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Zoff bei der „Effenberg-Bank“ – Aufseher wollen Chef absetzen

Vor zwei Jahren hat eine Genossenschaftsbank Ex-Fußballstar Stefan Effenberg angeheuert. Nun liegt sie im Clinch mit der Finanzaufsicht und dem LKA.

Eigentlich gehört die VR-Bank Bad Salzungen Schmalkalden zu den Zwergen der deutschen Bankenlandschaft. Aber die Genossenschaftsbank aus der thüringischen Provinz schreckt nicht vor ungewöhnlichen Geschäften und großen Namen zurück. Vor zwei Jahren heuerte das Geldhaus Ex-Nationalspieler Stefan Effenberg an, um das Fußballgeschäft des Geldhauses anzukurbeln – und sorgte damit bundesweit für Schlagzeilen.

Der Angestellte Effenberg soll helfen, die Risiken im Fußballsektor richtig einzuschätzen. Denn ein Geschäftszweig der Bank sind Kredite an Profivereine. „Es geht uns nicht darum, dass er eine Kreditentscheidung treffen soll“, erklärt die Volksbank-Raiffeisenbank. „Aber er ist für die Risikobeurteilung wichtig, weil er beurteilen kann, welche Komponenten wie Spielerverträge, Zuschauereinnahmen und Berater eine Rolle spielen.“

Mit ihrem Geschäftsmodell ist die VR-Bank ein Exot im sonst wenig glamourösen Genossenschaftssektor. Jetzt stehen die Thüringer wieder im Blickpunkt. Das Geldhaus legt sich mit der deutschen Finanzaufsicht Bafin an und bricht einen in der deutschen Finanzgeschichte wohl einmaligen Streit vom Zaun. Die Bafin will den Vorstandschef abberufen und einen anderen Vorstand verwarnen. Das geht aus dem Protokoll der jüngsten Generalversammlung der VR-Bank hervor, das dem Handelsblatt vorliegt.

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Zu den Aufgaben der Finanzaufsicht gehört es, die „fachliche Eignung und persönliche Zuverlässigkeit“ von Vorständen zu prüfen. Und den VR-Bank-Boss hält die Bafin nun offenbar nicht mehr für zuverlässig. Bleibt sie bei dieser Einschätzung, kann sie ihn per Verwaltungsakt vor die Tür setzen.

Das Vorgehen ist bemerkenswert, denn derart harte Maßnahmen gegen Bankvorstände ergreift die Bonner Behörde äußerst selten. Im vergangenen Jahr gab es laut Bafin-Jahresbericht lediglich zwei Abberufungsverlangen und eine Verwarnung.

Ein Immobiliengeschäft und zwei Whistleblower

Hauptgrund für das Einschreiten der Bafin ist ein Immobiliengeschäft der Bank aus dem Jahr 2014, in das der Chef des Geldhauses selbst verwickelt ist – ob einwandfrei oder gesetzeswidrig, darum dreht sich der Streit.

Die Bafin äußert sich dazu nicht. Auch das Landeskriminalamt (LKA) Thüringen, das sich mit dem Fall befasst, lehnt eine Stellungnahme mit Hinweis auf das laufende Verfahren ab. Die Staatsanwaltschaft Mühlhausen ermittelt seit 2018 wegen des Verdachts der Untreue bei dem Immobiliendeal gegen den Vorstandschef und eine ehemalige Mitarbeiterin des Geldhauses. Der Vorstandschef äußert sich nicht zu den laufenden Ermittlungen und verweist auf die Ausführungen des Anwalts des Aufsichtsrats der Bank.

Die Bank wehrt sich derweil vehement und will gegen die Finanzaufsicht sogar juristisch vorgehen. „Der Aufsichtsrat bereitet eine Klage gegen die Bafin vor“, sagte Edgar Steinle, der Anwalt des Aufsichtsrats, dem Handelsblatt. Das Kontrollgremium, in dem unter anderem der ehemalige thüringische Ministerpräsident Dieter Althaus sitzt, habe dies bereits beschlossen.

„Derzeit gibt es noch die Hoffnung, dass ein Umdenken der Bafin eintritt“, sagte Steinle. „Wir werden zunächst Widerspruch gegen den Abberufungsbescheid einlegen.“ Wenn die Bafin nicht einlenke, werde eine Anfechtungsklage vor dem Verwaltungsgericht Frankfurt folgen.

Schon auf der Generalversammlung Mitte Oktober ging das Kontrollgremium unter anderem die Bafin scharf an: Der Aufsichtsrat könne die „beobachtende Tendenz zu einer persönlichen und wirtschaftlichen Vernichtung“ insbesondere des Vorstandschefs aufgrund der vorliegenden Erkenntnisse nicht mittragen, heißt es im Protokoll. Die Generalversammlung ist eine Art Hauptversammlung, zu der die Eigentümer der Bank geladen waren.

Aufsichtsrat und Vorstandschef haben bei ihrem Kurs die Rückendeckung der Mitglieder. Eine satte Mehrheit von 95 Prozent stimmte dafür, auf mögliche Regressansprüche gegen den Vorstandschef zu verzichten.

Wenn es Auseinandersetzungen zwischen einer Bank und der Bafin gibt, dann laufen diese in aller Regel unbemerkt von der Öffentlichkeit ab. Bevor die Finanzaufsicht Vorstände offiziell abberuft, versucht sie meist auf informellem Weg, einen Abschied der Manager herbeizuführen – etwa durch Gespräche mit dem Aufsichtsrat. In den meisten Fällen treten die kritisierten Vorstände dann zeitnah ab. Dass ein Streit derart eskaliert wie in Thüringen und eine Bank öffentlich auf Konfrontationskurs mit der Bafin geht, ist äußert selten.

Im Zentrum des Streits steht die Frage, ob der Vorstandschef 2014 aus dem Kauf einer Immobilie einen persönlichen Vorteil gezogen hat – zulasten der Bank. Laut dem Protokoll der Generalversammlung sieht die Finanzaufsicht, genauso wie das LKA Thüringen, seine Verwicklung kritisch. Er kaufte damals für eine Million Euro privat ein Haus in der Erfurter Innenstadt, obwohl für das Gebäude zunächst ein Kaufpreis von 1,5 Millionen Euro aufgerufen worden war.

Streit über Kaufpreis eines Hauses

Die Strafverfolger haben den Verdacht, dass die Bank nach dem Preisnachlass für den Vorstandschef im Gegenzug mehr Geld für den Erwerb von 21 anderen Immobilien vom selben Verkäufer bezahlt habe. Dadurch sei dem Institut ein Schaden von insgesamt 548.800 Euro entstanden. Insofern bestehe „ein Tatverdacht in Bezug auf den Vorwurf der Untreue“, heißt es im Protokoll.

Bank und Aufsichtsrat argumentieren dagegen, der anfängliche Preis für die Immobilie von 1,5 Millionen Euro sei nicht vereinbart, sondern nur vorbesprochen worden. Im Rahmen der Verhandlungen sei es dann auch bei anderen Objekten zu Bewertungsveränderungen gekommen. Gutachten zeigten, dass der Vorstandschef die Immobilie „zu einem zutreffenden, das heißt nicht zu niedrigen Kaufpreis“ erworben habe.

Der Bank zufolge hat ihr Chef nur zugegriffen, weil der gesamte Immobiliendeal sonst zu platzen drohte. „Kurz vor dem Notartermin tauchte das Problem auf, dass es keinen Beschluss des Aufsichtsrats gab, alle 22 Immobilien zu kaufen, sondern lediglich für 21 Immobilien.“ Ein damaliger Vorstandskollege hatte demnach zuvor das Objekt in der Innenstadt Erfurts vom Kauf ausgeschlossen, weil es zu teuer gewesen sei. Der Verkäufer habe aber nur alle 22 Immobilien gemeinsam verkaufen wollen. Der Vorstandschef habe daher beschlossen, „das Haus selbst zu kaufen, aber erst nachdem alle anderen, welchen das Objekt zum Kauf angeboten worden war, abgelehnt hatten“.

Anwalt Steinle sagt: „Er ist hier sozusagen als Käufer eingesprungen, damit die Bank die restlichen Objekte aus dem Portfolio erwerben konnte.“ Aus Steinles Sicht hat das LKA „eindeutige Hinweise, die zu einer niedrigeren Bewertung kommen, ignoriert“.

Ins Rollen gebracht hatten die Bafin-Prüfung zwei Whistleblower. Sie gaben der Aufsicht im Frühjahr 2018 Informationen über das Immobiliengeschäft weiter. Im Mai 2018 stellte die Bank nach eigenen Angaben die zwei Mitarbeiter wegen „fehlenden Vertrauens“ frei, nicht aber wegen der Weitergabe von Informationen.

Davon, dass die beiden Hinweise an die Bafin gegeben hatten, will das Geldhaus erst später erfahren haben – und zwar nachdem die Staatsanwaltschaft im August 2018 Geschäftsräume der Bank und Privaträume des Chefs durchsucht hatte. Die Ermittler wollten sich nicht zur Rolle der Whistleblower äußern.

Mit den beiden früheren Mitarbeitern hat sich die Bank inzwischen vor dem Arbeitsgericht verglichen. Beide erhielten nach Handelsblatt-Informationen jeweils eine Vergleichssumme in fünfstelliger Höhe. Die Bank bestätigt das, der gemeinsame Anwalt der Whistleblower wollte sich nicht äußern.

70.000 Euro für eine Fortbildung für Stefan Effenberg

Aus Sicht der Bafin gibt es bei der VR-Bank neben dem Immobiliengeschäft noch weitere Baustellen. Laut dem Protokoll kritisiert die Behörde auch ein anderes Immobilienprojekt des Instituts. Die Bank rechtfertigt hier ebenfalls ihr Vorgehen.

Obendrein hat die Bafin demnach beim Umgang mit Fußballstar Effenberg Beanstandungen. Die Aufsicht hat Zweifel an der „Angemessenheit der Fortbildungsmaßnahmen für Herrn Effenberg“ bei der Akademie Deutscher Genossenschaften (ADG), für die das Institut 70.000 Euro bezahlte. Die Kosten für die Fortbildung sind auch Teil der staatsanwaltschaftlichen Ermittlung, so die Staatsanwaltschaft.

Die Bank verteidigt die Ausgaben zur Weiterbildung eines Mitarbeiters, der eine „hervorgehobene Stellung“ innehabe. Durch die Fortbildung solle der ehemalige deutsche Nationalspieler in die Lage versetzt werden, „Eröffnungsgespräche zu möglichen Finanzierungsthemen erfolgreich zu gestalten“. Es handle sich um einen ganz normalen Lehrgang mit der ADG für Mitarbeiter der dritten und vierten Führungsebene.

Die Staatsanwaltschaft untersucht nach eigenen Angaben auch einen Auftrag der Bank an Effenbergs Ehefrau Claudia. Das Geldhaus hatte die Dirndl-Designerin damit beauftragt, neue Bekleidung für die Mitarbeiterinnen zu liefern. Die Bank verteidigt auch die Auftragsvergabe: „Wir haben nach jahrelanger, intensiver Suche Angebote verschiedener Produzenten und Designer eingeholt. Das Design von Frau Effenberg hat unseren Mitarbeiterinnen am besten gefallen.“

Rückblickend allerdings würde sich das Geldhaus anders entscheiden: „Aufgrund dessen, dass sich die Bafin mit der Einkleidung von Bankmitarbeiterinnen beschäftigt sowie aufgrund der damit verbundenen zusätzlichen internen Belastungen der Bank und des dadurch ausgelösten Medieninteresses, würden wir heute einen solchen Auftrag nicht auslösen.“

Strategie zahlt sich bislang aus

Innerhalb des Genossenschaftssektors polarisiert das Geldhaus – und das liegt nicht nur an den Effenbergs und dem Fußballgeschäft. Denn mit ihrem Geschäftsmodell setzen sich die Thüringer auch an anderer Stelle deutlich von anderen Volksbanken ab.

Das Institut erwirbt und verkauft auch Immobilien, investiert in erneuerbare Energien wie Windräder – und das nicht nur in der eigenen Region. Solche Geschäfte machen die Bank, deren Bilanzsumme bei mehr als einer Milliarde Euro liegt, unabhängiger von der Negativzinspolitik der Europäische Zentralbank.

Das Geldhaus beschreibt fünf große Geschäftszweige, in denen es Darlehen vergibt: Kredite für Unternehmer in der Region, Fußball, Landwirtschaft, Wohnungsbau sowie Bauträger und Energie. In diesen fünf Geschäftsbereichen strebe man jeweils ein Volumen an Krediten und eigenen Investitionen in Höhe von 100 Millionen Euro an. Die Strategie zahlt sich wirtschaftlich bislang aus. Die Bank hat in den vergangenen drei Jahren stets mehr verdient.

Neben Bewunderern gibt es im genossenschaftlichen Sektor jedoch auch Skeptiker, die den Kurs ihrer Kollegen in Bad Salzungen kritisch sehen. Sie fragen sich, ob das Fußballgeschäft nicht eine Nummer zu groß für die Bank ist.

Auch der Streit über die mögliche Abberufung des Vorstandschefs dürfte im Sektor für Diskussionen sorgen. Derzeit sieht es so aus, als würde die Finanzaufsicht auf ihrer Position beharren und den VR-Bank-Boss absetzen. Dies könnte das Geldhaus dann wiederum juristisch anfechten. Die Wahrscheinlichkeit ist also groß, dass die VR-Bank Bad Salzungen Schmalkalden auch künftig bundesweit für Schlagzeilen sorgen wird.