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Zinsen auf Steuernachzahlungen bleiben hoch

Auf Steuernachzahlungen können jährlich sechs Prozent Zinsen fällig werden. Das Finanzgericht Münster hält das trotz Niedrigzinsphase für verfassungskonform – doch das letzte Wort ist noch nicht gesprochen.

Vor dem Finanzgericht Münster haben Steuerzahler am Donnerstag eine Schlappe erlebt. Geklagt hatte ein Ehepaar aus Witten, das für die Jahre 2010 und 2011 Steuern nachzahlen sollte. Die endgültigen Steuerbescheide kamen erst 2016 und Ende 2013. Dadurch fielen auf die Steuernachforderungen auch noch Zinsen an – satte 0,5 Prozent pro Monat, also sechs Prozent pro Jahr. Dieser Zinssatz ist im Gesetz schon seit mehr als 50 Jahren verankert. Angesichts der Niedrigzinsphase hielt das Ehepaar ihn aber für verfassungswidrig. In ihrer Klage, die vom Bund der Steuerzahler (BdSt) unterstützt wird, führten sie aus, dass der Zinssatz ihrer Meinung nach zwischen den Soll- und Habenzinsen liegen solle und sich „um die drei Prozent, keinesfalls aber über vier Prozent pro Jahr bewegen“ dürfte.

Das Finanzgericht sah das anders und hat die Klage abgewiesen (Az.: 10 K 2472/16). Zugleich ließen die Richter aber die Revision zum Bundesfinanzhof (BFH) zu. Dort sind schon ähnliche Verfahren anhängig, diese beziehen sich aber auf Zeiträume, in denen die Marktzinsen noch höher lagen.

In ihrer mündlichen Urteilsbegründung wiesen die Richter darauf hin, dass der Nachzahlungs- und Erstattungszins in Deutschland seit 1961 unverändert und bewusst bei sechs Prozent liege. Dieser Satz sei wegen der Vereinfachung für die Steuerverwaltung auch in Hochzinsphasen nie verändert worden. Das sei mal für den einen Steuerpflichtigen zum Nachteil, mal aber auch zum Vorteil. Zudem betonten die Richter, dass Nachzahlungszinsen erst nach einer Karenzzeit von 15 Monaten gezahlt werden müssten.

Tatsächlich ist es so: Wenn Steuerzahler eine Steuererklärung abgeben, erhalten sie in der Regel einige Wochen später einen Steuerbescheid. Darin fordert das Finanzamt entweder zum Nachzahlen auf oder kündigt eine Steuererstattung an. Die Zinsen kommen ab dem 16. Monat nach Ende eines Steuerjahres ins Spiel.

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Für jeden vollen Monat fallen dann 0,5 Prozent Zinsen an – bis der Steuerbescheid ergeht. Das gleiche gilt bei Steuererstattungen. Der Steuerzahler kann also auch von den Zinsen profitieren. Wer nicht zur Abgabe einer Steuererklärung verpflichtet ist und sich sicher ist, dass ihm eine Erstattung zusteht, könnte mit der Abgabe seiner Steuererklärung bis zu vier Jahre warten und inklusive der Bearbeitungszeit beim Finanzamt für etwa 36 Monate Zinsen einstreichen.

Auf ein Verschulden kommt es bei der Verzögerung nicht an. Ob der Steuerzahler trödelt, das Finanzamt überlastet ist oder neue Erkenntnisse offenbar werden – etwa durch eine Betriebsprüfung bei einem Unternehmen, an dem der Steuerzahler beteiligt ist – spielt keine Rolle. Auf den ersten Blick scheinen Steuerzahler – zumindest als Gesamtheit – durch die Regelung gleichermaßen belastet und begünstigt zu werden.

Unterm Strich ist aber der Fiskus der Gewinner. So hat eine Anfrage der Grünen beim Bundesfinanzministerium im April dieses Jahres ergeben, dass der Saldo aus Nachzahlungs- und Erstattungszinsen in den Jahren 2012 bis 2016 für den Fiskus stets positiv war. Pro Jahr entstand in der Staatskasse dadurch ein Plus von 670 Millionen bis knapp 1,3 Milliarden Euro.


Revision ist wahrscheinlich

Der Bund der Steuerzahler will gemeinsam mit den Klägern die Urteilsgründe prüfen und nach Angaben einer Sprecherin „wahrscheinlich Revision einlegen“. Mit der schriftlichen Urteilsbegründung sei in einigen Wochen zu rechnen. Für die Praxis habe das Urteil zunächst keine Auswirkungen. „Steuerzahler können weiterhin gegen die hohen Steuerzinsen Einspruch einlegen und das Ruhen des Verfahrens beantragen. Zur Begründung sollte auf ein bereits laufendes Parallelverfahren beim Bundesfinanzhof verwiesen werden (Az.: I R 77/15)“, empfiehlt der Bund der Steuerzahler.

Auch Erich Nöll, Geschäftsführer des Bundesverbands Lohnsteuerhilfevereine (BVL), wertet den hohen Zinssatz als Ärgernis: „Es ist höchste Zeit, dass der Gesetzgeber auf das anhaltende Niedrigzinsniveau reagiert und den Zinssatz reduziert.“ Einen konkreten Vorschlag macht Nöll nicht, „ich halte aber eine Mischkalkulation aus Soll- und Habenzinsen für sinnvoll“.

Der Durchschnittsarbeitnehmer und Rentner ist nach Erfahrung von Nöll eher selten von späten Steuernachforderungen betroffen, auf die dann auch noch Zinsen fällig werden. „Wer seine Steuererklärung pünktlich abgibt, kann sich davor schützen.“ Manche Steuerpflichtige wüssten jedoch gar nicht, dass sie zur Abgabe der Steuererklärung verpflichtet sind. „Weil die Auswertung der gemeldeten Daten immer noch zu wünschen übrig lässt, fordern die Finanzämter nicht selten viele Jahre rückwirkend zur Abgabe der Steuererklärung auf“, kritisiert der Steuerexperte gegenüber dem Handelsblatt. In diesen Fällen könne sich die Nachzahlung und damit auch die Verzinsung erheblich aufsummieren.

Jenseits des Zinssatzes stört Nöll noch eine andere gesetzliche Regelung: Wer vom Fiskus Erstattungszinsen erhält, muss diese in der nächsten Steuererklärung als Einnahmen versteuern. Wer dagegen nachzahlen muss, kann den Verlust nicht geltend machen. „Diese Ungerechtigkeit sollte ebenfalls dringend beseitigt werden“, fordert Nöll.

KONTEXT

Pflicht und Kür bei der Steuererklärung

Frist

Abgabetermin für die Einkommensteuererklärung ist jedes Jahr der 31. Mai. Wenn dieser auf ein Wochenende fällt, verschiebt sich die Frist um ein bis zwei Tage.

Steuerberater

Wer einen Steuerberater oder einen Lohnsteuerhilfeverein beauftragt, muss seine Steuererklärung für 2015 erst am 31. Dezember 2016 abgeben.

Fristverlängerung

Wenn ein Steuerzahler seine Erklärung selbst machen will, es aber nicht rechtzeitig schafft, kann er beim Finanzamt eine Fristverlängerung beantragen. "Zulässige Gründe können etwa fehlende Unterlagen oder eine längere Krankheit sein", sagt Isabel Klocke vom BdSt.

Pflicht

Längst nicht jeder Arbeitnehmer ist zur Abgabe verpflichtet. Wer ledig ist, nur Lohn von einem Arbeitgeber bezieht und keine weiteren Einkünfte von mehr als 410 Euro hat - etwa aus einer Nebentätigkeit, einer Vermietung oder in Form von Lohnersatzleistungen wie Elterngeld - kann auf die Abgabe verzichten - oder sich vier Jahre Zeit lassen. Die Erklärung für das Jahr 2015 kann dann noch bis zum 31. Dezember 2019 abgeben werden.

Senioren

Seit einer Gesetzesänderung 2005 sind Rentner häufiger zur Abgabe der Steuererklärung verpflichtet. Dies hängt von der Höhe der Bruttorente und dem Jahr des Renteneintritts ab. Wer beispielsweise 2015 in Rente ging, ledig ist und im vergangenen Jahr höchstens 1207 Euro Monatsbruttorente bekommen hat, muss keine Steuererklärung abgeben. Wer mehr bekam, kann dazu verpflichtet sein.

KONTEXT

So verstehen Sie das Finanzamt

Der Einspruch ist zulässig

Wenn das Finanzamt schreibt, dass der Einspruch zulässig sei, klingt das zunächst einmal gut, aber es ist nur die halbe Miete. Denn dies heißt nur, dass der Steuerzahler die formalen Voraussetzungen für einen Einspruch erfüllt hat - wie etwa das fristgerechte Einreichen.

Der Einspruch ist begründet

Erst bei der Frage, ob der Einspruch begründet ist, prüft das Finanzamt das Anliegen des Steuerzahlers inhaltlich.

Das Finanzamt hilft ab

Im Vokabular des Finanzamts bedeutet "abhelfen", dass die Beamten dem Einspruch des Steuerzahlers folgen und beispielsweise eine außergewöhnliche Belastung doch als solche anerkennen.

Das Finanzamt gewährt AdV

Eigentlich muss eine Steuernachzahlung trotz eingelegtem Einspruch sofort beglichen werden. Der Steuerzahler kann jedoch AdV - Aussetzung der Vollziehung - beantragen. Das ist jedoch gefährlich, denn wenn der Steuerzahler Jahre später doch zahlen muss, kassiert das Finanzamt nicht nur die Nachzahlung, sondern auch noch saftige Zinsen.

Das Verfahren ruht

Wenn zu einer steuerrechtlichen Frage bereits ein Verfahren läuft, muss ein Steuerzahler, der sich aus den gleichen Gründen ungerecht behandelt fühlt, nicht selbst gegen seinen Steuerbescheid klagen. Es reicht, wenn er Einspruch einlegt und auf das laufende Verfahren verweist. Gewährt das Finanzamt das Ruhen des Einspruchsverfahrens, kann der Ausgang des anhängigen Klageverfahrens entspannt abgewartet werden.

Das Finanzministerium verhängt einen Nichtanwendungserlass

Wenn das Finanzministerium für eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs einen Nichtanwendungserlass verkündet, gilt das steuerzahlerfreundliche Urteil nur für den entschiedenen Klagefall. Andere Steuerzahler können sich dann nicht mehr darauf beziehen, sondern müssen gegebenenfalls selbst klagen.