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Ziemlich beste Freunde

Wladimir Putin kämpft um Herz und Hirn der Deutschen – und wendet sich dazu an deutsche Konzerne. Denn Russlands Präsidenten und die deutsche Wirtschaft verbindet derzeit mehr als Putin und die deutsche Politik.

Die wichtigsten Fürsprecher Wladimir Putins sitzen in Deutschland – in den Führungsetagen vieler deutscher Unternehmen. Mit ihnen teilt er die Forderung nach einem Ende der Sanktionen gegen Russland, ein Verhindern der Umsetzung neuer amerikanischer Strafmaßnahmen und politischem Segen für immer mehr russische Öl- und Gaslieferungen nach Europa. Und so nahm sich der Kremlherr am Donnerstag fast drei Stunden Zeit für ein Gespräch mit Top-Managern aus Deutschland - in seiner Schwarzmeer-Residenz in Sotschi.

Der Vorsitzende des Ost-Ausschusses der deutschen Wirtschaft (OA), Wolfgang Büchele, wurde nicht müde, Gemeinsamkeiten zu betonen: Putin, der gerade seinen 65. Geburtstag gefeiert hat, sei im Gründungsjahr des OA 1952 zur Welt gekommen. Und wie in Deutschland gerade eine neue Bundesregierung entstehe, werde auch nach der russischen Präsidentenwahl im kommenden Frühjahr eine neu gewählte Führung im Kreml bestehen.

Die Umfragen zeigten, dass die überwiegende Mehrheit der Deutschen freundschaftliche Beziehungen zu Russland wolle und den Stillstand im bilateralen Verhältnis gerne beendet sähe, sagte Büchele. Dies müsse die Orientierung für eine neue Bundesregierung werden.

Als Dankbarkeit für das „Highlight des Jahres für den Ost-Ausschuss“, das Treffen mit Putin in Sotschi, überreichte Büchele dem Kremlchef ein Fußball-Nationaltrikot mit der „Mittelstürmer-Nummer 9“ sowie eine Statuette des legendären sowjetischen Torhüters Lew Jaschin. Deutschland solle zwar bei der WM im kommenden Jahr in Russland wieder Weltmeister werden, meinte Büchele. Doch im politischen Feld durfte Mittelstürmer Putin erst einmal die Tore machen. Die bilateralen Wirtschaftsbeziehungen liefen „trotz der aktuellen Probleme in der Politik“ wieder gut, betonte Putin und stichelte gleich: Deutschland sei inzwischen hinter China nur noch zweitgrößter Lieferant des Riesenreichs.

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Allerdings hat der deutsch-russische Handel im ersten Halbjahr 2017 mit einem Plus von rund einem Viertel wieder stark zugelegt. Und zu Putins Freude beschäftigen die gut 5000 in seinem Land tätigen deutschen Unternehmen 270.000 russische Mitarbeiter. Beide Seiten betonten, dass sie sich eine weitere gedeihliche Zusammenarbeit sehr wünschten.

Und beide Seiten lehnen vor allem die neuen US-Sanktionen gegen Russland ab.


Streit um Sanktionen

Denn diese könnten auch Firmen in Drittstaaten unter Strafe stellen, die für russische Energiekonzerne tätig werden. „Wir unterstützen die negative Haltung der EU und der Bundesregierung gegen diese Sanktionen“, betonte OA-Vorsitzender Büchele im Gespräch mit Putin. Und er kritisierte die „Gefahr der exterritorialen Anwendung“ der Strafmaßnahmen, die etwa auch Firmen treffen könnten, die sich an Nord Stream 2 beteiligen. Die deutschen Versorger Uniper und Wintershall (Tochter der BASF) hatten sich zusammen mit der französischen Engie, der österreichischen OMV sowie dem niederländisch-britischen Konzern Shell an der Tochter des Gazprom-Konzerns Nord Stream 2 beteiligt. Sie stehen nun nicht nur unter dem Druck einzelner EU-Staaten, sondern auch unter Druck aus Washington.

Derweil machen die Senatoren John McCain (Republikaner) und Ben Cardin (Demokraten) Druck auf US-Präsident Donald Trump, die von ihm abgesegneten neuen amerikanischen Strafmaßnahmen gegen Russland auch praktisch zu verhängen. Dies fordern sie in einem jetzt veröffentlichten Brief an den Chef des Weißen Hauses. Der hätte bereits am 1. Oktober neue Sanktionen definieren müssen.

Putin indes wischt die Auswirkungen der Sanktionen bisher immer vom Tisch. Er behauptet sogar, die Sanktionen schadeten vor allem dem Westen selbst, sein Land gehe wegen seiner Strategie einer Import-Substituierung sogar gestärkt aus der Krise. Daran wird nun aus berufenem Mund Zweifel angemeldet: Putins langjähriger Finanzminister Alexej Kudrin, räumte gerade ein, dass die Sanktionen Russland weiter hart träfen – vor allem, was die Höhe der ausländischen Sanktionen angehe.

So hätten diese vor und nach der Wirtschaftskrise jeweils 70 Milliarden Dollar jährlich betragen, in diesem Jahr kämen „vielleicht noch zehn Milliarden“ hinzu, so Putins Wirtschaftsberater. Der Schaden für Russland durch die Strafmaßnahmen des Westens betrage 0,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts jährlich, 2014 und 2015 sei es jeweils ein Prozent gewesen.

Putin selbst hingegen ließ bei seinem Treffen mit der deutschen Wirtschaft derart negative Fakten weg und beschwor das Positive: Bei Investitionen in Russland sind deutsche Firmen wieder kräftig dabei. Nach 225 Millionen Dollar im gesamten vorigen Jahr sind sie laut Putin in den ersten sechs Monaten 2017 auf bereits 312 Millionen Dollar gestiegen.

Tatsächlich haben sich zuletzt der Gasspezialist Linde, der Handelsriese Metro, der Kfz-Zulieferer Schaeffler, der Autobauer Daimler, der Chemiegigant BASF, die Heizkesselfirma Viessmann, der Elektrokomponentenhersteller Phoenix Contact und der Saatguthersteller Petkus mit großen Investitionen in Russland engagiert. Zum Gespräch mit Putin waren Vertreter der Top-Liga der deutschen Wirtschaft erschienen.


Diese Manager nahmen teil

Neben OA-Chef Büchele, der auch Vorstandsvorsitzender des Anlagenbauers M+W Group ist, sowie seinem Vize, Uniper-CEO Klaus Schäfer, waren dies: Der CEO von Linde, Aldo Belloni, Bilfinger-Boss Tom Blades, Metro-Chef Olaf Koch, Tui-Aufsichtsratschef Klaus Mangold, BASF-Finanzvorstand und Wintershall-Aufsichtsratsvorsitzender Hans-Ulrich Engel, SAP-Vorstand Michael Kleinemeier, der Vorstandsvorsitzende von Schaeffler, Klaus Rosenfeld, der Geschäftsführende Gesellschafter des weltgrößten Gipsproduzenten Knauf, Manfred Grundke, die Aufsichtsratschefin des Landmaschinenherstellers Claas, Cathrina Claas-Mühlhäuser, der Fleischunternehmer Clemens Tönnies, der Miteigentümer der Bauer Kompressoren Group, Philipp Bayat, der Vorstandschef des Maschinenbauers DMG Mori, Christian Thönes, der Vorstandschef des Pumpen- und Heizungsherstellers Wilo, Oliver Hermes, der CEO des Kranherstellers Wolffkran, Peter Schiefer, der Geschäftsführer des Kartoffelsortenproduzenten, Thorsten Spill, der Vorstand des Versorgers EWE, Michael Heidkamp, der deutsche Chef der Gazprom-Pipelinetochter Nord Stream, Matthias Warnig, sowie Siemens-Vorstand Klaus Helmrich.

Über Siemens und den Ärger um Turbinen-Lieferungen der Münchener auf die Krim wurde laut Kreml-Sprecher Dmitri Peskow auf dem Treffen mit Putin nicht gesprochen. Dabei gibt es erheblichen Zwist: Die USA sind verärgert, dass Turbinen des Siemens-Konzerns auf die von Russland annektierte ukrainische Halbinsel Krim geliefert wurden. US-Geheimdienste hätten im Vorhinein intensiv gewarnt, der Dax-Konzern habe dies aber ignoriert, heißt es in diplomatischen Kreisen von EU-Staaten und den USA. Siemens, das ein Turbinen-Joint-Venture bei St. Petersburg betreibt, hatte seinem russischen Geschäftspartner vorgeworfen, die Anlagen hinter seinem Rücken auf die Krim geliefert zu haben.

Auch andere deutsche Firmen haben Sorgen, dass ihre in Russland produzierten Waren auf Umwegen – und sehr zum Missfallen in Übersee – auf der Krim landen könnten. Das sagten mehrere deutsche Firmenvertreter dem Handelsblatt. Offen thematisieren will dies indes niemand.

Vielmehr wurde über Fragen der Digitalisierung der russischen Wirtschaft, den Fachkräftemangel, die Behebung des Infrastrukturmangels im Riesenreich, die Erhöhung der Produktivität und die Schaffung eines Mittelstandes in Russland diskutiert. Hier lobte Putin die deutsche Wirtschaft überschwänglich, da kleine und mittlere Unternehmen hier das Rückgrat der Wirtschaft seien. Sein Ziel für Russland: 2030 sollten 40 Prozent der Wirtschaftsleistung aus mittelständischen Unternehmen kommen. Er werde alles tun, damit sich Investoren wohlfühlten und bürokratische Hürden abgebaut würden. Aber das haben die deutschen Firmenvertreter nicht zum ersten Mal auf ihren jährlichen Treffen mit dem Kremlchef gehört.

Im Report „Doing Business“, mit dem die Weltbank jährlich das Geschäftsklima in 190 Ländern misst, ist Russland in diesem Jahr nach zuvor deutlichem Aufholen wieder um vier Plätze auf Rang 40 abgerutscht. Bei Genehmigungen und Bürokratie rangiert Russland gar nur auf Rang 115 und in Sachen Außenhandel auf 140.

Immerhin hat Putins Reich das Tal der Rezession durchschritten: Die von Moskaus renommierter Higher School of Economics berechnete Konsensprognose in- und ausländischer Ökonomen geht für das laufende Jahr von einem Wirtschaftswachstum von 1,4 Prozent aus.