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Xing-Chefin zum Zweikampf mit Linkedin: „Wir bieten nicht die Bühne für den, der am lautesten ist“

Die frühere Lotto24-Chefin Petra von Strombeck führt seit Mai den Xing-Konzern. Sie startet in einer Krise: Das Unternehmen will 16 Millionen Euro einsparen.

Die Coronakrise setzt dem Karrierenetzwerk Xing zu. Vor allem in Bereichen wie Werbung und Events macht sich die Pandemie bemerkbar. Die Muttergesellschaft New Work SE will daher 16 Millionen Euro einsparen, unter anderem mit dem Abbau von Arbeitsplätzen.

„Wir werden einzelne Aktivitäten reduzieren, in die wir in der Vergangenheit investiert haben, die aber besonders von den Effekten der Pandemie betroffen sind – zum Beispiel Kununu Engage oder Honeypot“, sagt Petra von Strombeck, seit Mai Vorstandsvorsitzende des Hamburger Unternehmens, im Gespräch mit dem Handelsblatt. Honeypot ist ein Jobportal für IT-Fachkräfte, Kununu Engage ein Instrument zur Messung der Mitarbeiterzufriedenheit.

Die frühere Chefin von Lotto24 will das Karrierenetzwerk neu positionieren. „Ich möchte, dass wir uns noch viel mehr auf unsere Nutzer und Kunden fokussieren“, meint die Digitalexpertin. „Wir können noch viel besser werden in der Begleitung unserer Kunden durch ihr Berufsleben.“

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Anfang 2021 will von Strombeck die neue Strategie der New Work SE bekanntgeben und hofft, damit den schwächelnden Aktienkurs zu beleben.

Den direkten Vergleich mit der Microsoft-Tochter LinkedIn, dem anderen großen Karrierenetzwerk, lässt die Managerin nicht zu. Sie verweist auf eine deutlich „andere Philosophie“, die Xing verfolge. „Wir bieten nicht die Bühne für denjenigen, der am lautesten ist. Wir glauben – im Gegensatz zu vielen sozialen Netzwerken – nicht, dass möglichst große Aufmerksamkeit Selbstzweck ist“, sagt von Strombeck.

Lesen Sie hier das komplette Interview:

Frau von Strombeck, Ende Mai, mitten in der Coronakrise, haben Sie die Führung der New Work SE, der Mutter von Xing, übernommen. Wie lief der Start für Sie?
Ich habe mich glücklicherweise schon seit Jahresanfang eingearbeitet und alle Teams persönlich kennen gelernt. Als ich dann die Geschäftsführung von Thomas Vollmoeller im Mai übernommen habe, saß ich im Homeoffice. Diesen Moment habe ich mir natürlich anders vorgestellt. Zumal ich sehr gern mit Menschen direkt zusammenarbeite – insofern sind ständige Videokonferenzen für mich wie eine persönliche Höchststrafe.

Die Coronakrise hat Ihr Unternehmen auch wirtschaftlich getroffen. Sie wollen 16 Millionen Euro einsparen. Wo hakt es?
Wenn Sie etwa Services für Veranstaltungen anbieten, wie etwa unsere Tochter Xing Events, und derzeit kaum Veranstaltungen stattfinden, leidet das Wachstum naturgemäß. Dasselbe gilt zum Beispiel für Werbetreibende – hier ist, wie bei allen Anbietern, auch bei uns Zurückhaltung zu spüren. Auch das Neugeschäft im E-Recruiting schwächelt derzeit noch. Gleichzeitig brauchen wir Gestaltungsspielraum und wollen auch weiterhin in künftige Wachstumsfelder investieren.

Welche Konsequenzen ziehen Sie daraus?
Wir sind mit gebremstem Wachstum unterwegs und schauen uns darum unsere Kostenpositionen sehr genau an. Wir haben mit Vor-Corona-Wachstumsraten geplant, die sind allerdings jetzt unrealistisch. Wichtig ist uns dabei immer eine Portfolio-Sicht, wir wollen langfristig entscheiden, in welche Geschäfte wir weiter investieren – und was wir vor dem Hintergrund der Krise kürzen.

Wie wollen Sie Ihr Einsparziel erreichen?
Natürlich haben wir zunächst unsere Sachkosten sehr kritisch geprüft und reduziert. Das wird aber leider nicht ausreichen. Wir werden einzelne Aktivitäten reduzieren, in die wir in der Vergangenheit investiert haben, die aber besonders von den Effekten der Pandemie betroffen sind – zum Beispiel Kununu Engage oder Honeypot.

Wie viele Stellen werden Sie streichen?
Wie viele das genau sind, kann ich noch nicht sagen, da wir noch in Diskussionen mit unserer Mitarbeitervertretung sind. Bei den allermeisten Teams planen wir keine Stellenstreichungen. Bei unserer Tochter Honeypot ist mit rund 30 Stellen die größte Gruppe von Kollegen betroffen. Und insgesamt wird die New-Work-Gruppe am Ende des Jahres nach unseren Planungen immer noch mehr Mitarbeiter haben als zu Beginn des Jahres.

Sie haben Honeypot erst 2019 für 22 Millionen Euro gekauft. Was bleibt von dem Geschäft noch übrig?
Aufgrund seines transaktionalen Charakters ist das Honeypot-Geschäft von der Pandemie sehr stark betroffen. Viele Unternehmen verzögern derzeit ihre Einstellungsprozesse. Damit ist ein signifikanter Teil des Umsatzes eingebrochen. Wir glauben zwar langfristig an das Geschäftsmodell von Honeypot, müssen aber kurzfristig dafür sorgen, dass wir die Kosten im Griff haben.

Was bedeutet all das wirtschaftlich für Ihr Unternehmen?
Es ändert sich nichts an unserer Prognose, einem Umsatzziel zwischen 275 und 285 Millionen Euro.

Der Aktienkurs Ihrer Firma schwächelt – anders als bei vielen anderen Digitalunternehmen. Mit welcher Wachstumsstory werden Sie die Investoren künftig überzeugen?
Ich wäre nicht gut beraten, dauernd auf den Aktienkurs zu schielen. Mich interessiert die Gesamtgeschichte. Welche Trends gibt es da draußen? Wie sind wir aufgestellt, positioniert? Da können wir bereits heute jede Menge positive Antworten geben. Und wir entwickeln derzeit eine überarbeitete Strategie für das Unternehmen.

Sie haben zuvor acht Jahre lang die Geschäfte von Lotto24 geleitet. Nun ein Karrierenetzwerk. Wo ist da der rote Faden?
Beide Firmen haben Onlinegeschäftsmodelle, und beide haben sehr treue Kunden. Mich hat das Thema New Work gereizt – ich habe mich schon immer für gut funktionierende Teams, für Purpose, für Transparenz, für Augenhöhe, für glückliche Mitarbeiter eingesetzt. Jetzt kann ich das Thema gemeinsam mit unseren rund 1900 Mitarbeitern vorantreiben.

Haben Sie keine Sorge, dass die Debatte über New Work nur eine Modeerscheinung ist?
Ganz klar nein. Das Thema wurde in der Krise der Achtzigerjahre geboren. Und auch gegenwärtig spüren wir eine sehr große Aufmerksamkeit für Fragen rund um neue Arbeitsmodelle.

Viele Unternehmen kämpfen ums Überleben. Haben die überhaupt Ressourcen dafür?
Die Unternehmen kümmern sich jetzt mit Hochdruck um das Thema Digitalisierung. Damit einher gehen immer auch Fragen der Arbeitskultur. Und wenn man dann noch sieht, dass Unternehmen, in denen New-Work-Konzepte wie Transparenz, flache Hierarchien und ein Umgang miteinander auf Augenhöhe zum Alltag gehören, insgesamt resilienter sind, dann muss man sich um unser Thema nun wirklich keine Sorgen machen.

Wie wollen Sie Ihr eigenes Unternehmen verändern?
Es wird eher eine Evolution als eine Revolution sein. Aber wir nehmen uns noch ein bisschen Zeit, um die Situation sehr gründlich zu analysieren, und werden deshalb Anfang 2021 konkreter werden. Klar ist bereits: Ich möchte, dass wir uns noch viel mehr auf unsere Nutzer und Kunden fokussieren. Wir können noch viel besser werden in der Begleitung unserer Kunden durch ihr Berufsleben.

Mehr Fokus auf den Kunden stimmt irgendwie immer. Was meinen Sie damit konkret?
Wir denken noch zu sehr aus der Produktsicht und zu wenig aus der Kundensicht. Aber zum Beispiel für unsere Kunden in den Personalabteilungen werden wir noch in diesem Monat einen neuen Dienst anbieten, über den wir – ähnlich wie ein Headhunter – Listen mit potenziellen Kandidaten für bestimmte Stellen kuratieren und auch die Erstansprache übernehmen.

Und was wird es für Privatkunden Neues geben?
Die Sehnsucht der Menschen nach einem besseren Arbeitsleben ist durch die Krise nicht weggegangen, sondern nach unseren Untersuchungen eher noch stärker geworden. Für viele Arbeitnehmer wird das Thema Unternehmenskultur immer wichtiger.

Wir werden unsere Nutzer auf ihrem Weg noch viel stärker unterstützen. Zum Beispiel mit neuen Funktionen und Daten unserer Plattformen Xing und Kununu dabei helfen, den Arbeitgeber zu finden, der zu ihnen passt. So etwas bietet in dieser Form heute sonst niemand an. Zudem entwickeln wir Dienste, die Firmen in Zeiten von Distanz und Homeoffice bei Fragen der Unternehmenskultur helfen. Doch hier will ich nicht zu viel vorwegnehmen.

Wenn Sie Unternehmenskultur als neues Geschäftsfeld sehen – wie beurteilen Sie die deutschen Firmen in dieser Frage?
Viele Unternehmen stehen noch am Anfang, in einigen herrscht kulturell leider oft noch Steinzeit.

Wie macht das eigentlich Ihr Unternehmen: Wie schaffen Sie Nähe und eine gute Kultur?
Wir haben zum Beispiel das Format eines wöchentlichen „Campfires“ etabliert. Dabei kommen alle unsere Mitarbeiter einmal pro Woche für rund 15 Minuten virtuell zusammen und berichten aus ihren Bereichen, mal erzählen sie auch einfach lustige Geschichten oder singen einen Song. Das stärkt den Zusammenhalt – und das ist essenziell in Zeiten der physischen Distanz.

Mitunter wird das sogenannte mobile Arbeiten auch glorifiziert. Hand aufs Herz: Wo läuft‘s nicht so in der neuen Arbeitswelt?
Da gibt es durchaus ein paar Punkte, die ich sehe. Konkret aus dem derzeitigen Alltag: Hybride Meetings, bei denen einige Mitarbeiter anwesend sind, andere nicht, sind schwierig. Und außerdem gilt: Je kreativer Prozesse sind, desto herausfordernder ist das ausschließlich virtuelle Arbeiten.

Mit LinkedIn haben Sie längst einen übermächtigen Konkurrenten. Hat Xing noch eine Chance gegenüber LinkedIn?
Unser Netzwerk Xing ist weiterhin die Nummer eins im deutschsprachigen Raum. Zudem verfolgen wir eine andere Philosophie. Wir bieten nicht die Bühne für denjenigen, der am lautesten ist. Wir glauben – im Gegensatz zu vielen sozialen Netzwerken – nicht, dass möglichst große Aufmerksamkeit Selbstzweck ist. Wer das sucht, ist möglicherweise anderswo besser aufgehoben. Wir tun etwas anderes: Wir helfen Berufstätigen, darunter auch die eher leise Mehrheit, das tun zu können, was ihren Bedürfnissen entspricht, ihnen ein Guide für ihre ganz persönliche Arbeitswelt zu sein.

LinkedIn hat in den vergangenen Jahren einen intelligenten Newsstream gebaut mit Inhalten aus den unterschiedlichsten Bereichen, der intensiv genutzt wird. Bei Xing standen die Inhalte lange nicht so im Fokus. Wurde hier zu wenig auf Content gesetzt?
Klar, auch Wettbewerber treffen richtige Entscheidungen. Wir verfolgen aber auch hier eine andere Strategie. Im Kern kümmert sich unsere Xing-Redaktion um das Thema ‚News‘, den Content, und das haben wir in den letzten Jahren stark weiterentwickelt. Können wir bei der Ausspielung des Contents noch besser werden? Ja klar. Und auch darum werden wir uns kümmern.

Was genau können oder wollen Sie denn besser machen?
Grundsätzlich halte ich nicht viel davon, andere Unternehmen zu kopieren. Wir konzentrieren uns lieber auf die Kunden, ihre Bedürfnisse und entwickeln unsere Positionierung weiter. Xing ist der aktive Begleiter, der dem Nutzer hilft, seine Potenziale zu entfalten und zufriedener im Job zu sein. Und daran werden wir weiterarbeiten.

Frau von Strombeck, vielen Dank für das Interview.