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„Wir wollen dem Kunden einen Lieblingsort schaffen“

Shopping muss zum Erlebnis werden, das ist die Prämisse vieler Händler. Innenarchitektin Marie Ernst erklärt, wie sich die Ansprüche an ein Geschäft verändert haben und was uns zukünftig in den Shoppingmeilen erwartet.

WirtschaftsWoche: Frau Ernst, die Art und Weise, wie Menschen konsumieren, wandelt sich durch das Internet immer stärker. Wie muss ein moderner Konsumtempel aussehen, um noch Kunden zu locken?
Marie Ernst: Auch, wenn heute viel über das Internet konsumiert wird, würde ich das nicht unbedingt als Konkurrenz für die Shoppingmeilen in den großen Metropolen sehen. Wenn ich in die Düsseldorfer Innenstadt gehe, ist die in der Regel voll. Nur die Motivation, warum Menschen in die Stadt fahren, hat sich im Vergleich zu früher geändert. In Zeiten, in denen Waren teilweise noch am selben Tag geliefert werden, muss ich nicht in ein Geschäft gehen, um meinen Bedarf an Bekleidung zu decken. Die Menschen fahren heute in die Stadt, um sich inspirieren zu lassen, etwas zu essen oder zu trinken.

Was bedeutet das für Ihre Arbeit als Innenarchitektin, wenn Sie neue Geschäfte konzipieren?
Gestalterisch bietet das sehr viele neue Freiräume. Modegeschäfte zum Beispiel müssen heute nicht mehr jedes T-Shirt in allen Farben und Größen sechsfach im Laden ausliegen haben. Die Kunden lassen sich das gewünschte Modell im Zweifel einfach aus dem Internet direkt nach Hause liefern, anstatt mit der Einkaufstüte durch die Straße zu laufen. Der Online-Handel dient sozusagen als Warenlager, das lokale Geschäft ist zum großen Schaufenster geworden – gerade die Flagship-Stores bekannter Marken werden heute eher als Showroom konzipiert.

Wie sieht so ein Schaufenster aus und was muss es haben?
Das kann ganz unterschiedliche Facetten haben, jeder Händler hat andere Ansprüche und Ziele, jede Marke eine andere Positionierung. Dabei geht es immer um die Frage: Welche Botschaft soll die Marke transportieren? Darüber hinaus denken wir Konzepte immer vom Menschen aus: Was könnte sich der Kunde wünschen, oder wie können wir ihn überraschen? Sei es ein Kaffee im Kleidungsgeschäft, ein Barbershop im Möbelhaus oder ein DJ im Elektronikladen. Die Marke soll bestmöglich in Szene gesetzt werden. Geschäfte konkurrieren um die Aufmerksamkeit und Zeit der potentiellen Kunden. Ausgefallene Ideen können den entscheidenden Wettbewerbsvorteil bringen.

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Wie viel Show ist denn sinnvoll – muss ich mir im Möbelhaus wirklich den Bart stutzen lassen?
Natürlich darf man es mit den Werbegags nicht übertreiben, der Kunde soll am Ende nicht mit Eindrücken überfordert werden. Menschen haben ein gutes Gefühl für Stimmigkeit, der Auftritt muss glaubwürdig zur Marke passen. Die Balance zwischen dem Reizen möglichst vieler Sinne, zum Beispiel durch Musik und Düfte, und dem Kreieren einer Wohlfühlatmosphäre ist eine Kunst.

Wie muss ein Laden klingen, nach was muss er riechen, damit Menschen hineingehen und sich möglichst lange darin aufhalten?
Da gibt es kein pauschales Erfolgsrezept. Ein hipper Skater-Laden muss anders klingen als ein Geschäft für Maßanzüge. Dekoration, Musik und Duft müssen zur Marke passen.

Wie könnte also das allgemeine Ziel für einen Ladenentwurf lauten?
Wir wollen dem Kunden im Idealfall einen Lieblingsort schaffen, an den er gerne zurückkehrt. Wenn sich ein Kunde lange in einem Geschäft aufhält, ohne dabei gestresst zu werden, ist er natürlich eher zu Spontankäufen geneigt. Das Ziel ist: Shopping soll ein Erlebnis sein.

„Shopping als Erlebnis“ – ist das nicht seit Aufkommen des Internethandels schon das Ziel? Wann sind die Shoppingmeilen denn mal an diesem Ziel angekommen?
Es müssen ja nicht immer grundlegend neue Ziele aufgestellt werden. Die Definition von „Erlebnis“ hat sich in den letzten Jahrzehnten einfach verändert. Vielleicht hat es vor 30 Jahren noch gereicht, ein paar Luftballons an die Ladentür zur hängen, um Kunden ins Geschäft zu locken. Da müssen sich die Händler heute definitiv mehr einfallen lassen.

Sind die Ansprüche der Kunden in den letzten Jahren also gewachsen?
Insgesamt steigt die Erwartungshaltung der Menschen an den Service immer weiter an. Im Digitalzeitalter sind die Kunden heute viel besser informiert. Online-Händler bieten Vorteile wie die Lieferung nach Hause und Kaufempfehlungen basierend auf Vorkäufen – der Kunde ist also auch durch den Online-Handel sehr verwöhnt und entsprechend abgeschreckt, wenn er diesen Komfort bei stationären Händlern nicht erfährt. Ein stationäres Geschäft muss dem Kunden einen Mehrwert bieten, den er sonst nicht bekommt, um einen Besuch im Laden zu rechtfertigen. Neben der besonderen Atmosphäre vor Ort oder der Haptik der Ware ist dies in erster Linie professionelles, leidenschaftliches Personal, bei dem sich der Kunde gut aufgehoben und beraten fühlt. Und so ein Cappuccino nach der Anprobe ist doch auch ganz nett, finde ich. Den bekomme ich bei Zalando nicht.

Sie entwerfen Filialen für bekannte Marken. Nicht nur in Deutschland, sondern auch in Paris oder London – von H & M über Hollister bis Tommy Hilfiger. Wie viel Gestaltungsfreiheit haben Sie da überhaupt?
Lange ging es vor allem darum, ein bestimmtes Markenbild zu etablieren und bekannt zu machen. Die Läden wurden also einfach flächenweit vervielfältig und in so viele Städte wie möglich gesetzt. Das hat ein Stück weit zu generisch wirkenden Innenstädten in den Metropolen geführt. Es hat kaum einen Unterschied gemacht, ob ich in einem Berliner oder einem Münchener Shoppingcenter stand.

Das heißt, Sie haben mit Ihrer Arbeit mit zu dieser Eintönigkeit beigetragen?
Wir haben durchaus auch für Ketten immer wieder neue Konzepte entworfen und den Gestaltungsspielraum so weit ausgereizt, wie es ging. Heute, wo der Markt gesättigt ist, geht es eher um andere Themen – Flagship-Stores mit markenbildenden, vorangehenden Designs; Markenidentität für Shopping Malls, um Charaktere zu schaffen; Nachhaltigkeit und so weiter.

Werden die Städte in Zukunft also wieder vielfältiger?
Ja, das müssen sie auch werden. Kunden und Auftraggeber wünschen sich wieder Individualität, das gibt uns also noch mehr gestalterischen Spielraum. Durch regionale Bezüge in der Instore-Kommunikation zum Bespiel geben wir Shopping-Centern wieder eine eigene Identität. In einer lebenswerten Stadt gibt es für die Menschen in jedem Quartier etwas ganz Eigenes zu entdecken. Dann sehen wir auch abseits der angesagten Lagen belebte Straßen und Plätze.

Welche Trends erwarten Sie in Zukunft, auf die Sie in Ihrer Gestaltung eingehen werden müssen?
Das Thema Nachhaltigkeit schwebt mittlerweile wie in nahezu jeder Branche über allem, vor allem wegen des gesellschaftlichen Drucks. Immer mehr Menschen konsumieren sehr bewusst, sie wollen wissen: Wie werden die Produkte produziert? Wo kommen die verwendeten Materialien her und sind sie recycelbar? Wir als Architektenbüro würden uns wünschen, dass da auch noch viel mehr Eigeninitiative von unseren Auftraggebern kommt. Neben denen, die es mit der Nachhaltigkeit ehrlich meinen, gibt es zurzeit leider noch welche, die vor allem wollen, dass alles nur möglichst „grün“ aussieht. Traurigerweise sieht es so aus, als müssten mal wieder erst die Menschen Nachhaltigkeit lautstark einfordern, bevor seitens der Händler wirklich viel passiert.

Wie kann so ein nachhaltiges Geschäft denn aussehen?
In der Architektur von neuen Gebäuden ist das „Cradle-to-Cradle-Prinzip“ ein großes Thema. Übersetzt heißt das sinngemäß „vom Ursprung zum Ursprung“ – alle verwendeten Materialen müssen langfristig den Anspruch der Kreislaufwirtschaft erfüllen, also in welcher Weise auch immer zu hundert Prozent wiederverwertbar sein. Vom Holzregal über Wände aus Naturstein bis hin zu den Stoffen der Kleidungsstücke selbst. Wir befinden uns gerade in einem ganz spannenden Entwicklungsstadium was nachhaltige Konzepte angeht und entwickeln laufend neue Ideen.

Welches Projekt war in diesem Aspekt für Sie in letzter ein besonders positives Beispiel, das als Vorbild dienen kann?
Das Manufactum Warenhaus in Wien ist da ein schönes Beispiel, wo wir alle besprochenen Trends zusammengebracht haben. Das Prinzip von Manufactum ist ein bewusstes Angebot von kuratierten, nachhaltigen und hochwertigen Produkten. Dies wird in der Präsentation offen kommuniziert, so können die Kunden sich vor Ort zum Beispiel genau über die angebotenen Waren und deren Geschichte oder Herkunft informieren. Unser Entwurf baut zudem auf dem Gedanken auf, die vorgefundene historische Gebäudesubstanz wie zum Beispiel die gusseisernen Säulen so weit wie möglich zu erhalten und einen erkennbaren Bezug zur Stadt Wien zu schaffen. Im angeschlossen Café gibt es dann auch einen Cappuccino mit passendem Brot oder Gebäck – frisch vor Ort in der offenen Backstube vor den Augen der Kunden zubereitet.