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ZDF-Doku schlägt Alarm: "Amazon dringt aggressiv ins reale Leben ein"

Alexa lässt Amazon-Mitarbeiter bei uns zu Hause mithören. Doch das ist nur der Anfang. Der Konzern dringt in immer neue Märkte ein, die Informtionen über Menschen sammeln. Eine ZDF-Dokumentation klärte im Gespräch mit Amazon-Insidern und Experten über die Strategien auf.

"2019 machte Amazon fast 12 Milliarden Dollar Gewinn", heißt es in der von der britischen BBC produzierten und nun in einer deutschen Bearbeitung vorliegenden Dokumentation "Datenkrake Amazon - Die dunkle Seite des Online-Riesen". Am Mittwochabend war der Film im ZDF zu sehen. Er beeindruckte nicht nur durch das präsentierte Zahlenwerk - aber auch ...

Innerhalb von 25 Jahren hat sich das Unternehmen mit drei Mitarbeitern zu einem Weltkonzern mit 800.000 Angestellten entwickelt. Das Vermögen von Amazon-Gründer und Chef Jeff Bezos wird auf 143 Milliarden Dollar geschätzt - noch einmal gestiegen durch die Corona-Pandemie, die den Online-Handel weltweit stark begünstigte. Während Größe und Erfolg eines Unternehmens noch wenig Ansatz für Kritik liefern, dringt der Film jedoch in umstrittene Strategien des Weltkonzerns ein: "Kein Unternehmen krempelt in diesem Stil unser Leben um", heißt das Fazit nach 30 kompakten Doku-Minuten. Hier die wichtigsten Erkenntnisse, die diesen Schluss nahelegen.

Was hört Alexa tatsächlich mit?

Vor einem Jahr, so die BBC-Doku, kam heraus, dass über das sprachgesteuerte Kommunikationssystem Alexa auch echte Menschen, die für Amazon arbeiten, im Zuhause der Smartbox-Nutzer mithören. Nach Angaben von Amazon würden die Mitschnitte anonymisiert, und es handele sich auch nur um einen Bruchteil der Gespräche, die mitgehört würden. So wolle man prüfen, ob und wie gut Alexa versteht, was gesagt wird. Kunden könnten jetzt jedoch auch bestimmen, dass ihre Aufnahmen gelöscht würden. 2014, so erklärt der Beitrag, meldete das Unternehmen allerdings ein Patent für sogenannte "Schnüfflerwerbung" an, die in Gesprächen nach Stichworten sucht. So könnten beispielsweise Gespräche über den geplanten Besuch einer Sushi-Bar oder Reisepläne direkt dazu benutzt werden, dem Alexa-User gezielte Werbeangebote zu unterbreiten.

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Amazon betont, man plane derzeit nicht, Alexa für gezielte Werbung einzusetzen. David Limp, Vizepräsident Hardwaregeräte Amazon, sagt in der Doku allerdings auch über Alexa: "Langfristig versuchen wir, den Star Trek Computer zu erreichen. Jedes Jahr kommen wir dieser Vision näher. Allein im letzten Jahr haben wir Milliarden Fakten neu aufgezeichnet." Limp betont zudem, dass man "niemals nie sagen soll, wenn man auf interessante Features stößt".

Die Amazon-Grundidee: Ein digitaler Buchladen als Datensammler

Jeff Bezos, heute 56, gründete Amazon Mitte der 90-er mit seiner damaligen Frau McKenzie. Als auf Tech-Unternehmen spezialisierter Analyst an der New Yorker Wall Street hatte er herausgefunden, dass die Internetnutzung jährlich um 2.300 Prozent anstieg. Bücher waren nicht Bezos' persönliche Leidenschaft, doch sie erschienen als ideales Produkt für den Online-Handel, denn kein normales Geschäft der Welt konnte sämtliche Bücher bereithalten.

Bezos hatte jedoch von Anfang vor, so heißt es im Film, die intensive Datensammlung zum eigentlichen Kerngeschäft seines Unternehmens zu machen. "Jeff handelte vor Amazon mit Algorithmen, daher wusste er, dass man mit Daten Geld verdienen kann", sagt Dave Seliger, ehemaliger Manager im "Forschungsteam Kundenverhalten" von Amazon. Ein anderer Ex-Mitarbeiter berichtet: "Die Datenbanken, die wir aufbauten, nannten wir Helix - benannt nach der Doppelhelix der menschlichen Chromosomen. Und wir benutzten diese Informationen, um die Kunden ihr ganzes Leben lang zu analysieren." Jeden Kunden, so der frühere Amazon-Analyst, wollte man in 500 Einzelinformationen zerlegen, um ihn ganzheitlich zu analysieren. Als Grundlage der Anaylse dienten damals Klicks.

Eine Berliner Datenschützerin, die ihren Fall im Film präsentiert, hat sich ihre Amazon-Klickhistorie offenlegen lassen. In den allgemeinen Geschäftsbedingungen von Amazon steht zwar, welche Daten erhoben werden, dennoch war die Berlinerin darüber erstaunt, wie viele es waren: 100 Einkäufe führten zu 15.000 Informationen über sie. "Durch den Klickstream war zu erkennen, wann ich auf Geschäftsreise war, wann ich Urlaub hatte, wann ich Freunde besuchte, welches Gerät ich benutzte und an welchen Tagen in vielleicht krank war." Außerdem sammelte Amazon, von welcher Seite sie auf Amazon kam und was sie jeweils davor eventuell gelesen hatte. Ein Amazon-Investor fasst das Modell zusammen: "Früher dachte man sich, was soll's. Ich gebe ein paar persönliche Informationen Preis und bekomme dafür einen super Service. Heute dringt Amazon sehr viel tiefer in die Persönlichkeit ein und ist viel manipulativer."

Was sind die nächsten Geschäftsfelder Amazons?

Nachdem anfangs Kundendaten über Klicks und nunmehr über Alexa gesammelt werden könnten, will Amazon in weitere Bereiche des täglichen Lebens einsteigen, vermutet die BBC-Doku. Ziel des Unternehmens, so der Film: Ein Haushalt, eine Lebenswirklichkeit, in der die meisten Dinge mit Alex betrieben werden können. Noch ist es vielleicht nur Musik und der Lichtschalter. Doch bald sollen Rasenmäher, Küchengeräte oder die Steuerung des Autos folgen.

"Es geht unglaublich schnell", sagt Daniel Rausch, Vizepräsident Smart Home & Alexa Mobile bei Amazon. "In den ersten vier Jahren mit Alexa kamen wir von 0 auf 30.000 Produkte, mit denen Alexa arbeiten kann. Doch allein in den ersten vier Monaten dieses Jahres konnten wir diese Zahl auf 60.000 verdoppeln."

"Amazon dringt ins reale Leben ein - und tut das sehr, sehr aggressiv," fasst die Wirtschaftswissenschaftlerin Shoshana Zuboff von der Harvard Business School die Strategie des Online-Händlers zusammen. "Sie wollen, dass das gesamte Umfeld, vom Aufstehen bis zum Schlafengehen, von Alexa aufgezeichnet wird."

Einen Großteil seines Unternehmensgewinns setzt Amazon laut BBC-Recherchen dazu ein, sich in weitere Märkte einzukaufen. Märkte, die weitere Möglichkeiten bieten, an die "digitale DNA des Kunden" heranzukommen. "Sie expandieren nicht, um mehr Geld zu machen, sondern um noch mehr Daten zu sammeln", sagt ein ehemaliger Verkaufsleiter. 2018 kaufte Amazon den amerikanischen Türklingelhersteller Ring für 840 Millionen Dollar. Das Unternehmen ist auf dem Home Security Markt aktiv und beschäftigt sich unter anderem mit Überwachungs-Kameras. Im englischen Suffolk schätzte die Polizei das Potenzial der Ring-Produkte so sehr, dass sie den Bürgern das System schmackhaft machten, um Einbrüche zu verhindern.

Amazon lieferte der Polizei kostenfrei 1.000 Klingelsysteme für die Bewohner von Ipswich, so die Doku. Ganze Viertel könne man durch intensiven Einsatz des Systems observieren. Es entstünde ein Netz von Kameras und geteilten Videoaufzeichnungen. In den USA, berichtet der Film, können 913 Polizeireviere auf die Amazon-App "Neighbors by Ring" zugreifen - mit Einverständnis der Bewohner, aber ohne Durchsuchungsbefehl. Kritiker sehen darin den ersten Schritt zum Überwachungsstaat.

Gibt es Widerstand gegen Amazons Daten-Sammelwahn?

Eine weitere neue Amazon-Entwicklung, so die Doku, ist eine Flotte von Lieferdrohnen. Auch sie könnten für Home Security eingesetzt werden. Die Flugobjekte sollen in Zukunft offene Türen und Fenster oder auch zerbrochene Scheiben erkennen - auch für diese Anwendung ließ Amazon ein Patent angemelden. In den USA untersuchen Behörden mittlerweile Größe und Macht von Amazon, so der Film eher nebulös. Und Jeff Bezos freue sich darauf, mit den Behörden zusammenzuarbeiten, wird der reichste Mann der Welt in der Doku zitiert. Doch unternehmensintern, erzählt die Recherche des britischen Autors Matthew Hill, regt sich durchaus Widerstand.

Eine Gruppe von etwa 650 Amazon-Mitarbeitern, die anonym bleiben will, weil sie negative Konsequenzen fürchtet, schrieb an ihren Chef. Man macht sich Sorgen, weil der Konzern in Überwachungstechnologie investiert und sie entwickelt. Tatsächlich, so scheint es, muss das Unternehmen, das stets extrem um Kundenzufriedenheit als Unternehmensstrategie bemüht war, aufpassen, dass es öffentlich nicht zu sehr als Motor und Zentrum eines Überwachungsstaates betrachtet wird. Diese Sorge kann man nach Ansicht der von ZDF-Redakteur Halim Hosny bearbeiteten BBC-Dokumentation zumindest nachvollziehen.

>>> Hier die Dokumentation in der ZDF-Mediathek schauen