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Mit Yoummday rollt der Telegate-Gründer den Callcenter-Markt auf

Früher durfte es bei Klaus Harisch gerne eine Nummer größer sein. Als er einmal in den Computer-Reparaturdienstleister Home Jumper investiert hatte, mietete der für die Verkündung einer Kooperation gleich das ganze Münchener Olympiastadion an.

Es trat eine Promimannschaft unter anderem mit Boris Becker und dem Weltklasse-Kicker Andrij Schewtschenko an. Einen Elfmeter schoss dann die damalige Verena Feldbusch.

Aus dem Startup wurde nichts. „Heute würde ich das wohl etwas kleiner machen“, sinniert Harisch. Vernunft und Bescheidenheit habe er im Lauf seines regen Unternehmerlebens gelernt. „Am wichtigsten sind ein funktionierendes Geschäftsmodell und organisches Wachstum. Eins nach dem anderen.“

Diese Botschaft hat der 55-Jährige auch an seine Söhne Lion und Pablo weitergegeben. Zu dritt haben sie das Startup Yoummday gegründet, einen Marktplatz für Callcenter-Dienste. Ohne große Marketing-Aktionen hat sich das Geschäftsmodell in den vergangenen drei Jahren etabliert.

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Der Gesamtumsatz liegt schon im achtstelligen Bereich, die Wachstumsraten bei 200 bis 300 Prozent. „Es hat das Potenzial, größer als Telegate zu werden“, ist Klaus Harisch überzeugt. Große Pläne hat er schon noch – nur will er sich Schritt für Schritt erreichen. 2018 schrieb Yoummday erstmals schwarze Zahlen.

Der bayerische Schwabe ist ein Vollblutunternehmer. Die Höhen hat er genossen, die Tiefen nahm er sportlich. „Wenn in der Venture-Capital-Szene eines von zehn Startups erfolgreich ist, ist das ein Erfolg“, betont er. Sein erstes Projekt Europe Online, ein Internetanbieter damals in Konkurrenz zu AOL, war wenig erfolgreich.

Die Telefonauskunft telegate („11880 – da werden Sie geholfen“) kam zwischenzeitlich auf 250 Millionen Euro Umsatz und zwei Milliarden Euro Börsenwert, seine Anteile daran hat er inzwischen verkauft.

Der Telefonie treu geblieben

Und nun, mit 55 Jahren, also Yoummday – das steht für „You made my day“. Der Telefonie ist Harisch treu geblieben. Das Unternehmen vermittelt freiberufliche Telefon-Agenten an Unternehmenskunden. Es handelt sich also um einen Marktplatz im Stile von Uber und Airbnb.

Das Start-up erhält eine Provision von in der Regel 19 Prozent. Im Gegenzug kümmert sich die Firma auch um die Abrechnung, das Inkasso und die Qualitätssicherung. Er habe sich gefragt, warum Mitarbeiter eines Call Centers so wenig verdienen, die Center-Betreiber von den Kunden aber soviel Geld verlangen. Durch die Heimarbeit der selbstständigen Agenten – Harisch und seine Söhne nennen sie Talents – fallen nun viele Kosten weg.

Die Selbstständigen verdienen oft doppelt so viel wie in einem Call Center, im Schnitt sind es etwa 20 Euro in der Stunde. Dafür müssen sie aber auch die Nachteile der Selbstständigkeit in Kauf nehmen. Etwa 8000 Agenten sind schon im Pool, zwei Dutzend Kunden hat Yummday schon gewonnen.

Die Söhne Lion, 26, und Pablo, 28, hatten während des Studiums beschlossen, ein Startup zu gründen. Die erste Idee war ein Online-Shop für Nahrungsergänzungsmittel. „Ich bin stolz, dass sie so ein Unternehmerblut haben“, sagt der Vater. Doch vom Geschäftsmodell war er nicht ganz überzeugt. Die Idee ist nicht neu, die Konkurrenz groß. So entwickelte er gemeinsam mit den Söhnen die Idee mit dem Callcenter-Agenten-Marktplatz.

Basis ist die selbstentwickelte Software-Plattform, über die auch die Telefonie läuft. Die Agenten werden auf ihre jeweilige Aufgabe geschult – mal geht es um eine Service-Hotline, mal darum, telefonische Bestellungen entgegenzunehmen –, und können für mehrere Auftraggeber gleichzeitig arbeiten. „Bleib zuhause, verdiene das Doppelte“, sagt Klaus Harisch.

Die Spitzenverdiener kommen seinen Angaben zufolge auf mehr als 6.000 Euro im Monat. „Ein wenig ist das aber schon eine Milchmädchenrechnung“, meint ein Branchenkenner. Schließlich müssten die freiberuflichen Agenten ihre Versicherungen selber zahlen und die Einnahmen versteuern. Zudem zahle die Branche wegen der Nachfrage nach Fachkräften inzwischen oft spürbar mehr als den Mindestlohn.

Yoummday soll zum Einhorn werden

Das Potenzial ist nach Einschätzung der Harischs riesig. Allein die Outsourcing-Dienstleister kommen in Deutschland laut Statista auf 2,2 Milliarden Euro Umsatz und mehr als 100.000 Mitarbeiter, der Gesamtmarkt ist laut Harisch etwa zwölf Milliarden Euro groß. Ein Großteil davon sei für Yoummday adressierbar. „Es kann groß werden.“

Die Technologieplattform sei die Eintrittshürde für Konkurrenten. Man habe mehrere Jahre Vorsprung, ist Lion Harisch überzeugt: „Wir wollen ein Unicorn werden.“ Ein Startup-Einhorn mit einer Milliardenbewertung also.

In der Branche werden den Harischs durchaus gute Chancen eingeräumt. „Das ist ein Geschäftsmodell mit Zukunft“, sagt Benjamin Barnack, Vorstand im Call Center Verband Deutschlands, der selbst in der Geschäftsleitung bei einem größeren mittelständischen Dienstleister sitzt. In der Branche gehe der Trend Richtung Virtualisierung und Home Office.

Bei Nachfragespitzen – wenn zum Beispiel am Ende einer Homeshopping-Sendung die Zahl der Anrufer am späten Abend besonders groß ist – könne Harischs Modell eine gute Ergänzung für die Lastspitzen sein. Allerdings gebe es schon andere virtuelle Call-Center-Betreiber wie Value5, die seit Jahren mit erfolgreichen Geschäftsmodellen am Markt etabliert seien.

Zudem könne das Modell die klassischen Call Center nicht ersetzen, sagt Barnack. „Es wird immer Projekte geben, die man nicht aus dem Home Office erledigen kann.“ Dies sei zum Beispiel beim Umgang mit sensiblen Kundendaten oder beim Zahlen mit Kreditkarte der Fall.

Das Teamwork in der Familie funktioniert, beteuern die Harisch-Männer. „Ich kann mir nichts besseres vorstellen“, sagt Lion Harisch, der ein Politikstudium begonnen hatte, das derzeit auf Eis liegt. Im Freundeskreis gebe es schon mal Skepsis, doch habe man sich schon immer gut verstanden.

„Wir finden eigentlich immer einen Konsens.“ Und der Vater lasse sich auch mal überzeugen. So sei er dagegen gewesen, einen Personalchef einzustellen. „Der bringt doch keinen Umsatz.“ Die Söhne aber setzten sich durch, „und es war genau die richtige Entscheidung“.

Der Multi-Unternehmer Harisch glaubt, dass Yoummday seine letzte große Unternehmung ist. Er könne sich gut vorstellen, sich eines Tages in den Aufsichtsrat zurückzuziehen, und die Söhne machen zu lassen. Dann könne er sich ganz seinem Steckenpferd zuwenden, der Bewusstseinsforschung. Alle redeten von Künstlicher Intelligenz. Doch gebe es bei der menschlichen Intelligenz und dem Bewusstsein noch so viele offene Fragen.