Zielkes großes, riskantes Experiment
Seinen ersten großen Auftritt als Commerzbank-Chef hatte sich Martin Zielke sicher anders ausgemalt: Als der 53-Jährige am Freitag vor die Presse trat, um seine Strategie vorzustellen, . Zielke will die Bank auf zwei Säulen stellen: das Firmen- und das Privatkundengeschäft.
Seine Ziele wirken auf den ersten Blick wenig ambitioniert. So will er bis 2020 etwa eine Eigenkapitalrendite von sechs Prozent erwirtschaften – kein Vergleich zu den goldenen Zeiten vor der Finanzkrise. Und während die sich einst auf dem besten Weg sah, an der Wall Street mit den ganz großen Banken mitzuspielen, backt sie heute deutlich kleinere Brötchen: Zielke will vor allem das Geschäft mit den Privatkunden ausbauen. Dass das die Bank wirklich zu neuer Stärke führt, muss er aber erst noch beweisen.
Dank einer Werbeoffensive und generöser Willkommensprämien konnte die Commerzbank in den vergangenen Jahren zwar fast eine Million neuer Kunden begrüßen. Wenn es nach Zielke geht, soll die Bank hier in Zukunft noch schneller wachsen: Bis 2020 sollen nun weitere zwei Millionen Menschen den Weg zur Commerzbank finden. Deshalb sollen die rund 1050 Filialen der Bank bestehen bleiben.
Doch ob die neue Kundschaft der Bank wirklich die erhofften Erträge bringen wird? Daran kann man zweifeln. Schließlich zieht sich die Konkurrenz – allen voran die Deutsche Bank – wohl nicht ohne Grund aus der Fläche zurück: Filialen kosten Geld, Kundenberater kosten Geld, und wenn es ganz schlecht läuft, kostet sogar das Geld der Kunden die Bank Geld: Auf die Einlagen, die Institute bei der Europäischen Zentralbank parken, werden nämlich Strafzinsen fällig, die sich kaum an die Kundschaft weitergeben lassen.
Dabei hat die Commerzbank schon jetzt gerade im Privatkundengeschäft ein Kostenproblem: Um einen Euro zu verdienen, musste sie hier im ersten Halbjahr knapp 80 Cent in die Hand nehmen. Im Geschäft mit Mittelständlern waren es nur 60 Cent.
Zielke will die so genannte Aufwandsquote im gesamten Konzern senken. So sollen viele Prozesse in Zukunft per Computer abgewickelt werden. Aber wer sagt, dass die Kunden der Bank dann noch die Treue halten? Denn zur digitalen Revolution gehört auch, dass Kunden ihr Konto heute schneller wechseln können als je zuvor.
Die Fokussierung aufs Privatkundengeschäft birgt für die Commerzbank aber noch ein Risiko: die Firmenkunden der Bank könnten sich vernachlässigt fühlen. Der Umbau des Konzerns, bei dem die so genannte Mittelstandsbank mit der Investmentbank verschmolzen wird, dürfte in den kommenden Monaten für Unruhe sorgen.
Die aber wissen Firmenchefs nicht sonderlich gut zu schätzen. Wenn Zielkes Strategie aufgehen soll, dann muss er die Balance zwischen beiden Bereichen der Bank bewahren – keine leichte Aufgabe, schließlich war er vor seiner Berufung zum Vorstandschef für die Privatkundensparte zuständig.
Letztlich läuft Zielkes Strategie auf ein großes Experiment hinaus: Kann man wirklich dort Geld verdienen, wo andere schon aufgegeben haben? Wenn einem auf der Autobahn alle Wagen entgegenkommen, kann das heißen, dass man als einziger die Hinweisschilder richtig gelesen hat. Wahrscheinlicher ist aber, dass man sich auf der falschen Spur befindet.
KONTEXT
So haben deutsche Banken beim Stresstest 2016 abgeschnitten
EZB-Bankenstresstest - die Szenarien
Die Europäische Bankenaufsicht (EBA) hat 51 große Banken aus 15 europäischen Ländern unter die Lupe genommen. Sie prüfte mit der Europäischen Zentralbank eine ganze Reihe von Kennzahlen und testeten wie sich diese in verschiedenen Szenarien bis 2018 entwickeln dürften.
Zum einen spielte die EBA durch, wie es den Banken gehen wird, falls die Vorhersagen der Europäischen Kommission zur Konjunktur in den nächsten Jahren eintreten (Basisszenario). Zum anderen testeten sie die Institute auch im Szenario einer sehr viel schlechteren wirtschaftlichen Entwicklung (Adverses Szenario).
So haben die neun geprüften deutschen Banken abgeschnitten:
Bayerische Landesbank
Kernkapitalquote (2015): 11,99 %
Kernkapitalquote nach Basisszenario (2018): 12,41 %
Kernkapitalquote nach adversem Szenario (2018): 8,34 %
Differenz 2015 vs adv. Szenario 2018 (in Basispunkten): -365
Commerzbank
Kernkapitalquote (2015): 12,13 %
Kernkapitalquote nach Basisszenario (2018): 13,13 %
Kernkapitalquote nach adversem Szenario (2018): 7,42 %
Differenz 2015 vs adv. Szenario 2018 (in Basispunkten): -471
Dekabank
Kernkapitalquote (2015): 13,50 %
Kernkapitalquote nach Basisszenario (2018): 14,17 %
Kernkapitalquote nach adversem Szenario (2018): 9,53 %
Differenz 2015 vs adv. Szenario 2018 (in Basispunkten): -397
Deutsche Bank
Kernkapitalquote (2015): 11,11 %
Kernkapitalquote nach Basisszenario (2018): 12,08 %
Kernkapitalquote nach adversem Szenario (2018): 7,80 %
Differenz 2015 vs adv. Szenario 2018 (in Basispunkten): -332
Landesbank Baden-Württemberg
Kernkapitalquote (2015): 15,98 %
Kernkapitalquote nach Basisszenario (2018): 15,58 %
Kernkapitalquote nach adversem Szenario (2018): 9,40 %
Differenz 2015 vs adv. Szenario 2018 (in Basispunkten): -658
Landesbank Hessen-Thüringen Girozentrale
Kernkapitalquote (2015): 13,11 %
Kernkapitalquote nach Basisszenario (2018): 14,42 %
Kernkapitalquote nach adversem Szenario (2018): 10,10 %
Differenz 2015 vs adv. Szenario 2018 (in Basispunkten): -301
Norddeutsche Landesbank
Kernkapitalquote (2015): 12,09 %
Kernkapitalquote nach Basisszenario (2018): 13,16 %
Kernkapitalquote nach adversem Szenario (2018): 8,62 %
Differenz 2015 vs adv. Szenario 2018 (in Basispunkten): -347
NRW.Bank
Kernkapitalquote (2015): 42,54 %
Kernkapitalquote nach Basisszenario (2018): 39,44 %
Kernkapitalquote nach adversem Szenario (2018): 35,40 %
Differenz 2015 vs adv. Szenario 2018 (in Basispunkten): -714
Volkswagen Financial Services AG
Kernkapitalquote (2015): 11,67 %
Kernkapitalquote nach Basisszenario (2018): 12,90 %
Kernkapitalquote nach adversem Szenario (2018): 9,55 %
Differenz 2015 vs adv. Szenario 2018 (in Basispunkten): -211