Werbung
Deutsche Märkte geschlossen
  • DAX

    18.137,65
    +276,85 (+1,55%)
     
  • Euro Stoxx 50

    5.008,17
    +71,32 (+1,44%)
     
  • Dow Jones 30

    38.518,72
    +278,74 (+0,73%)
     
  • Gold

    2.342,30
    -4,10 (-0,17%)
     
  • EUR/USD

    1,0709
    +0,0052 (+0,49%)
     
  • Bitcoin EUR

    62.388,49
    +222,85 (+0,36%)
     
  • CMC Crypto 200

    1.436,70
    +21,94 (+1,55%)
     
  • Öl (Brent)

    83,35
    +1,45 (+1,77%)
     
  • MDAX

    26.625,02
    +335,29 (+1,28%)
     
  • TecDAX

    3.286,91
    +69,96 (+2,17%)
     
  • SDAX

    14.259,71
    +206,46 (+1,47%)
     
  • Nikkei 225

    37.552,16
    +113,55 (+0,30%)
     
  • FTSE 100

    8.044,81
    +20,94 (+0,26%)
     
  • CAC 40

    8.105,78
    +65,42 (+0,81%)
     
  • Nasdaq Compositive

    15.727,08
    +275,78 (+1,78%)
     

Wohnungseinbrüche sind kein „Naturphänomen“

Beim „Tag der Inneren Sicherheit“ der Unionsfraktion spart die Bundeskanzlerin nicht mit Vorwürfen an den Koalitionspartner. Angela Merkel stellt klar: „Der Rechtsstaat lässt sich nicht auf der Nase herumtanzen.“

Die Bundeskanzlerin schaltet in den Wahlkampfmodus: „Wir werden nicht akzeptieren, dass wir 16 verschiedene Sicherheitsniveaus in 16 Bundesländern haben“, sagte Angela Merkel am Mittwochabend beim „Tag der Inneren Sicherheit“ der Unionsfraktion in Berlin. Die Bürger hätten kein Verständnis dafür, dass in Bayern die Schleierfahndung praktiziert werde, in Nordrhein-Westfalen aber nicht. Dass in Düsseldorf die SPD zusammen mit den Grünen regiert, erwähnte die CDU-Chefin zwar nicht explizit. Aber jeder Zuhörer auf der Fraktionsebene des Berliner Reichstags verstand die Botschaft auch so: Es sind vor allem CDU und CSU, die für Sicherheit im Land sorgen, wollte Merkel sagen.

Aber wo stehen wir wirklich im Bundestagswahljahr bei der Inneren Sicherheit? Anfang der Woche hatte Bundesinnenminister Thomas de Maizière die neue polizeiliche Kriminalstatistik vorgestellt und einen besorgniserregenden Anstieg der Gewalt vermeldet. Ermittelte die Bundesanwaltschaft 2013 noch in 68 Terrorverfahren, waren es im vergangenen Jahr schon rund 250. In diesem Jahr werde man schon Ende April 200 Verfahren verbuchen, sagte Generalbundesanwalt Peter Frank beim Unionskongress. Bis Ende des Jahres rechnet er mit 500 bis 600 Verfahren wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung oder Anschlagsvorhaben. Und 85 bis 90 Prozent der Fälle kämen aus dem islamistischen Spektrum.

Der Staat müsse deshalb weiter aufrüsten, betonte Merkel, denn die Menschen erwarteten zu Recht, dass er „alles Menschenmögliche, alles Machbare“ für ihre Sicherheit tue. Bei der Personalaufstockung von Polizei und Nachrichtendiensten „haben wir als Bund Maßstäbe gesetzt“, sagte Merkel. Einige Länder – natürlich vor allem die unionsgeführten – würden glücklicherweise nachziehen.

Zu oft werde die Sicherheitsfrage auf die Personalfrage verengt. Auch technisch müssten die Sicherheitsbehörden aber mindestens auf Augenhöhe mit Kriminellen und Terroristen bleiben. Man dürfe gedanklich nicht im Zeitalter der Festnetz-Telefonie stehen bleiben, mahnte die CDU-Chefin. Ein Seitenhieb auch auf den aktuellen Streit zwischen Union und SPD über die Nutzung von Handydaten zur Bekämpfung der Einbruchskriminalität. Die Koalition hat sich zwar auf härtere Strafen für Einbrecher verständigt, nicht aber über die technischen Möglichkeiten, ihnen auf die Schliche zu kommen. diese müssten aber stets weiterentwickelt werden, sagte Merkel. Allein um deutlich zu machen: „Der Rechtsstaat lässt sich nicht auf der Nase herumtanzen.“

WERBUNG

Viel zu lange sei die „psychologische Bedeutung“, die ein Einbruch für die Opfer habe, nicht ausreichend betrachtet worden, sagte Merkel. Die Politik dürfe sich aber nicht damit abfinden, dass Wohnungseinbrüche „quasi als aufkommendes Naturphänomen“ gesehen wurden. Die Täter müssten mit allen zur Verfügung stehenden technischen Möglichkeiten verfolgt werden, betonte die Kanzlerin. „Hier kann man nicht den Datenschutz vorschieben.“

Ach ja, die SPD. Viel zu oft habe man den Koalitionspartner in der zu Ende gehenden Legislaturperiode erst „zum Jagen tragen müssen“, beklagte auch Innenminister de Maizière. Um dann die lange Liste all jener Gesetze aufzuzählen, die Schwarz-Rot bereits beschlossen hat oder die zur Entscheidung anstehen. So wird der Bundestag an diesem Donnerstag das neue BKA-Gesetz, härtere Strafen bei Angriffen auf Polizisten, den Austausch von Fluggastdaten oder ein Verschleierungsverbot im öffentlichen Dienst beschließen. Im Mai soll dann noch das Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht verabschiedet werden – eine Konsequenz aus dem Fall des Berlin-Attentäters Anis Amri.

Erledigt sind die Hausaufgaben aus Sicht des CDU-Innenministers damit aber noch lange nicht. Die Stellen, die bei der Bundespolizei, beim Bundeskriminalamt und bei den Nachrichtendiensten geschaffen worden seien, müssten jetzt erst einmal vernünftig besetzt werden, sagte de Maizière. Und bei der Gefahrenabwehr könne Deutschland noch besser werden. Das Umweltrecht, Sicherheitsstandards in der Industrie oder auch die Finanzmarktkontrolle seien so verschärft worden, dass es möglichst gar nicht erst zu Unfällen oder Krisen komme. Danach müsse man bei der Kriminalitäts- oder Terrorbekämpfung auch streben. Der Staat greife auch nicht zu sehr in die Freiheitsrechte der Bürger ein, wenn er präventiv arbeite, sagte de Maizière: Die eigentliche Freiheitseinschränkung sei, wenn man sich nicht mehr in die U-Bahn traue – aus Angst, die Treppe hinuntergestoßen zu werden. Und nicht die Videokamera, die die Station überwacht.

Mehr Zentralisierung oder zumindest Koordinierung der Sicherheitsbehörden forderte der Minister: „Wenn wir große und überregionale Gefahren haben, brauchen wir auch eine große und überregionale Antwort.“ Es könne nicht sein, dass die Gefährlichkeit eines Anis Amri von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich beurteilt werde. Oder dass zwei Länder bei der Schleierfahndung nicht mitmachten. Die Abwehr groß angelegter Cyberangriffe sei so kompliziert und aufwendig, „da müssen wir eine zentrale Zuständigkeit schaffen“, forderte de Maizière. Schon allein, weil es gar nicht so viele qualifizierte IT-Spezialisten gebe, dass jedes Bundesland ein eigenes Team aufstellen könne.


Verfassungsschützer fordern mehr Kompetenzen

Unterstützung für seinen schon früher geäußerten Vorstoß, die Aufgaben des Inlandsgeheimdienstes stärker beim Bund zu konzentrieren, erhielt der Innenminister von Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen. Man könne sich schon fragen, ob es sinnvoll sei, dass der bremische Landesverfassungsschutz für Bremen und Bremerhaven zuständig sei, nicht aber für Bremervörde und Delmenhorst. „Wir sollten uns nicht Denkverbote auferlegen“, sondern nachdenken, ob man hier nicht nachjustiert, sagte Maaßen.

Für seine eigene Behörde wünscht sich der oberste Verfassungsschützer dabei durchaus mehr Spielraum. So wäre doch zur Terrorprävention interessant zu sehen, wer sich von seinem Rechner aus gerade Enthauptungsvideos in Malaysia anschaue. Mit einem Abgleich der IP-Adresse ließe sich so auch ein Name feststellen. Aber da fehlten zum Teil noch die rechtlichen Grundlagen. Auch dass die Verfassungsschützer bundesweit auf Vorratsdaten zugreifen können, so wie es in Bayern bereits möglich ist, wünscht sich der Behördenchef.

Innenminister de Maizière warnte aber davor, die Sorge der Bürger nun im Wahlkampf zu instrumentalisieren. „Sicherheitspolitik kann nicht die Verstärkung von Angst sein, auch nicht zur Organisierung politischer Mehrheiten.“ Ganz so wollte Unionsfraktionschef Volker Kauder dann aber doch nicht stehen lassen. Die schwarz-rote Regierung habe als Gesetzgeber im Bund ihre Aufgaben weitgehend erfüllt. Es gebe aber „Luft nach oben beim Vollzug“. Und zwar je nach Bundesland unterschiedlich viel Luft.

KONTEXT

Vereitelte und verübte islamistische Anschläge in Deutschland

April 2002

Die Polizei nimmt Anhänger der zum Al-Kaida-Netzwerk zählenden Terrorgruppe Al-Tawhid fest. Die Männer planten Angriffe auf das jüdische Gemeindezentrum in Berlin und jüdische Gaststätten in Düsseldorf. Das Düsseldorfer Oberlandesgericht verurteilt sie zu mehrjährigen Gefängnisstrafen.

Quelle: dpa / Stand: 20.12.2016

Juli 2006

Im Kölner Hauptbahnhof platzieren zwei Männer in Koffern versteckte Sprengsätze in Regionalzügen nach Hamm und Koblenz. Die Zeitzünder-Bomben explodieren jedoch nicht. Im Dezember 2008 wird einer der "Kofferbomber von Köln" zu lebenslanger Haft verurteilt.

September 2007

Die islamistische "Sauerland-Gruppe" wird gefasst. 2010 werden die vier Mitglieder wegen geplanter Terroranschläge auf Diskotheken, Flughäfen und US-Einrichtungen in Deutschland zu bis zu zwölf Jahren Gefängnis verurteilt.

März 2011

Ein junger Kosovo-Albaner erschießt auf dem Flughafen Frankfurt/Main zwei US-Soldaten und verletzt zwei weitere schwer. Der Mann gilt als extremistischer Einzeltäter. 2012 wird er zu lebenslanger Haft verurteilt.

April 2011

Ermittler nehmen in Düsseldorf drei mutmaßliche Al-Kaida-Mitglieder fest, die einen Sprengstoffanschlag in Deutschland geplant hatten. Im Dezember 2011 wird in Bochum ein viertes mutmaßliches Mitglied der "Düsseldorfer Zelle" gefasst. Die vier Männer werden Ende 2014 zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt.

März 2013

Die Polizei fasst vier Verdächtige aus der Bonner Islamisten-Szene, die einen Anschlag auf den Chef der rechtsextremen Splitterpartei "Pro NRW" geplant haben sollen. Der Kopf der Gruppe soll zudem im Dezember 2012 einen Sprengsatz im Bonner Bahnhof deponiert haben. Der Prozess in Düsseldorf dauert an.

Februar 2016

Die Polizei kommt einer mutmaßlichen Terrorzelle auf die Schliche und schlägt zeitgleich in Berlin, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen zu. Die vier verdächtigen Algerier sollen einen Anschlag in Berlin geplant haben. Der sei jedoch im Frühstadium durchkreuzt worden, heißt es.

Februar 2016

Bei einer Kontrolle am Hauptbahnhof Hannover verletzt eine 15 Jahre alte Deutsch-Marokkanerin einen Bundespolizisten lebensgefährlich mit einem Messer. Laut Bundesanwaltschaft war die Attacke eine "Märtyreroperation" für den IS. Seit Oktober muss sich das Mädchen vor dem Oberlandesgericht in Celle für die Tat verantworten.

April 2016

Nach einer indischen Hochzeit verüben zwei junge mutmaßliche Salafisten aus Gelsenkirchen einen Bombenanschlag auf ein Gebetshaus der Sikhs in Essen. Drei Menschen werden verletzt. Der Prozess gegen die beiden Verdächtigen und einen Komplizen begann im Dezember in Essen. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen unter anderem versuchten Mord vor.

Juni 2016

Spezialkräfte der Polizei nehmen drei mutmaßliche IS-Anhänger in Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Brandenburg fest. Sie sollen einen Anschlag in der Düsseldorfer Altstadt geplant haben.

Juli 2016

Ein 17-Jähriger geht - mit Axt und Messer bewaffnet - in einer Regionalbahn bei Würzburg auf Fahrgäste los. Fünf Menschen werden verletzt. Polizisten erschießen den Attentäter, der sich in einem Video als Kämpfer des IS bezeichnete. Er kam als Flüchtling nach Deutschland und gab sich als Afghane aus.

Juli 2016

Im bayerischen Ansbach sprengt sich ein 27-Jähriger auf einem Platz vor einem Musikfestival in die Luft, 15 Menschen werden verletzt. Der syrische Flüchtling stand nach einer mehrfach verlängerten Duldung kurz vor einer Abschiebung nach Bulgarien. Er war wiederholt in psychiatrischer Behandlung. Der IS beansprucht den Anschlag für sich.

September 2016

In Schleswig-Holstein nehmen Sicherheitskräfte drei Syrer wegen Terrorverdachts fest. Die Bundesanwaltschaft wirft den Männern im Alter zwischen 17, 18 und 26 Jahren vor, im Auftrag des IS nach Deutschland gekommen zu sein, "um entweder einen bereits erhaltenen Auftrag auszuführen oder sich für weitere Instruktionen bereitzuhalten". Konkrete Aufträge gab es nach bisherigen Ermittlungen nicht, das Trio sitzt in Untersuchungshaft.

Oktober 2016

Der Syrer Dschaber al-Bakr wird in Sachsen festgenommen. Er soll einen Anschlag auf einen Berliner Flughafen geplant haben. Der 22-Jährige erhängt sich in seiner Zelle.

Oktober 2016

Die Bundesanwaltschaft erhebt Anklage gegen einen seit März in Untersuchungshaft sitzenden 19-jährigen Syrer. Er soll Anschlagsziele für den IS in Berlin ausgekundschaftet haben.

November, Dezember 2016

Ein Zwölfjähriger steht im Verdacht, einen Anschlagsversuch auf einen Weihnachtsmarkt verübt zu haben. Der Junge hatte möglicherweise Kontakt zu radikalen Islamisten. Er soll laut Magazin "Focus" zunächst am 26. November versucht haben, ein mit Sprengpulver gefülltes Konservenglas auf dem Weihnachtsmarkt zu zünden. Am 5. Dezember soll er es dann in einer Tasche in einem Gebüsch nahe dem Rathaus deponiert haben, wo es entdeckt wurde. Die Bundesanwaltschaft ermittelt.

Dezember 2016

Kurz vor Weihnachten rast der 24-Jährige Tunesier Anis Amri mit einem Lastwagen in den Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche in Berlin. Zwölf Menschen starben, 55 wurden verletzt. Vier Tage nach dem Anschlag hatten ihn italienische Polizisten nahe Mailand erschossen, nachdem er bei einer Personenkontrolle das Feuer auf die Beamten eröffnet hatte. In Deutschland hat der Anschlag eine Debatte über schärfere Gesetze und mehr Videoüberwachung auf Plätzen und Straßen ausgelöst. Amri galt als "Gefährder", dem ein Anschlag zugetraut wurde, verschwand aber vom Radar der Behörden. Recherchen des WDR ergaben, dass er im Ruhrgebiet gut vernetzt war und ein Dutzend Moscheen besucht hatte.

Ebenfalls im Dezember erhebt die Staatsanwaltschaft Köln Anklage gegen einen 16 Jahre alten syrischen Kriegsflüchtling. Der im September festgenommene Jugendliche soll einen Anschlag geplant haben. Er soll von einem Chatpartner im Ausland mit Verbindungen zur Terrormiliz Islamischer Staat (IS) Anleitungen zum Bombenbau erhalten haben.