerungen als Gesicht der Imagekampagne für die Veranstaltungswirtschaft gewinnen.