Werbung
Deutsche Märkte öffnen in 3 Stunden 50 Minuten
  • Nikkei 225

    36.818,81
    -1.260,89 (-3,31%)
     
  • Dow Jones 30

    37.775,38
    +22,07 (+0,06%)
     
  • Bitcoin EUR

    57.837,41
    -577,61 (-0,99%)
     
  • CMC Crypto 200

    1.250,44
    +364,91 (+38,55%)
     
  • Nasdaq Compositive

    15.601,50
    -81,87 (-0,52%)
     
  • S&P 500

    5.011,12
    -11,09 (-0,22%)
     

Zeit für neue Anlagestrategien

Die Unsicherheit bei Privatanlegern ist groß. Krisen und Konflikte sind allgegenwärtig. In diesem Jahr konnte noch keine Anlageklasse vollständig überzeugen. Wer zu Jahresbeginn in den deutschen Leitindex Dax investierte, steht nach einigen heftigen Kurseinbrüchen heute gerade wieder bei plus/minus null. Wer Staatsanleihen kauft, zahlt sogar drauf, denn die deutschen Bundesanleihen notieren rund 0,1 Prozent im Minus. Selbst bei Bankeinlagen werden teils schon Strafzinsen fällig. Kommen bald wieder bessere Zeiten? Marktexperten erwarten das Gegenteil, denn die Risiken werden weiter zunehmen.

Insbesondere das politische Geschehen könnte in den kommenden Monaten für Verwerfungen an den Kapitalmärkten sorgen. „Ich will Sie einstimmen auf eine schwierige Schlussphase in diesem Jahr“, sagte Handelsblatt-Herausgeber Gabor Steingart vor rund 450 Anlegern, die zum Finanzmarktforum „Investment Live“, der Anlegerinitiative der Deutschen Bank und des Handelsblatts, nach Mainz gekommen waren. Topthema im Kurfürstlichen Schloss: die US-Präsidentschaftswahl.


In kaum mehr als 40 Tagen wird in den gewählt. Aktuell liegt Hillary Clinton, Kandidatin der Demokratischen Partei, im Durchschnitt der Umfragen nur minimal vor Republikaner Donald Trump. Der mögliche Wahlsieg des Immobilien-Tycoons sei zu einem Thema geworden, mit dem sich Anleger ernsthaft auseinandersetzen müssen, so Steingart. „Wie seine Amtszeit aussehen könnte, ist angesichts schwankender Positionen und erkennbarer Schwächen im Detail nicht abzusehen. Die Besonderheit einer Trump-Präsidentschaft läge darin, dass alles denkbar ist und von allem auch das Gegenteil.“

Auch Ulrich Stephan, Chef-Anlagestratege für Privat- und Firmenkunden der , fand überwiegend warnende Worte. „Ich bin Rheinländer und von Natur aus optimistisch, aber momentan muss selbst ich ein etwas düsteres Bild zeichnen“, sagte er. Die US-Wahl sei längst nicht das einzige Risiko, auch der Austritt Großbritanniens aus der EU dürfe nicht vergessen werden. „An den Märkten wird das momentan verdrängt, aber der Brexit hat noch gar nicht begonnen, die konkreten wirtschaftlichen Folgen sind noch völlig unklar.“

WERBUNG

Doch nicht nur die Politik, auch die Entwicklung der Wirtschaft macht dem Experten Sorgen: „Das Wachstum verlangsamt sich, und die geld- und fiskalpolitischen Maßnahmen der Notenbanken fruchten nicht“, sagt Stephan. Was Anleger in dieser Situation tun können? „Sie dürfen nicht allein auf hohe Renditen zielen, sondern müssen mehr auf die Risiken schauen. Sie brauchen ein diversifiziertes Portfolio: verschiedene Anlageklassen, verschiedene Regionen und verschiedene Laufzeiten.“ Auch an Aktien führe dabei kein Weg vorbei, wenngleich die Gewinnerwartungen reduziert werden müssten.


Wird 2016 ein gutes Börsenjahr?

Allzu große Erwartungen scheinen auch die Anleger nicht mehr an dieses Jahr zu haben. Der in New York lebende TV-Reporter Markus Koch, der durch die Veranstaltung führte, fragte die Anwesenden: „Wird 2016 ein gutes Börsenjahr?“ Darauf antworteten 46 Prozent mit „ja“ und 54 Prozent mit „nein“. Steingart bewertet dieses Ergebnis als „realistische Grundstimmung“. „Ich bin eigentlich Optimist, aber man darf Optimismus nicht mit Naivität verwechseln.“ Umso wichtiger sei es für Investoren, gut vorbereitet zu sein.

Anregungen für eine konkrete Strategie kamen von Oliver Plein, der bei der Deutsche-Bank-Tochter Deutsche Asset Management das Team der Investmentspezialisten für Aktien leitet. „Bei Aktien kommt es auf die Auswahl an. Einfach nur den Index zu kaufen reicht nicht.“ Eine Möglichkeit der Selektion: Aktien mit hohen Dividendenrenditen. Eine andere: Low-Beta-Strategien, bei denen Papiere mit geringeren Schwankungen gewählt werden.

Bei der Gesamtzusammensetzung des Portfolios reiche es nicht mehr, nur auf Aktien und Anleihen zu schauen. „Anleger sollten auch auf Immobilien setzen und High-Yield- und Emerging-Market-Anleihen beimischen“, so Plein. Letztlich können Anleger also trotz Negativzinsen und wachsender Marktrisiken Renditen erzielen – doch es kommt auf die passende Strategie an.

Steingart riet nicht zum Ausstieg aus dem Aktienmarkt, aber mahnte zur Vorsicht. Selbst die Zinspolitik unter Trump könnte deutlich anders ausfallen. In den ist die Notenbank dem Präsidenten unterstellt. So gesehen sei es möglich, dass am 8. November nicht nur ein neuer Präsident, sondern auch ein neuer Notenbank-Chef gewählt werde. Politische und wirtschaftliche Risiken dürften in den kommenden Monaten zunehmen. Experten erwarten eine Phase der Ungewissheit – und erhöhter Kursschwankungen.


Fragen der Anleger, Antworten der Experten

Ihre drängendsten Fragen konnten die Mainzer Anleger schon vorab einreichen. Eine Auswahl dessen, was am meisten interessierte - am liebsten hätten sie eine Glaskugel.

1. Wie sollte die Auswahl von Aktien erfolgen?
Gabor Steingart: „Ich schaue fundamental auf die Märkte. Momentan ist die Digitalisierung weltweit der Wachstumstreiber Nummer eins. Außerdem empfehle ich jedem Anleger, sich nicht nur die Geschäftsmodelle, sondern auch die Unternehmenschefs anzuschauen. Deren Können und Charakter sind letztlich entscheidend für den Erfolg eines Unternehmens.“
Ulrich Stephan: „Das Wichtigste ist, breit zu diversifizieren. Zudem sollten sich Anleger keine Illusionen über die Rendite machen. Zehn bis 15 Prozent dürften auch im kommenden Jahr nicht erreicht werden.“
Oliver Plein: „Low-Beta-Papiere sind eine gute Wahl. Denn hohe Risiken einzugehen wird am Aktienmarkt meist nicht belohnt.“

2. Wie lange bleibt die EZB noch bei ihrem Kurs?
Oliver Plein: „Das wird noch relativ lange andauern, und es verändert den Anleihenmarkt. Bei Unternehmensanleihen saugt die EZB teils schon so viel ab, dass andere Investoren bei Emissionen kaum noch zum Zug zu kommen.“
Ulrich Stephan: „Wenn Anleihen dann knapp werden, ist auch nicht mehr auszuschließen, dass die EZB Aktien kauft. In den vergangenen Jahren ist schon einiges passiert, was ich vorher nicht für möglich gehalten hätte.“
Gabor Steingart: „Es gibt rationale Gründe, die dafür sprechen, dass der Negativzins kein Dauerzustand sein kann. Draghi wollte damit Strukturreformen in Südeuropa stützen. Das wurde nicht genutzt, deshalb ist jetzt eine Diskussion über eine Änderung der Zinspolitik fällig.“

3. Wann wird der Dollar zum Euro wieder stärker?

Ulrich Stephan: „Der Kurs hängt maßgeblich von den Notenbanken ab. Die US-Notenbank Fed hatte zu Jahresbeginn angekündigt, den Zins vier bis sechs Mal zu erhöhen. Bis jetzt ist gar nichts passiert, deshalb ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass es im Dezember so weit sein wird. Dann dürfte auch der Dollar wieder stärker werden.“
Gabor Steingart: „Vor den Präsidentschaftswahlen werden die Zinsen in den nicht mehr erhöht, denn die Fed ist politisch nicht unabhängig und wird dem künftigen Präsidenten und seinen Parteifreunden nicht dazwischenfunken wollen. Auch im Dezember rechne ich nicht mit einer Erhöhung, dann haben die USA quasi eine Übergangsregierung. Insofern hat die US-Wahl auch über die Politik der Notenbank direkte Auswirkungen auf die Kapitalmärkte.“

4. Wie riskant sind Anleihen in Fremdwährung?
Gabor Steingart: „Wenn man ruhig schlafen möchte, ist das ganz klar keine gute Option.“
Oliver Plein: „Bei Fremdwährungsanleihen bekommen Anleger meist einen höheren Kupon, aber wenn die Anleihen in der Lokalwährung denominiert sind, ist auch die Wahrscheinlichkeit groß, dass dieser durch Währungsschwankungen wieder aufgefressen wird. Es gibt zwar immer mal wieder Märkte, in denen man sehr hohe Renditen in der lokalen Währung erzielen kann, wie etwa zuletzt in Brasilien, aber das genau zu treffen und dann noch zu sagen: ,Ich gehe wieder raus‘, ist schwierig.“
Ulrich Stephan: „Wer Schwellenländeranleihen in Lokalwährung kauft, sollte besonders das Anleiherisiko und die Währungskomponente beachten. Papiere in Hartwährung, also Dollar oder Euro, könnten eine Alternative sein.“

KONTEXT

Die grössten Fehler der Anleger

Risikotoleranz

"Die Neigung, Risiken einzugehen, ist mit zwei demografischen Faktoren verbunden: Geschlecht und Alter. Frauen sind normalerweise vorsichtiger als Männer und ältere Menschen sind weniger bereit, Risiken einzugehen, als jüngere Leute. Die Konsequenzen der Verhaltensökonomik für Anleger sind klar: Wie wir uns bei der Geldanlage entscheiden und wie wir uns bei der Verwaltung unserer Anlage entscheiden, hängt sehr davon ab, wie wir über Geld denken. [...] Sie demonstriert, dass Marktwerte nicht ausschließlich von den gesammelten Informationen bestimmt werden, sondern auch davon, wie menschliche Wesen diese Informationen verarbeiten."

Übertriebene Zuversicht

"An sich ist Zuversicht ja keine schlechte Sache. Aber übertriebene Zuversicht ist etwas ganz anderes, und sie kann besonders im Umgang mit unseren Finanzangelegenheiten Schaden anrichten. Übertrieben zuversichtliche Anleger treffen nicht nur für sich selbst dumme Entscheidungen, sondern diese wirken sich auch sehr stark auf den Mark als Ganzes aus."

Kurzfristiges Denken

"Menschen [legen] zu viel Wert auf wenige mehr oder wenige zufällige Ereignisse [...] und meinen, sie würden darin einen Trend erkennen. Insbesondere sind Anleger tendenziell auf die neuesten Informationen fixiert, die sie bekommen haben, und ziehen daraus Schlüsse. So wird der letzte Ergebnisbericht in ihrem Denken zum Signal für künftige Gewinne. Und da sie meinen, sie würden etwas sehen, das andere nicht sehen, treffen sie dann aufgrund oberflächlicher Überlegungen schnelle Entscheidungen."

Verlustaversion

"Der Schmerz durch einen Verlust [ist] viel größer als die Freude über einen Gewinn. Bei einer 50:50-Wette, bei der die Chancen exakt gleich sind, riskieren die meisten Menschen nur dann etwas, wenn der potenzielle Gewinn doppelt so groß ist wie der potenzielle Verlust. Das nennt man asymmetrische Verlustaversion. [...] Auf den Aktienmarkt bezogen bedeutet dies, dass sich die Menschen beim Verlust von Geld doppelt so schlecht fühlen, wie sie sich gut fühlen, wenn sie einen Gewinn erzielen. Diese Abneigung gegen Verluste macht Anleger übertrieben vorsichtig, und das hat einen hohen Preis. [...] Wir wollen alle glauben, wir hätten gute Entscheidungen getroffen, und deshalb hängen wir zu lange an schlechten Entscheidungen, in der vagen Hoffnung, die Dinge werden sich noch wenden."

Verdrängen

"Wir neigen dazu, das Geld geistig auf verschiedene "šKonten"˜ zu buchen, und dies bestimmt, wie wir es verwenden. [...] Zudem wurde die geistige Buchhaltung als Grund angeführt, weshalb Menschen schlecht laufende Aktien nicht verkaufen: In ihren Augen wird der Verlust erst real, wenn sie ihn realisieren."

Quelle: Robert G. Hagstrom, "Warren Buffett. Sein Weg. Seine Methode. Seine Strategie.", Börsenbuchverlag 2011.

KONTEXT

Mit wem reden Sie über Ihr Geld?

Mit meinem Partner

Offen über die eigene finanzielle Situation zu reden, gilt für viele Deutsche als verpönt. Die Höhe des Gehalts geht niemanden etwas an - bis auf den eigenen Partner. Rund 59 Prozent geben in einer Umfrage von "Yougov" an, dass sie mit ihrer besseren Hälfte über das eigene Geld reden.

Mit meinen Eltern

Doch schon bei Mama und Papa hört es für die meisten auf. 29 Prozent sagen, dass die eigenen Eltern über die finanzielle Situation Bescheid wissen dürfen.

Mit Freunden

Ähnlich verhält es sich bei den engeren Vertrauten. 28 Prozent der Befragten tauschen sich mit ihren Freunden über Gehälter aus.

Mit Verwandten (z.B. Kinder, Onkel, Tanten)

Der größere Familienkreis darf nur für weniger als ein Viertel der Befragten über das eigene Geld Bescheid wissen - 23 Prozent.

Mit Arbeitskollegen

Brisant wird es bei den eigenen Arbeitskollegen. Gehälter vergleichen nur rund sieben Prozent der Befragten.

Mit Bekannten

Ebenfalls sieben Prozent befinden, dass man die eigene finanzielle Situation auch mit flüchtig Bekannten teilen kann.

Mit niemandem

Jeder Siebte hat laut der Befragung niemanden, dem man sich in der Frage des Geldes anvertrauen kann. 14 Prozent behalten ihr Gehalt für sich.

KONTEXT

Wie häufig reden Sie mit einem Bankberater?

Einmal im Monat

In einer von "Yougov" durchgeführten Umfrage gaben nur drei Prozent an, dass sie mindestens einmal im Monat den Gang zum Bankberater unternehmen.

Einmal im halben Jahr

Für zwölf Prozent gehört das Gespräch mit dem Bankberater zum halbjährlichen Ritual.

Einmal im Jahr

Zumindest ein Mal pro Jahr lassen sich exakt ein Viertel der Befragten in der Bank ihres Vertrauens blicken.

Alle 2-3 Jahre

Rund 13 Prozent gaben an, dass sie sich einmal alle zwei bis drei Jahre beim Bankberater blicken lassen.

Alle 4-5 Jahre

Für vier Prozent findet das Gespräch alle vier bis fünf Jahre statt.

Seltener

Für fast ein Viertel der Befragten - 24 Prozent - findet die Besprechung mit dem Bankberater noch seltener statt.

Nie

Eine Beratung über die eigenen Finanzen nehmen rund ein Fünftel nicht in Anspruch. 19 Prozent der Befragten haben noch nie mit einem Bankberater gesprochen.