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Zalando-Vorstand: „Mit dem Thema Dividende sind Sie bei uns an der falschen Adresse“

Die drei Co-CEOs von Europas größtem Online-Modehändler wollen trotz Corona kräftig zulegen – und auch weiterhin lieber alles ins Wachstum investieren.

David Schneider (rechts im Bild), Robert Gentz (links im Bild) und Rubin Ritter peilen trotz Krise Wachstum an. Foto: dpa
David Schneider (rechts im Bild), Robert Gentz (links im Bild) und Rubin Ritter peilen trotz Krise Wachstum an. Foto: dpa

Der Schock war nur kurz: Schon wenige Tage nach dem Shutdown kam bei Europas größtem Online-Modehändler Zalando das Geschäft wieder zurück. Im Handelsblatt-Interview zeigen sich die drei Co-CEOs aber selbst für Online-Fachleute nun erstaunlich angriffslustig.

Trotz kurzfristig roter Zahlen erwartet das Führungs-Trio aufs Gesamtjahr gesehen ein Plus von zehn bis 20 Prozent bei Umsatz und Bruttowarenvolumen – gegen alle Trends der Modebranche, die „voraussichtlich starke Verluste einfahren wird“, diagnostiziert man in Berlin nüchtern.

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Im Gespräch mit dem Handelsblatt machen Robert Gentz, Rubin Ritter und David Schneider zudem klar, welche Rezepte ihren momentanen Erfolg befeuern: schneller Konzernumbau nach dem Shutdown, Fokussierung auf ausreichend Liquidität, Arbeitsteilung im Vorstand und eine noch bessere Zusammenarbeit mit ihren Marken- und Handelspartnern.

„Corona hat den Druck noch einmal unglaublich stark erhöht, sich zu digitalisieren“, sagt Schneider. „Da läuft nun vieles wie im Zeitraffer ab.“

„Besonders interessant“ findet Gentz den Zuwachs an Neukunden. „In manchen Ländern haben wir die Zahl der Nutzer im Vergleich zum Vorjahr glatt verdoppelt, zum Beispiel im Corona-geplagten Italien“.

Eine Dividende werde es aber auch weiterhin nicht geben, erklärt Ritter: „Wir stecken alles in Wachstum und Investitionen.“

Was aber vielleicht eher kommt: ein weibliches Vorstandsmitglied in dem bislang rein männerdominierten Führungsgremium. „Wir sind das Thema bis vor einem Jahr nicht ernsthaft genug angegangen, haben das aber mittlerweile selbst als Schwäche erkannt.“

Lesen Sie hier das ganze Interview:

Herr Gentz, Herr Ritter, Herr Schneider, Mitte März brachen auch beim erfolgsverwöhnten Zalando erstmals Umsatz und Aktienkurs ein. Wie haben Sie den Shutdown erlebt?
Ritter: Ich kam morgens ins Büro, und da war niemand. Ganz Berlin war wie ausgestorben. Wir alle hatten den Shutdown irgendwie erwartet, aber richtig vorstellen konnten wir ihn uns nicht.
Gentz: In unserem Team arbeiten Menschen aus mehr als 130 Nationen zusammen. Und auf einmal merkten Kollegen, dass sie nun nicht einfach zu ihren Verwandten nach Italien oder in die USA fliegen konnten, andere haben Angehörige verloren. Das war auch persönlich bedrückend und dadurch plötzlich sehr real.

Was war an dem mittlerweile berühmten Freitag, den 13. März, als die Schulschließungen angekündigt wurden und in Europa erste Grenzen geschlossen wurden, bei Ihnen los?
Ritter: Wir haben klar gesehen, immer wenn ein Land in den Shutdown geht, führt das zu weniger Traffic und zu weniger Umsätzen. Das begann in Italien und setzte sich überall fort. Das war für uns auch eine neue Erfahrung. Wir sind ein Wachstumsunternehmen und normalerweise ist der Umsatz heute immer höher als vor einem Jahr am selben Tag. Wir haben im März gesehen, dass Umsätze auch mal zurückgehen können, und das hieß für uns, dass wir als Firma stark umdenken müssen. Es dauerte aber nur einen Tag, bis wir die Steuerung des gesamten Unternehmens komplett umgekrempelt hatten.

Was haben Sie konkret geändert?
Schneider: Alles musste drei Kernthemen untergeordnet werden: Das erste und wichtigste: Die Sicherheit all unserer fast 14.000 Mitarbeiter musste gewährleistet werden. Wer immer konnte, wurde sofort ins Homeoffice geschickt, was übrigens bis heute erstaunlich gut funktioniert – bei 6000 Mitarbeitern. Die Sicherheitsstandards für die Kollegen in der Logistik wurden weit über das übliche Maß hinaus erhöht. Gesichtsmasken gab’s bei uns lange vor dem Rest der Republik. Und wir haben damit begonnen, die Beschäftigten dort regelmäßig ihre Temperatur messen zu lassen. Gerade bereiten wir den Einsatz von Tests vor.
Ritter: Punkt zwei war, unsere finanzielle Leistungsfähigkeit sicherzustellen. Wir mussten Liquidität reinholen und die Kosten angehen für den Fall, dass der Umsatzrückgang dauerhaft ist. Priorität drei war, dass wir uns ganz früh Gedanken machten über die Frage, was Corona für unsere Strategie bedeutet.

Und?
Ritter: Wir haben schnell gemerkt, dass unsere Plattform-Strategie in Zeiten von Corona an Bedeutung gewinnt: Indem wir unsere Plattform für Marken und stationäre Geschäfte öffnen, helfen wir diesen Unternehmen auch, besser durch die Krise zu kommen. Wir werden Teil der Lösung!

Es wird prophezeit, dass Corona für E-Commerce-Plattformen wie Zalando eher Katalysator als Katastrophe sein wird – teilen Sie den Optimismus?
Schneider: Eine Sache zieht sich wie ein roter Faden durch all unsere internen Meetings und Gesprächen mit Partnern draußen: Corona hat den Druck noch einmal unglaublich stark erhöht, sich zu digitalisieren. Da läuft nun vieles wie im Zeitraffer ab.

Was erwarten Sie sich fürs Gesamtjahr?
Ritter: Im ersten Quartal sind wir bei einem negativen Ebit von knapp 100 Millionen immer noch 14 Prozent gewachsen. Vieles an Ware haben wir konservativ abgeschrieben, sahen dann aber im April, dass die Erholung nach dem ersten Schock schnell kam. Übers Gesamtjahr wollen wir deshalb klar zweistellig wachsen – trotz eines Gesamtmarktes, der sicher rückläufig sein wird. Bis 2023/24 halten wir an unserem Ziel fest; einen Marktanteil von etwa fünf Prozent zu erreichen, was einem Bestellvolumen von 20 Milliarden Euro entspricht, der über unsere Plattform verkauft wird.

Sie rechnen für 2020 klar mit einem positiven Ebit. Ist das nicht sehr bullish in unsicheren Zeiten wie jetzt?
Ritter: Wir haben lange überlegt, ob wir überhaupt eine Vorhersage abgeben wollen, damit lehnen wir uns ja auch in einer unsicheren Zeit etwas aus dem Fenster. Viele andere Unternehmen tun das derzeit ja nicht. Aber wir haben auch schon mit unserer frühen Gewinnwarnung im März sehr transparent kommuniziert und sind damit gut gefahren. Das sollte ja auch jetzt gelten, wenn wir wieder deutlich optimistischer sind.

Was, wenn eine zweite Infektionswelle oder ein neuerlicher Shutdown eine Neubewertung nötig macht?
Ritter: Dann würde unser Umsatzerwartung eben eher am unteren Ende unserer Spanne liegen, also eher bei zehn Prozent. Durch die breite Spanne haben wir ja auch Spielraum.

Ihr Unternehmen wurde 2008 mitten in die Finanzkrise gegründet. So eine Erfahrung stählt?
Gentz: Es machte uns jedenfalls früh bewusst, wie vorsichtig wir trotz all unserer Dynamik zu Werke gehen müssen.

In der jetzigen Krise heißt es öfter, dass Doppelspitzen für Unternehmen eher eine Lösung für Schön-Wetter-Zeiten seien. Sie sind sogar zu dritt. Was kann man von Ihnen lernen?
Gentz: All unsere Werte, die uns bis heute stark machen, haben ihren Ursprung in der damaligen Zeit, als wir in unserem ersten Büro hier in der Berliner Torstraße mit einem Dutzend Leuten noch selbst Pakete gepackt haben. Schon damals merkten wir: Krisen sollte man mit echtem Respekt begegnen. Aber man kann und muss sie auch als Chancen begreifen. Also: keine Angst haben! Angst lähmt nur. Und gerade jetzt ist unser Trio ein besonderes, weil wir sowohl unsere jeweiligen Stärken wie auch Schwächen kennen – und uns entsprechend die Aufgaben teilen.

Wie hat man sich das vorzustellen?
Gentz: Uns drei eint großes Vertrauen, Disziplin und Respekt. Wenn man’s einfach ausdrücken wollte, könnte man sagen: David ist das Herz, Rubin der Kopf und ich vielleicht der Intuitive, also der Bauch. Das liefert gleich mehrere Perspektiven auf so eine Krise. Wir legen diese Sichtweisen immer übereinander und treffen am Ende – wie gute Eltern – einstimmige Entscheidungen.

Herr Ritter, Zalando verfügt über liquide Mittel von mehr als einer Milliarde Euro verfüge. Wird das reichen, um durch die Krise zu kommen?
Ritter: Das reicht jedenfalls für all unsere Worst-Case-Szenarien. Und je besser es dann kommt, umso eher ermöglichen uns diese Mittel auch weitere Investitionen.

Sie haben bereits ein Sparprogramm in Höhe von 350 Millionen Euro angekündigt. Können Sie Entlassungen ausschließen?
Ritter: Entlassungen haben wir nicht vorgesehen, und sie sind auch nicht notwendig. Wir wollen unsere Substanz nicht beschneiden. Und natürlich sind unsere Mitarbeiter mit all ihren Talenten die wichtigste Substanz von Zalando.

Ihre Investitionen wollen Sie um immerhin 100 Millionen Euro reduzieren. Wo genau soll gestrichen werden?
Ritter: Am Ausbau der IT halten wir ebenso fest wie zum Beispiel auch dem der Logistik. Aber wir haben den Spatenstich für ein neues Logistikzentrum in Spanien jetzt erstmal verschoben.

Spielt Kurzarbeit eine Rolle für Zalando?
Gentz: Wir führen ja in mehreren Großstädten mittlerweile Outlet-Stores, die natürlich bislang geschlossen waren. Da greift Kurzarbeit, betrifft aber weniger als ein Prozent unserer Mitarbeiter. Ansonsten ist das für uns kein großes Thema.

Wie hat die Krise uns Kunden verändert?

Gentz: Besonders interessant ist unser enormer Zuwachs an Neukunden. In manchen Ländern haben wir die Zahl der Nutzer im Vergleich zum Vorjahr glatt verdoppelt, zum Beispiel im corona-geplagten Italien. Und viele kaufen dann nicht nur für sich, sondern für Verwandte oder Familienmitglieder ein.

Bleiben die Leute in so einer Krise auch länger auf Ihrer Seite?
Gentz: Das kann man sehen, ja. Wir haben zum Beispiel einen virtuelle Shopping Club, die Zalando -Lounge, die mit wechselnden Aktionen jetzt für viele Kunden eine Art täglicher Treffpunkt geworden ist. Bereiche wie Sportmode, Beauty und Kosmetik, aber auch Kinderkleidung wachsen teilweise innerhalb einer Woche um über 100 Prozent. Was in Corona-Zeiten ebenfalls enorm gut läuft: Schmuck und Uhren, also Accessoires, die man auch in der Videokonferenz gut sieht.

Wie haben Sie die Ansprache geändert? Sie scheinen ganz bewusst nirgendwo auf Ihrer Homepage mehr das Virus erwähnen zu wollen.
Gentz: Am Anfang des Shutdowns haben wir das vorsichtig angesprochen – etwa weil wir „Stay at Home“ unterstützen wollten. Es ging den Leuten ja auch um vielerlei Lieferfragen. Zugleich haben wir uns in unser Marketingkommunikation sicher mittlerweile viel stärker der sozialen Realität unserer Kunden angenähert. Etwa wenn wir auf sozialen Kanälen dazu aufrufen, uns Fotos von ihren Outfits im Homeoffice zu schicken. Da erleben wir einen enormen Zuspruch. Das hat aber auch einen optimistischen Grundton.

Herr Schneider, überdenkt Zalando auch seine Lieferstruktur?
Schneider: Wir rechnen weniger mit Lieferverzögerungen, da wir mit über 2500 verschiedenen Marken zusammenarbeiten und die ihrerseits sehr breit einkaufen. Ein größeres Problem ist, dass aktuell sehr hohe Bestände im Markt sind, weil alle Läden geschlossen hatten und nichts verkaufen konnten. Dadurch herrscht gerade ein sehr hoher Warendruck. Dazu kommt mittelfristig die Unsicherheit bei der Planung. Auch wir fragen uns, wieviel wir für die nächste Saison ordern und auf Lager nehmen sollen.

Wie kann der Online-Riese Zalando eigentlich den stationären Händlern helfen?
Schneider: Gerade für kleine und mittelgroße Marken ist Cash ein riesiges Problem, denn die Ware muss trotz ausfallender Umsätze vorfinanziert werden. Da wir genügend Liquidität haben, bezahlen wir momentan früher als vereinbart. Und natürlich helfen wir den stationären Läden bei der Digitalisierung, die jetzt noch schneller gehen muss. Wir bieten all unseren Partnern einen Kanal mit hoher Reichweite, unsere Tools und Services. So können die Partner ihre Bestände mit geringem Aufwand über uns anbieten, auch international.

Viele Händler befürchten, dass der Abstand zu Online-Größen wie Ihnen jetzt noch größer wird. Werden die Gewinner dieses Monopolys am Ende Amazon oder Zalando heißen?
Schneider: Es gibt eine strukturelle Verschiebung, die sich jetzt noch beschleunigt: Immer mehr Menschen kaufen online ein. Davon profitieren nun mal Plattformen, wie Zalando eine ist. Was uns wichtig ist: Wir behandeln alle unsere Partner, Marken und Händler gleichberechtigt und versuchen nicht, unsere Eigenmarken durchzudrücken. Wir lassen jeden, der ein Sortiment hat, das Mehrwert für unsere Kunden bietet und coole Stories zu erzählen hat, auf unsere Plattform. Dieses partnerschaftliche Modell halte ich im Modebereich für einzigartig.

Sie hatten ja angekündigt, auch Segmente wie Luxusmode und Second Hand weiter auszubauen. Bleibt’s dabei?
Gentz: Ja. Wir wollen uns überall dort verbessern, wo wir neue Kunden gewinnen und den Umsatz pro Kunde steigern können. Das betrifft das Sortiment, die Ansprache, das User-Interface auf den Webseiten und in den Apps, die Abläufe… On top gibt es dann auch weitere Initiativen wie den Ausbau der Bereiche Premium und Luxus, Beauty und Second Hand. Viele unserer Kunden nutzen die Krise und die freie Zeit zu Hause, um ihren Kleiderschrank auszumisten. Da bekommen wir gerade ziemlich viel angeboten.

Zalando hat noch nie eine Dividende gezahlt, muss also auch jetzt nicht entscheiden, ob Geld an die Aktionäre ausgeschüttet oder lieber im Unternehmen gehalten wird, oder?
Ritter: Mit dem Thema Dividende sind Sie tatsächlich bei uns an der falschen Adresse. Wir stecken alles in Wachstum und Investitionen. Gerade jetzt in der Krise ist es Gold wert, dass wir so gut finanziert sind und mit diesem Geld das Unternehmen sichern und stärken können – auch während einer Rezession oder Durststrecke.

Mit Ihren Investoren tauschen Sie sich intensiv aus. Gilt das auch für die Mitarbeiter?
Ritter: Definitiv. Der Bedarf an Kommunikation ist stark gestiegen, weil sich die Situation jeden Tag ändert. Wir haben bestimmte Werte und Entscheidungsgrundlagen im Unternehmen, dazu gehört auch „default to transparency“. In so einer Krise ist der natürliche Reflex, dass man wenig sagt und erst einmal abwartet, was passiert. Wir haben das Gegenteil gemacht und die Frequenz unserer internen Kommunikationsformate noch erhöht. Zum Beispiel haben wir wöchentlich zum „ask us anything“ eingeladen. Da sitzen wir vor der Kamera mit 5000 Mitarbeitern als Zuschauer, die live alle Fragen über ein Tool stellen können. Die Fragen mit den meisten Stimmen werden dann beantwortet. Da gibt es weder Netz noch doppelten Boden. Und wir haben angefangen, täglich einen Podcast zu produzieren.

Was wird Corona dauerhaft verändern: bei Zalando, in der Branche, in der Gesellschaft?
Schneider: Vorher haben alle über Digitalisierung geredet, jetzt ist sie Realität. Während viele Händler früher sehr stark in Distribution gedacht haben, also mit welchen Läden sie sich wo platzieren, überlegen sie jetzt breiter, wie sie ihre Kunden erreichen können. Und unsere Branche wird verstärkt darüber nachdenken, sich nicht zu abhängig von großen Lieferanten oder zu langen Bestellzyklen zu machen; schauen, wie man schneller und flexibler am Markt sein kann, stärker auch zurück zu lokalen Strukturen kommt. Und in der jetzigen Krise merkt auch der Letzte, dass man nicht mehr solo agieren kann, sondern vernetzt sein muss.
Ritter: Wenn man auf die Gesellschaft und die Wirtschaft schaut, dann habe ich die Hoffnung, dass Innovationen jetzt gefördert werden, um stärker aus der Krise zu kommen, als wir rein gegangen sind. Die Krise zeigt das enorme Potenzial von Digitalisierung, nicht nur für Unternehmen, auch für die Menschen. Und sie deckt die Schwächen auf, an denen wir arbeiten sollten. Zum Beispiel, dass die Schulen E-Learning nicht ausreichend abbilden können, was in dieser Situation zu massiver Ungleichheit führt. Oder dass Homeoffice im öffentlichen Dienst zum Teil nicht funktioniert, weil schlicht die technischen Voraussetzungen fehlen.

Was würden Sie sich wünschen?
Gentz: Es wird derzeit viel über fiskalpolitische Maßnahmen und Rettungspakete gesprochen. Das ist sicher auch notwendig. Was fehlt, ist aber ein innovationsgetriebenes Konjunkturprogramm.

Klingt, als fänden Sie Kaufprämien für so was Etabliertes wie die Autoindustrie nicht besonders sexy.
Ritter: Zu anderen Branchen können wir uns gar nicht äußern. Aber ich finde schon, dass vor allem Zukunftstechnologien nun gefördert werden sollten.

Ihr ausschließlich mit Männern besetzter Vorstand scheint uns nicht sonderlich zukunftsweisend zu sein. Wann wird sich da mal was ändern?
Ritter: Hoffentlich bald. Wir sind das Thema bis vor einem Jahr nicht ernsthaft genug angegangen, haben das aber mittlerweile selbst als Schwäche erkannt. Das Unternehmen ist insgesamt sehr divers in punkto Nationalität, Geschlecht, Ausbildung. Aber das gilt tatsächlich bislang nicht fürs Führungsteam. Das haben wir verstanden und uns klare Ziele gesetzt: Wir wollen bis 2023 ein ausgeglichenes Verhältnis auf allen Führungsebenen, inklusive Vorstand und Aufsichtsrat. Daran arbeiten wir.

Herr Gentz, Herr Ritter, Herr Schneider, vielen Dank für das Interview.

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