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Wie der Wirtschaftsstandort Deutschland zukunftsfest gemacht werden kann

Entgegen skeptischen Erwartungen hat die deutsche Wirtschaft keineswegs ihre besten Jahre hinter sich. Trotzdem ist es Zeit für ein Narrativ des Mutes.

Nach einem pessimistischen Narrativ, werde Deutschland von der technologischen Disruption und dem internationalen Wettbewerb überrollt, weil es nicht genügend vorbereitet ist. Foto: dpa
Nach einem pessimistischen Narrativ, werde Deutschland von der technologischen Disruption und dem internationalen Wettbewerb überrollt, weil es nicht genügend vorbereitet ist. Foto: dpa

Wie entwickelt sich die Wirtschaft? Droht eine Rezession, womöglich verbunden mit einem Crash der heiß laufenden Finanzmärkte? Oder wächst die Wirtschaft in Deutschland und weltweit weiter? Nehmen die Aktienmärkte nach der Coronavirus-Krise wieder Kurs auf neue Allzeithochs?

Das sind Fragen, die sich heute viele stellen. Die Antworten der Experten fußen auf quantitativen Modellen und umfassenden Berechnungen. Die haben zwar einiges für sich, greifen aus Sicht des US-Nobelpreisträgers Robert Shiller aber zu kurz: „Ich hatte immer das Gefühl, dass Ökonomen etwas in ihren Berechnungen vergessen, nämlich: dass die Menschen Vorfälle nicht einfach hinnehmen, sondern sie auch immer interpretieren. Die Leute wollen eine Geschichte, ein Narrativ.“

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Die Narrative der Menschen prägen ihr ökonomisches Denken, Wirtschaft hat viel mit Psychologie zu tun. Reden zum Beispiel alle von einer nahenden Rezession, wird kaum ein Unternehmer noch investieren. Durch fehlende Investitionen entsteht als selbsterfüllende Prophezeiung dann tatsächlich eine Rezession, vor der zuvor alle gewarnt hatten.

Kompliziert wird es, wenn mehrere Narrative gleichzeitig umlaufen und sich widersprechen – was derzeit in Deutschland der Fall ist. Hier konzentrieren sich die Debatten auf zwei Entwicklungen, die scheinbar nicht zusammenpassen.

Das pessimistische Narrativ geht so: Da nicht genügend vorbereitet, werde Deutschland von der technologischen Disruption und dem internationalen Wettbewerb überrollt. Es sei nur eine Frage der Zeit, bis deutsche Unternehmen und mit ihr die gesamte Volkswirtschaft in der Bedeutungslosigkeit versänken.

Belege für dieses negative Szenario gibt es: So sitzen die am höchsten kapitalisierten Unternehmen der Welt in den USA und neuerdings in China, nur SAP und Siemens tauchen unter den Top 100 auf. Noch prägnanter: Allein die Marktkapitalisierung von Apple ist größer als die aller 30 DAX-Unternehmen zusammen. Ein einziges US-Unternehmen ist mehr wert als die Kronjuwelen der deutschen Wirtschaft. Außerdem könnte die Bank of America mit ihrem Jahresgewinn von fast 28 Milliarden Dollar locker komplett die Deutsche Bank übernehmen.

Erinnerungen an den „kranken Mann Europas“

Die „Financial Times“ konstatierte unlängst, in der Bundesrepublik gehe die Angst um, wirtschaftlich abgehängt zu werden. Man fühlt sich erinnert an Deutschland als „kranker Mann Europas“, wie es um die Jahrtausendwende hieß. Wir wissen allerdings aus den damaligen Erfahrungen, wie der Befund durch mutige Reformen in Politik und Wirtschaft in sein Gegenteil verkehrt und in der internationalen Wahrnehmung aus dem ehemals Bettlägerigen ein ökonomischer Superstar wurde.

Und hier kommt das optimistische Narrativ ins Spiel: Deutschland sei eines der innovativsten Länder der Welt, um dessen Unternehmen uns vielen andere Länder beneideten. Staatsfonds und Beteiligungsgesellschaften aus aller Welt wollten diese höchst profitablen und innovativen Unternehmen übernehmen und von ihnen lernen. Auch für dieses positive Szenario gibt es Belege: So landete Deutschland im jüngsten Bloomberg Innovation Index auf Platz eins und verdrängte Seriensieger Südkorea von der Spitze.

Lob erhält die Bundesrepublik auch für ihren innovativen produzierenden Sektor und den Erfindungsreichtum. In dem Bereich autonomes Fahren beispielsweise halten deutsche Autokonzerne 40 Prozent der weltweiten Patente. Keine Spur also von technologischem Rückstand.

Ähnlich gut fällt der Befund bei den Hidden Champions aus, jenen deutschen Weltmarktführern also, die Nischenmärkte dominieren, einer breiteren Öffentlichkeit jedoch unbekannt sind. Die meisten dieser Weltmarktführer sind nicht an der Börse gelistet.

Schon deshalb wirkt ein einfacher Vergleich der gesamten Marktkapitalisierung in Deutschland und anderen Ländern meist unvorteilhaft für Deutschland – obwohl der Vergleich nicht viel über die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit aussagt.

Welches Narrativ gilt nun? Das pessimistische Narrativ ist kraftvoll, da es zumeist Unternehmen betrifft, die jeder kennt und über die laufend berichtet wird, weil sie an der Börse gehandelt werden. Das optimistische Narrativ ist schwächer, weil die Erfolgsgeschichten von Hidden Champions oft nur Insidern bekannt sind.

Es besteht also ein eklatantes Ungleichgewicht in der öffentlichen Wahrnehmung. Anhänger des ersten Narrativs werden einwenden, dieses Ungleichgewicht sei irrelevant, schließlich werde die technologische Disruption früher oder später alle Unternehmen erfassen, ob bekannt oder unbekannt.

Aber auch hier ist Vorsicht geboten, denn viele der deutschen Weltmarktführer verfügen über nur schwer zu imitierendes technologisches Know-how, das durch hohe Aufwendungen für Forschung und Entwicklung immer weiter verbessert und verfeinert wird.

Wirtschaft und Politik können mit Mut Probleme lösen

Weltuntergangsstimmung ist also fehl am Platze, aber noch weniger zufriedenes Zurücklehnen. Denn die Herausforderungen durch den technologischen Wandel sind in ihrer Wucht nicht geringer einzuschätzen als die drei großen Herausforderungen der deutsche Wirtschaftspolitik in den vergangenen drei Jahrzehnten: das wirtschaftliche Meistern der Deutschen Einheit im Jahr 1990, die Überwindung der Wachstumsschwäche nach der Jahrtausendwende durch die Agenda 2010 und die Bekämpfung der Folgen der globalen Finanzkrise vor etwas mehr als zehn Jahren.

Wenn diese drei Beispiele ein Narrativ eint, dann ist es der Mut, mit dem Wirtschaft und Politik Probleme lösen konnten, immer mit besonderem Augenmerk auf die Berücksichtigung der Interessen von Arbeit und Kapital. Dieser Mut und das Vertrauen darauf, große Herausforderungen meistern zu können, sollten inspirieren und Zuversicht schaffen, auch den technologischen Wandel erfolgreich gestalten zu können.

Das ist in erster Linie die Aufgabe der Unternehmen, aber natürlich ist auch die Politik gefordert: Erstens müssen die Unternehmenssteuern reformiert und gesenkt werden. Eine Möglichkeit ist die beschleunigte Abschreibung für Forschungsaufwendungen.

Zweitens müssen die Anstrengungen für Bildung und Weiterbildung deutlich verstärkt werden. Drittens muss der Ausbau des Kapitalmarkts energisch vorangebracht werden, gerade für die Finanzierung junger, wachstumsstarker Unternehmen mit hohem anfänglichem Risiko.

An die Stelle einer Debatte über die Frage, ob Deutschlands Wirtschaft dem Untergang geweiht sei oder vor einem weiteren Aufschwung stehe, sollte also ein Narrativ des Mutes zu entschiedenem Handeln stehen. Dieser Mut würde Deutschland helfen, nach den drei großen Herausforderungen der vergangenen drei Jahrzehnte nun auch die vierte Herkulesaufgabe kraftvoll anzugehen.