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Wolfgang Nickl – der Schwabe, der Bayer krisenfest machen soll

Der Anruf traf Wolfgang Nickl völlig unvorbereitet. Am anderen Ende der Leitung war ein Headhunter und fragte ihn, ob er sich einen Wechsel in den Vorstand eines Dax-30-Konzerns vorstellen könnte. Das war Mitte 2017. Nickl war glücklich in seinem damaligen Job als Finanzvorstand des niederländischen Chipzulieferers ASML. Ein Wechsel kam für ihn spontan gar nicht in Betracht.

Doch der Berater ließ nicht locker. Er nannte zwar nicht den Namen seines Mandanten, vereinbarte mit Nickl aber ein Spiel: Der Manager solle sich in einer ruhigen Minute die Dax-30-Liste nehmen und ganz allein für sich Kreuzchen hinter den Konzernen machen, für die er theoretisch gerne arbeiten würde.

Ein paar Tage später kam der nächste Anruf des Headhunters: Sein Mandant sei die Bayer AG. Nickl schaute auf seine Liste. Drei Kreuzchen hatte er gemacht – eines davon hinter Bayer. Wenige Wochen später war sein Wechsel nach Leverkusen perfekt.

Seit Ende April 2018 ist der 49-Jährige im Vorstand von Bayer, Anfang Juni übernahm er die Verantwortung für die Finanzen. Er hat den Wechsel nach eigenem Bekunden bisher in keiner Sekunde bereut.

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Dass ihn bei den Rheinländern ein harter Job erwartet, war ihm klar: Die Megaübernahme und Integration von Monsanto, die Neuorganisation des gesamten Konzerns, der geforderte Schuldenabbau – das sind die großen Herausforderungen für den neuen Finanzvorstand von Bayer.

Ein mehrstündiges Gespräch mit Bayer-Chef Werner Baumann in Eindhoven, dem Sitz von ASML, überzeugte ihn damals vom Wechsel. „Manchmal stimmt einfach die Chemie zwischen zwei Menschen, das war bei uns so“, sagt Nickl. Ihn lockte auch Bayers Fokus auf Gesundheit und Ernährung. „Mir ist sehr wichtig, für etwas Sinnvolles tätig zu sein.“

Nickl stammt aus Schwaben, 1992 schloss er seine Ausbildung bei IBM und der Berufsakademie Stuttgart als Bachelor of Business Administration ab. Den für Schwaben typischen Sparwillen wird er bei Bayer gebrauchen können. Der Konzern muss seine Kasse nach dem 63,5 Milliarden Dollar teuren Kauf des US-Saatgutspezialisten Monsanto wieder füllen.

Wenn Nickl spricht, ist nicht nur seine süddeutsche Heimat deutlich zu hören, sondern auch seine amerikanische Prägung. Er heuerte 1995 beim US-Festplattenhersteller Western Digital (WD) an und ging wenig später in die USA. Er machte schnell Karriere: „Mein CEO gab mir damals den Rat: Wenn du ein richtig guter CFO werden willst, musst du erst mal operative Erfahrung machen.“

Nickl verantwortete bei WD die weltweiten Business Operations, bevor er 2010 Finanzchef wurde. Für diesen Job hatte er sich schon neun Jahre vorher im Alter von 32 bewusst entschieden. Ihn fasziniere es, als CFO ein großes Unternehmen mitzusteuern, an einer langfristigen Strategie mitzuarbeiten und den Finanzplan zu entwickeln. „Für mich als CFO ist das Unternehmen wie ein Bild, auf das ich blicke“, sagt er.

2013 zog es ihn mit seiner Frau und zwei Kindern von Kalifornien nach Europa zurück. Nickl wurde Finanzvorstand bei ASML in Eindhoven, dem Weltmarktführer für Lithografiesysteme für die Halbleiterindustrie. Dort hat man ihn in guter Erinnerung: „Wir haben von seiner Erfahrung in der Technologie-Industrie ebenso sehr profitiert wie von seinem Pragmatismus und seinem Verständnis für die Feinheiten der Finanzmärkte“, sagte ASML-CEO Peter Wennink dem Handelsblatt.

Unterstützung des CEOs

Diese Qualitäten soll er nun bei Bayer einbringen – und zwar in enger Zusammenarbeit mit Vorstandschef Baumann, mit dem er die Gesamtstrategie nach außen vertritt. Dass dieser selbst lange Jahre Bayers Finanzvorstand war, empfindet Nickl nicht als hemmend, sondern als „Riesenvorteil“, weil man dieselbe Sprache spreche.

Als eine seiner Hauptaufgaben sieht Nickl, den Vorstandschef bei Investor Relations zu unterstützen. Die Investoren haben Bayer im vergangenen Halbjahr mit vielen Fragen bedrängt: vor allem wegen der Rechtsrisiken durch die Glyphosat-Verfahren, aber auch wegen der grundsätzlichen Strategie und der Ziele nach der Übernahme von Monsanto.

Analysten äußern sich positiv über den neuen Bayer-CFO. Er sei ein „guter Kommunikator mit starker Erfolgsbilanz“, sagt Markus Mayer von der Baader Bank. Im Dezember hatte Nickl einen wichtigen Auftritt vor der versammelten Investorenschar beim Bayer-Kapitalmarkttag in London.

Laut Teilnehmern hat das Management dort für mehr Klarheit gesorgt, was der Konzern in den kommenden Jahren erreichen will. Nickl glaubt, dass die Investoren die Bayer-Strategie positiv bewerten. „Sie haben aber auch eine klare Botschaft an uns: Wir haben verstanden – ihr müsst jetzt liefern“, sagt er.

Dabei ist der CFO mehrfach gefordert. Bis 2022 soll Bayers Nettoverschuldung von derzeit rund 36 Milliarden auf 26 bis 28 Milliarden Euro sinken. Der Konzernumbau inklusive Abbau von 12.000 Stellen und Synergien mit Monsanto soll dann jährliche Beiträge von 2,6 Milliarden Euro bringen. Nickl wird daran gemessen, ob diese Vorgaben erreicht werden.

Auf dem Kapitalmarkttag im Dezember hat Nickl nicht nur für Klarheit, sondern auch für Aufsehen gesorgt: Er sprach davon, dass Bayer ein Aktienrückkaufprogramm starten könnte – es wäre das erste in der fast 156-jährigen Geschichte des Konzerns. Ob es dazu kommt, hängt aber von vielen mit Unsicherheit behafteten Faktoren ab.

Höhere Dividenden

Grundsätzlich, so unterstreicht Nickl, soll aus dem freien Cashflow kein Aktienrückkauf finanziert werden. Bis 2022 will Bayer in Summe einen Free Cashflow von 23 Milliarden Euro erwirtschaften. Die Mittel sollen allein für Schuldenabbau, höhere Dividenden sowie mögliche kleine Zukäufe und Einlizenzierungen verwendet werden.

Allerdings wird Bayer durch die angekündigten Teilverkäufe weiteres Geld in die Kasse bekommen. Der Konzern will sich von der Tiermedizin, der Mehrheitsbeteiligung am Leverkusener Chemieparkbetreiber Currenta und zwei Gesundheitsmarken trennen. In Summe könnte dies nach Schätzung von Analysten bis zu zehn Milliarden Euro einbringen.

„Wir wollen die Erlöse zum Teil ebenfalls zur Schuldenreduzierung einsetzen“, sagt Nickl. „Wir erwägen aber auch die Möglichkeit, einen signifikanten Anteil für den Rückkauf eigener Aktien zu verwenden – wobei der dann aktuelle Aktienkurs eine wichtige Rolle spielen wird.“

Das dürfte aber nicht der einzige Faktor sein: Bayer drohen Belastungen aus den kommenden Prozessen um die Gesundheitsgefahr des Unkrautvernichters Glyphosat. Kommt Bayer dabei nicht wie erhofft recht ungeschoren davon, könnten milliardenschwere Rechtskosten die Folge sein. Für diesen derzeit kaum kalkulierbaren Fall muss Bayer die Bilanz krisenfest machen.

Dass die geplanten Teilverkäufe zügig und zu ordentlichen Preisen umgesetzt werden, ist eine große Herausforderung für den Bayer-CFO. Für Privates bleibt da wenig Zeit. Neben seiner Familie ist Nickls Leidenschaft der Sport, Skifahren vor allem und Laufen durch den Wald oder entlang des Rheins. „Da bekomme ich den Kopf frei.“