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Zeitzeugin Trude Simonsohn ist tot

Frankfurt/Main (dpa/lhe) - Die Frankfurter Ehrenbürgerin und Holocaust-Überlebende Trude Simonsohn ist heute im Alter von 100 Jahren gestorben. Das teilte die Jüdische Gemeinde Frankfurt mit. Salomon Korn, der Vorstandsvorsitzende der Gemeinde, bezeichnete sie als «bemerkenswerte, herausragende Frau».

«Als Shoa-Überlebende hat sie sich für Versöhnung und ein respektvolles Miteinander in unserem Land eingesetzt», betonte Korn. «Durch ihr unermüdliches Engagement, insbesondere jungen Menschen in Schulen vom Erlebten zu berichten, wirkte sie für eine friedlichere Gesellschaft. Trude hat ihren Lebensweg auch stets voller Hoffnung und Mut gestaltet und glaubte an eine bessere Welt, die aus ihrer Vergangenheit gelernt hat.»

Jüdisches Erinnern

Der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) würdigte Simonsohn als bedeutende Hessin, die sich um die Erinnerungskultur und den Wiederaufbau von jüdischem Leben in Hessen verdient gemacht habe. «Trude Simonsohn hat die dunkelsten Stunden deutscher Geschichte miterlebt», sagte Bouffier. «Angesichts dieser Erlebnisse hätte man es ihr nicht verdenken können, dass sie Deutschland den Rücken kehrt. Doch Trude Simonsohn tat das Gegenteil.» Für ihre Verdienste um die Erinnerungsarbeit habe Simonsohn 1996 die Wilhelm Leuschner-Medaille des Landes Hessen erhalten.

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«Wer aus dem persönlich erlittenen Schrecken und dem Schmerz eine solche Kraft zur Versöhnung und zum Miteinander findet, wird über Generationen hinweg ein Vorbild für Menschlichkeit, Aufrichtigkeit und Mut bleiben», betonte der hessische Antisemitismusbeauftragte Uwe Becker. Mit ihren Vorträgen an Schulen habe sie den nachfolgenden Generationen vermittelt, «welche tiefe Verantwortung für eine bessere Zukunft hinter den Worten des "Nie wieder‘ steckt.»

«Dass sie unserem Land, unserer Stadt nach allem, was wir ihr und ihrer Familie angetan haben, eine zweite Chance gab, ist für mich bis heute ein unbegreifliches Geschenk», würdigte der Frankfurer Oberbürgermeister Peter Feldmann die Verstorbene. «Verdient hatten wir es nicht. Aber wir haben es gebraucht. Trude Simonsohn stand nicht nur für das, was war, sondern vor allem für das, was sein kann. Eine Zukunft ohne Hass, eine offene Gesellschaft, eine Kultur des Respekts.»

Kampf gegen Antisemitismus

Jahre der Verfolgung und KZ-Haft hätten Trude Simonsohn darin bestärkt, sich gegen Antisemitismus, Rassismus und Ausgrenzung einzusetzen - und dabei vor allem die junge Generation anzusprechen und zu berühren, hieß es in einem Nachruf der Bildungsstätte Anne Frank. «Wir verlieren ein Vorbild im Kampf für die Erinnerung an die Shoah und gegen heutige Formen von Antisemitismus, Rassismus und Menschenfeindlichkeit. Und wir verlieren eine enge Freundin.» Simonsohn habe junge Menschen in unzähligen Zeitzeugengesprächen auf eine besondere Weise zu erreichen gewusst und ermuntert, sich mit der Geschichte von Nationalsozialismus und Holocaust auseinanderzusetzen: «Sie sprach Jugendliche ganz selbstverständlich auf Augenhöhe an, nahm sie in ihren Ansichten und ihrem Engagement ernst», hieß es.

«Mit Trude Simsonsohn verlieren wir nicht nur eine unermüdliche Kämpferin für die Erinnerung an die Shoah und gegen aktuelle Formen von Antisemitismus, Rassismus und Menschenfeindlichkeit», sagte Meron Mendel, der Direktor der Bildungsstätte, der mit Simonsohn auch persönlich befreundet war. «Trudes Lebensfreude, ihr Humor und ihre klare politische Haltung sind einmalig. Für Trude gibt es keinen Ersatz.»

«Trude Simonsohn war eine ihren Mitmenschen zugewandte Persönlichkeit, getragen von der Hoffnung, dass die Menschen aus der Geschichte zu lernen bereit sind, um ihre Zukunft in Frieden und Freundlichkeit zu gestalten», sagte Christoph Heubner, Vize-Exekutivpräsident des Internationalen Auschwitz-Komitees. «Gerade in Zeiten antisemitischer Verschwörungstheorien und neuem rechtsextremem Hass wird uns Trude Simonsohn bitterlich fehlen.» Holocaust-Überlebende seien Simonsohn dankbar «für die vielen Gespräche, die sie jungen Menschen gewidmet hat, um von ihren mörderischen Erfahrungen des Hasses, des Antisemitismus und der Gleichgültigkeit so vieler Augenzeugen zu erzählen.»

Shoah-Überlebende

Die 1921 in der damaligen Tschechoslowakei - in Olmütz im heutigen Tschechien - geborene Simonsohn hatte sich im Widerstand gegen die Nationalsozialisten engagiert und die Konzentrationslager Theresienstadt und Auschwitz überlebt. Seit 1955 lebte sie in Frankfurt, wo sie sich beim Wiederaufbau der Jüdischen Gemeinde engagierte und als erste Frau den Vorsitz der Gemeinde übernahm.

Als Zeitzeugin ging Simonsohn seit Jahrzehnten an Schulen, um Jugendlichen über ihr Leben zu berichten. Erst mit weit über 90 Jahren musste sie ihr Engagement wegen ihres verschlechterten Gesundheitszustands einstellen. Im Jahr 2016 war sie als erste Frau zur Ehrenbürgerin Frankfurts ernannt worden.