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Wie zwei 22-Jährige mit ihrem Vintage-Shop 2.000 Produkte im Monat verschicken

Die Peeces-Gründer Leon Jungfleisch (l.) und Moritz Gropp
Die Peeces-Gründer Leon Jungfleisch (l.) und Moritz Gropp

Mehr Nachhaltigkeit in der Mode ist derzeit ein riesiges Thema. Zalando und About You haben eigene Second-Hand-Shops gestartet. Das europäische Einhorn Vinted (ehemals Kleiderkreisel) wird mit 4,5 Milliarden US-Dollar bewertet. In Deutschland wollen zwei Jungs aus der Nähe von Mannheim auf dem wachsenden Markt ebenfalls mitspielen. Mit Peeces bauen Leon Jungfleisch und Moritz Gropp einen Vintage-Shop, der sich anfühlen soll, als würde man Neuware einkaufen. Uns haben die beiden erzählt, wie sie mit Gewinnspielen auf Instagram explodiert sind, was logistisch an einem Second-Hand-Business dran hängt und wie sie ausgehend von 2.000 Verkäufen pro Monat weiter wachsen wollen.

„Wir sehen uns nicht als Vintage-Shop von der Ecke, sondern als E-Commerce-Player“, sagt Peeces-Co-Gründer Leon Jungfleisch gegenüber OMR. „Wir haben das Gefühl, dass bisher niemand das Vintage-Thema im Netz so richtig gut macht. Keiner hat die perfekte Experience, den perfekten Marketing-Plan, eine funktionierende Größenberatung. Darauf liegt jetzt bei uns der Fokus.“ Genau damit wollen er und sein Co-Gründer Moritz Gropp ihre Nische finden. Und mit aktuell 1.500 bis 2.000 Verkäufen kratzen sie zumindest am Millionen-Umsatz im Jahr.

Im Online-Shop von Peeces gibt’s vor allem Pullis und T-Shirts.
Im Online-Shop von Peeces gibt’s vor allem Pullis und T-Shirts.

Zwei Schüler, ein Gedanke

Jungfleisch und Gropp lernen sich schon in der 5. Klasse kennen. „Wir haben 2017 entschieden, Amazon FBA auszuprobieren und wollten da Erfahrungen machen. Da waren wir noch Schüler. Wir haben uns dann aber schnell entschieden, etwas anderes auszuprobieren“, so Jungfleisch. 2018 geht ihr Shop Peeces mit einigen wenigen Vintage-Pullis und Shirts online. Daraus wird heute ein Unternehmen mit 18 Mitarbeitenden (wobei einige davon Werkstudent:innen sind).

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Im Shop von Peeces sind derzeit über 6.000 Second-Hand-Produkte gelistet – von 90er Shirts amerikanischer Sportvereine über alte Nike-Pullover bis hin zu Jeansjacken, die die Wende-Generation stolz gemacht hätten. Der Kauf funktioniert wie bei Neuware-Shops: In den Warenkorb legen, über die typischen Zahlungsdienste zahlen und in zwei bis drei Tagen das Paket in Empfang nehmen. „Wir versuchen uns abzuheben, indem wir sagen, wir wollen eine vollwertige Alternative zu neuen Produkten sein. Wir wollen also den Kunden eine Neuwaren-Experience bieten – inklusive schöner Verpackung, schneller Lieferung und allem, was dazu gehört“, so Co-Gründer Gropp.

Und zu diesem Erlebnis gehört für die Peeces-Macher vor allem die Größenberatung dazu. Denn bei Vintage-Sachen unterscheiden sich die Größen nicht nur von Marke zu Marke, sondern zum Teil bei der gleichen Brand von Jahrzehnt zu Jahrzehnt. „Unsere Wertschöpfung liegt vor allem darin, dass wir alle Produkte auf der Seite gut darstellen, genau beschreiben und beim Finden der richtigen Größe helfen“, sagt Gropp. In den Produktbeschreibungen im Shop stehen deshalb nicht nur die offiziellen Größen, sondern auch eine vom Peeces-Team für heutige Verhältnisse passende Größeneinschätzung. Mängel an den Second-Hand-Stücken werden in der Beschreibung und in Bildern gezeigt.

Auf der Produktdetailseite zeigt Peeces auch Schäden und Fehler an den Vintage-Klamotten (r.)
Auf der Produktdetailseite zeigt Peeces auch Schäden und Fehler an den Vintage-Klamotten (r.)

Zufällig zur Drop-Mechanik

In der Anfangsphase des Projekts ist an über 6.000 Produkte im Shop noch nicht zu denken. Die beiden Gründer treffen sich 2018 noch sporadisch – und entdecken fast zufällig den ersten Marketing-Kniff: „Dass wir Drops machen, ist einfach so entstanden, als wir uns zu Beginn nur ein bis zwei Mal die Woche getroffen haben. Immer dann haben wir neue Sachen hochgeladen“, sagt Moritz Gropp. „Wir haben aber schnell gemerkt, dass während der Drops der meiste Traffic auf der Seite ist und geschaut, was am besten funktioniert. Deshalb gibt es jetzt drei Tage mit Drops. Wir laden aber auch nebenbei täglich neue Klamotten auf die Seite.“ Jeden Dienstag, Donnerstag und Sonntag genau um 18 Uhr landet also ein Schwall Vintage-Teile im Peeces-Shop. Wie gut so eine Drop-Strategie funktionieren kann, haben wir ja schon oft gezeigt. Derzeit sorgt vor allem Achraf Ait Bouzalim mit seinem Label 6PM für Aufsehen, weil er mit jedem Drop in Minuten seine Kollektionen ausverkauft.

Solchen Beispielen wollen die Peeces-Gründer aber nicht uneingeschränkt folgen. Für sie sei der Drop ein netter Traffic-Hebel, eine dauernde Verfügbarkeit von Produkten aber wichtig. Denn nur dadurch können sie durchgängig Kund:innen in den Shop ziehen, ohne dass diese nur „Ausverkauft“ unter jedem Teil zu sehen bekommen. Denn wie für Second Hand typisch ist jedes Produkt nur ein Mal in einer Größe verfügbar und bei großem Interesse während der Drops schnell vergriffen. „Wir wollen weniger eine Hype-Marke sein, sondern eine Anlaufstelle für den Klamottenkauf für alle. Am Anfang lag unser Fokus noch darauf, die Drops sofort auszuverkaufen. Das hilft aber langfristig nicht dabei, unser Ziel zu erreichen“, sagt deshalb auch Leon Jungfleisch.

Instagram mit eingebaut

Die Kommunikation zu all den Drops und Produkten findet wenig überraschend vor allem über Instagram statt. „Wir haben direkt nach dem Start von Peeces gesagt, dass wir Instagram in die komplette Strategie integrieren wollen – also sehr persönlich und mit konstant neuem Content“, Co-Gründer Moritz Gropp. Der Account des Unternehmens kommt auf der Plattform mittlerweile auf knapp 125.000 Follower. Inspiration hätten sich die beiden schon zum Start von Snocks-Gründer Johannes Kliesch geholt, der auf der gleichen Schule wie Jungfleisch und Gropp gegangen ist. Der hat es schließlich geschafft, über Instagram eine Brand rund um Socken aufzubauen. Auf dem Instagram-Kanal von Peeces landen heute die Highlight-Stücke der anstehenden Drops und immer wieder persönliche Updates der beiden Gründer.

„Für erste Follower-Sprünge waren Gewinnspiele wichtig. Wir haben bisher an die zehn gemacht, davon waren drei sehr effizient. Da haben wir durch ein Gewinnspiel auch mal 20.000 Follower gewonnen“, so Gropp. Allerdings strafe Instagram die Strategie mittlerweile zu sehr ab, als dass sie sich noch lohne. Auf der Plattform sei es insgesamt derzeit schwer, organisch zu wachsen, neue Follower und potenzielle Kund:innen zu erreichen – auch weil das „Produkt“ – also Vintage-Mode von einem Shop – so erklärungsbedürftig sei.

Also versucht Peeces jetzt durch Performance Marketing auf dem Kanal neue Zielgruppen zu erschließen. „Wo wir gerade dran sind: Wie schaffen wir es, mit Ads das Ganze wirklich zu skalieren?“, sagt Leon Jungfleisch. Das funktioniere auf Facebook und Instagram schon ganz gut. Insgesamt elf Ads schaltet das Unternehmen hier aktuell. Alle stellen neben den Klamotten die guten Trustpilot-Bewertungen, das Rückgaberecht und den schnellen Versand in den Mittelpunkt – wie klassische Shops auf der Suche nach Neukund:innen eben auch.

Das Wachstum der Instagram-Follower von Peeces seit Mai 2020. Deutlich zu erkennen die Steigerungen durch Gewinnspiele und die derzeitige Schwierigkeit, organisch neue Kund:innen zu erreichen (Quelle: Notjustanalytics)
Das Wachstum der Instagram-Follower von Peeces seit Mai 2020. Deutlich zu erkennen die Steigerungen durch Gewinnspiele und die derzeitige Schwierigkeit, organisch neue Kund:innen zu erreichen (Quelle: Notjustanalytics)

Auf der Suche nach neuen Wachstums-Chancen

Doch um größer anzugreifen, brauche es weitere Möglichkeiten. „Wir suchen gerade einen zweiten Ad-Kanal neben Facebook, über den wir effektiv Neukund:innen erreichen können“, sagt Moritz Gropp. Das Team habe bereits Snapchat dafür getestet und auch auf Tiktok Erfahrungen gesammelt. Beide Plattformen lieferten aber nicht die gewünschte Zielgruppe. Immerhin laufe es organisch ganz okay auf Tiktok. Dort verzeichnet der Peeces-Account 81.000 Follower und 1,4 Millionen Likes. Einzelne Clips wurden über eine Million Mal angesehen. „Bei Instagram und auch Tiktok hatten wir Glück mit dem Timing. Bei Instagram waren wir beim Gewinnspiel-Hype dabei und bei Tiktok haben wir früh Follower für unseren Unternehmens-Account aufgebaut“, erklärt Leon Jungfleisch.

Aktuell verschicke Peeces darüber hinaus regelmäßig Newsletter an 15.000 Subscriber. Und vor der Pandemie hatten die beiden Gründer mehrere Offline-Aktionen geplant. Zwei Pop-Up-Stores seien bei der Community gut angekommen und die Strategie sollte ausgebaut werden. So langsam können sich Jungfleisch und Gropp jetzt wieder vorstellen in verschiedenen deutschen Städten Kurzzeit-Läden zu eröffnen, Klamotten dort zu verkaufen und dann mit Freunden und Fans der Brand zu feiern. „Wir haben derzeit zwei Grundpfeiler für die Zukunft: Auf der organischen Seite wollen wir mit Pop-Up-Stores die Community kennenlernen und auf der anderen Seite digital mit mehr Marketing-Budget neue Kunden erreichen“, fasst Jungfleisch zusammen.

1.000 Wäschen am Tag

Bleibt eigentlich nur die Frage, wie das kleine Peeces-Team Tausende Second-Hand-Produkte durch den eigenen Shop laufen lässt. „Wir packen jede Woche 1.000 Artikel aus, schauen sie an, sortieren nicht brauchbare Klamotten aus. Dann waschen wir alles, fotografieren die Teile und laden sie auf die Seite“, erklärt Moritz Gropp. „Wir kaufen vor allem von internationalen Partnern auf der ganzen Welt.“ Es sei eine richtige Vintage-Ökonomie mit B2B-Dienstleistern entstanden. Allerdings sei immer noch viel Stöbern bei anderen Second-Hand-Anbietern nötig. „Nike ist derzeit sicher die beliebteste Marke. Insgesamt funktionieren natürlich seltene Produkte am besten“, fügt er noch an. High-Fashion-Brands wie Yves Saint Laurent & Co. kämen daher auch im Vintage-Bereich gut an.

Trotzdem wird auf der Peeces-Seite nicht erkennbar, dass sich die Gründer ihre Preise von solchen Beliebtheitsfaktoren beeinflussen lassen. Pullover kosten meist um die 45 Euro, Shirts zwischen 25 und 35 Euro. „Wir halten uns an Marktpreisen nicht fest und arbeiten oft mit Durchschnittspreisen. Es ist bei der Masse an Artikeln oft nicht zu schaffen, da immer die einzelne Marge zu berechnen“, sagt Leon Jungfleisch. „Als Alternative zum Kauf von neuer Kleidung soll es langfristig auch die krassen Sachen bei uns für einen guten Preis geben.“ Zum Teil würden die beiden jetzt schon sehen, dass einzelne Teile bei ihnen gekauft und dann bei Plattformen wie Vinted für einen deutlich höheren Preis weiterverkauft werden.

Keine Angst vor den Großen

Peeces agiert also ähnlich wie ein Modelabel oder ein Neuware-Shop im Stile von BSTN (hier im OMR-Porträt) – also immer mit der eigenen Marke im Blick. Jungfleisch und Gropp haben auch schon mit Merch experimentiert, wollen sich aber lieber auf ihr Kernprodukt konzentrieren. Die Stärkung der eigenen Marke läuft eher über aufwändiger produzierte Videos auf Instagram (wie dieser Image-Clip zu Halloween) oder etwa eine Dankeskarte in jedem verschickten Paket.

Die große Herausforderung für die Peeces-Gründer wird jetzt aber die Ausweitung der Zielgruppe sein. Bisher erreiche die Marke vor allem Männer im Alter zwischen 15 und 24 Jahren. Mit dem Konzept wollen Jungfleisch und Gropp aber ja die gesamte Gesellschaft erreichen und vor allem eine ältere Zielgruppe ab 30 könnte Chancen bieten, weil diese eher vor dem Stöbern am typischen Vintage-Store und den Verhandlungsarien bei Plattformen wie Vinted zurückschrecken. Die Peeces-Gründer sind sich zumindest sicher, dass die Second-Hand-Bemühungen von About You und Zalando ihr Geschäft nicht gefährden. Schließlich könne der Vintage-Markt in ein paar Jahren größer sein, als die Fast-Fashion-Industrie.

Dieser Artikel erschien zuerst bei OMR Daily.