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Wirtschaft warnt vor „Lord Voldemort“ der Grünen

Mancher CDU-Grande liebäugelt mit Schwarz-Grün im Bund. Doch Wirtschaftsvertretern wird da schon jetzt angst und bange. Vor allem Ex-Bundestagsfraktionschef Jürgen Trittin gilt als der große Wirtschaftsschreck.

Für viele Grünen-Delegierte dürfte der Parteitag in Münster vor wenigen Wochen streckenweise einem Deja-vu-Erlebnis gleichgekommen sein. Wie schon vor der Bundestagswahl 2013 stritten auch diesmal dieselben Partei-Granden um dieselben Themen. Während der Ober-Linke Jürgen Trittin die Einführung einer Vermögenssteuer beschwor, lehnte Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann diese ebenso vehement ab. Vor vier Jahren setzte sich Trittin mit seiner Forderung nach Steuererhöhungen gegen ihn durch. Und auch diesmal gab es keine Mehrheit für Kretschmann.

Diese Entwicklung ist auch manchem Wirtschaftsvertreter nicht verborgen geblieben. Umso lauter wird deshalb aus dieser Richtung vor einem möglichen schwarz-grünen Regierungsbündnis im Bund gewarnt. Zwar war -Chefin und Bundeskanzlerin Angela Merkel schon auf Distanz zu den Grünen gegangen, indem sie kürzlich erklärte, die Partei sei „kein bevorzugter Partner“. Und vor allem die schloss diese Koalitionsoption kategorisch aus. Doch führende Christdemokraten halten vor derlei Ausschließeritis nichts.

„Schon nach der letzten Bundestagswahl ist Schwarz-Grün nicht an der Union gescheitert“, sagte der stellvertretende Vorsitzende der Bundes-CDU, Thomas Strobl, dem Handelsblatt. Der letzte Bundesparteitag der Grünen sei zwar „nicht hilfreich“ gewesen, „aber ich gehe davon aus, dass sich auch die Bundes-Grünen nicht hinter den Beschlüssen von Münster einmauern“, fügte Strobl hinzu.

Auch die -Bundesvorsitzende Julia Klöckner sieht unter bestimmten Voraussetzungen die Grünen als Koalitionspartner. „Die Frage ist bei den Grünen, welcher Flügel sich durchsetzt“, sagte Klöckner dem Handelsblatt. Die Union mache sich aber „nicht extra für einen Koalitionspartner in irgendeiner Weise hübsch“, fügte sie hinzu. Nach der Wahl werde man sehen, „was der Wähler uns aufgibt“. Als Koalitionspartner schloss Klöckner nur die AfD und die aus.

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Der CDU-Politiker Strobl lobte die gemeinsame Regierungskoalition mit den Grünen in Baden-Württemberg. Strobl ist dort Innenminister und Vize-Ministerpräsident. „Wir arbeiten im Südwesten sehr gut zusammen“, sagte Strobl. „In unserer Koalition kriegen wir – wenn ich zum Beispiel an den Bereich der Inneren Sicherheit denke – gemeinsam Dinge hin, die in anderen Koalitionen nicht oder nur schwer möglich wären.“

Die CDU sei die Koalition im Land „aus Verantwortung für Baden-Württemberg“ eingegangen, „nicht als Modell für Berlin“, betonte Strobl. Er sagte jedoch auch: „Aber ich habe freilich gar nichts dagegen, wenn man auch nach der Bundestagswahl nach Hessen und Baden-Württemberg schaut und sagt: Guck mal, da funktioniert es doch sehr gut, die arbeiten dort ganz erfolgreich.“


„Trittin vergiftet mit Vermögensteuerplänen das Klima im Land“

Der Präsident des Verbands Die Familienunternehmer, Lutz Goebel, warnt hingegen die Union eindringlich vor schwarz-grünen Gedankenspielen. Beim Bundesparteitag der Grünen in Münster hätten „die wirtschaftlich Aufgeklärten“ um Baden-Württembergs Ministerpräsident Kretschmann und Parteichef Cem Özdemir eine „gewaltige Niederlage“ erlitten. „Schlimmer noch: Der Lord Voldemort der linken Szene ist aus den hinteren Bänken der Politik zurück ins Rampenlicht getreten: Jürgen Trittin vergiftet mit seinen Vermögensteuerplänen das Klima im Land“, schreibt Goebel in einem Beitrag für das Handelsblatt.

Offiziell richte sich die Vermögensteuer zwar nur gegen „Superreiche“. „Da aber bei Familienunternehmen der Unternehmer steuerlich nicht von seinem Betrieb getrennt werden kann, wird der Betriebsbewertungsmultiplikator uns in die grüne Vermögensteuer zwingen“, warnt Goebel. „Dass diese Unternehmer-Hetze sehr ernst zu nehmen ist, hat Ministerpräsident Kretschmann sehr klargemacht.“

Scharfe Kritik äußerte Goebel auch daran, dass die Grünen in Münster beschlossen hätten, Tempo und Kosten der Energiewende „kräftig“ zu beschleunigen. „Für uns Unternehmer wird es immer schwieriger, die überlebenswichtigen Innovationszyklen zu finanzieren, weil uns das Geld durch die Energiepolitik entzogen wird“, betonte der Verbandschef. „Hilfesuchend blicken wir zur Partei Ludwig Erhard“, so Goebel weiter. Aber: „Von dort hören wir zunächst nur Schweigen.“ Immerhin gebe die Aussage von Kanzlerin Angela Merkel (CDU), die Grünen seien „kein bevorzugter Partner“ für die Union, Hoffnung, „dass die noch rechtzeitig aufwacht“.

Vielleicht bekämen am Ende des -Parteitages in Essen auch die Unternehmer genügend Orientierung, wie die CDU die Wirtschaftspolitik gestalten wolle. „So könnte die CDU diskutieren, wie sie die Wettbewerbsfähigkeit unserer Volkswirtschaft insgesamt sichern will und welche Freiheiten sie den Unternehmern im harten Kostenwettbewerb lässt“, schlug Goebel vor. „Ein völlig planwirtschaftlicher Klimaschutz, der sogar für alle Wirtschaftssektoren die technischen Lösungen vorschreibt, ist sicher nicht die Perspektive für privates Unternehmertum.“

Es reiche zudem nicht, die Wirtschaft mit der Hoffnung auf billiges Öl, einen niedrigen Euro und geringe Zinsen zu beruhigen. Auf diese Eckpfeiler habe die Bundesregierung keinen Einfluss. „Wir wollen konkret wissen, wofür die Volkspartei CDU sich einsetzen, wofür sie in Koalitionsverhandlungen kämpfen und mit welchen Überzeugungen sie vielleicht die nächste Regierung anführen wird.


„Angst der großen Lobby-Verbände vor den Grünen ist berechtigt“

Führende Grüne wiesen die Vorbehalte scharf zurück. „Offensichtlich ist manchen Verbänden Ideologie wichtiger als die Interessen ihrer Mitgliedsunternehmen zu vertreten“, sagte Grünen-Chef Cem Özdemir dem Handelsblatt mit Blick auf Warnungen des Familienunternehmer-Verbandes. Viele Unternehmen seien längst weiter und entwickelten hochinnovative, ökologisch nachhaltige Produkte und sähen die „ökologische Modernisierung nicht als Problem, sondern als Chance“.

Schon nach der letzten Bundestagswahl hätten sich viele Wirtschaftsverbände für eine Große Koalition ausgesprochen. „Heute leiden ihre Mitgliedsunternehmen unter den Kosten und Folgen der Rente mit 63, der Mütterrente, des verschleppten Ausbaus der Stromtrassen und einer Digitalisierung im Schneckentempo“, so Özdemir. Die Verbände sollten daher „selbstkritisch ihre Positionen überdenken und ihre Scheu vor einer ökologischen Marktwirtschaft ablegen“.

Die Vize-Chefin der Grünen-Bundestagsfraktion, Kerstin Andreae, sieht den Gegenwind aus der Wirtschaft als Chance für die Grünen. „Bei ökologischem Wirtschaften können wir in der nächsten Wahlperiode viel erreichen und zwar mit Gewinn für Firmen und Jobs“, sagte Andreae dem Handelsblatt. „Es wird Zeit, dass diese Botschaft in der öffentlichen Debatte ankommt.“ Sie erinnerte daran, dass die Wachstumszahlen im Bereich der Umwelttechnologien „einschlägig“ seien. „Und die Manager in den Unternehmen wissen, dass sie bei Ressourcenverbrauch und Emissionen besser werden müssen.“ Das liege aber weniger an grüner Politik, sondern daran, wie exponiert wichtige Handelspartner wie China und Indien auf umweltfreundliche Produkte drängten.

Der Sprecher des Realo-Flügels der Grünen-Bundestagsfraktion, Dieter Janecek, lehnt indes einen wirtschaftsfreundlichen Kurs im Fall eines möglichen schwarz-grünen Regierungsbündnisses im Bund strikt ab. „Die Angst der großen Lobby-Verbände ist berechtigt, denn mit den Grünen in der Regierung würden sie in ihrer Fortschrittsverweigerung zum Beispiel beim Thema Elektromobilität ernsthaft herausgefordert“, sagte Janecek dem Handelsblatt. „Eine Bundesregierung unter grüner Beteiligung würde einen klaren verlässlichen Rahmen setzen für die konsequente Umsetzung der Energiewende und den Ausstieg aus dem fossilen Verbrennungsmotor. Und sehr große Vermögen würden zum Wohle des Mittelstands endlich ihren gerechten Beitrag zum Gemeinwesen leisten.“

Das alles sei „gut für neue Jobs und fairen Wettbewerb am Standort Deutschland und schlecht für die verkrusteten Machtkartell“, fügte der wirtschaftspolitische der Grünen-Bundestagsfraktion hinzu.

Noch ist allerdings lange nichts entschieden. Der Bundestagswahlkampf kommt auch gerade erst richtig in Gang und damit auch das Spiel mit den Farben und der Frage, was davon wohl regierungstauglich wäre: Schwarz-Rot, Rot-Rot-Grün, Schwarz-Grün oder gar Schwarz-Grün-Gelb? Geht es nach aktuellen Umfragen, dann haben die Bundesbürger eine klare Vorstellung davon, wie die künftige Regierung aussehen sollte.

So ergab eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Emnid für das Nachrichtenmagazin „Focus“, dass jeder dritte Deutsche eine Fortsetzung der Großen Koalition wünscht. Danach plädieren 35 Prozent für die Fortführung des Bündnisses aus Union und . 28 Prozent wünschen sich eine rot-rot-grüne Koalition, und nur 22 Prozent sind für Schwarz-Grün. Emnid befragte am 29. und 30. November 2016 insgesamt 1004 Personen.

KONTEXT

Merkel und die CDU - Zahlen und Fakten

Parteivorsitz

Die in der DDR aufgewachsene Politikerin wurde im April 2000 in Essen nach CDU-Angaben mit 95,94 Prozent der Delegiertenstimmen zum ersten Mal zur CDU-Vorsitzenden gewählt. Seitdem wurde sie sieben Mal in dem Amt bestätigt. Am schlechtesten schnitt sie 2004 auf dem Parteitag in Düsseldorf mit 88,41 Prozent ab, am besten 2012 in Hannover mit 97,94 Prozent.

Mitgliederentwicklung

Die Mitgliederzahlen gehen bei der CDU ebenso wie bei der anderen großen Partei SPD seit Jahren zurück. Der Mitgliederstand der SPD fiel 2008 unter den der CDU. Seitdem hat mal die eine, mal die andere Partei die Nase vorn - wobei die Schwesterparteien CDU und CSU zusammen stets vor der SPD liegen. Derzeit hat die CDU etwa 435.000 Mitglieder, bei den Sozialdemokraten sind es rund 445.000.

Bundestagswahlen

Merkel stand seit 2002 an der Spitze der CDU/CSU-Fraktion, die unter ihrer Führung nach der Bundestagswahl 2005 erstmals seit 1998 wieder stärkste Fraktion wurde. Bei der Wahl 2013 verpasste die Union nur knapp die absolute Mehrheit der Sitze im Bundestag.

Kanzlerin

Am 22. November 2005 wurde Merkel zur ersten deutschen Bundeskanzlerin ernannt. Sie führte zunächst eine Koalition von Union und SPD, dann von 2009 bis 2013 ein schwarz-gelbes Bündnis und seitdem wieder eine schwarz-rote Regierung.

Bundespräsidenten

Zweimal gaben während Merkels Amtszeit von ihr mit ausgesuchte Bundespräsidenten vorzeitig auf: 2010 Horst Köhler und 2012 nach knapp 20 Monaten sein Nachfolger Christian Wulff. Den nun scheidenden Präsidenten Joachim Gauck brachten zuerst SPD und Grüne ins Gespräch, bevor sich Merkel anschloss. Den nun von der großen Koalition nominierten Nachfolgekandidaten, Außenminister Frank-Walter Steinmeier, hat die SPD durchgesetzt.

KONTEXT

Grüne und Linke

GESCHICHTE

Der westdeutsche Zweig der Linken, die Wahlalternative WASG, wurde 2005 auch aus Protest gegen die SPD gegründet - unter anderem von ehemaligen SPD-Mitgliedern, die mit der unter dem damaligen SPD-Kanzler Gerhard Schröder beschlossene Agenda 2010 nicht einverstanden waren. Prominentester Vertreter: der ehemalige SPD-Chef Oskar Lafontaine, der dann das WASG-Bündnis mit der PDS schmiedete.

AUSSENPOLITIK

Hier liegen die deutlichsten konkreten Unterschiede. Die Linke lehnt Bundeswehreinsätze im Ausland weiter ab und wirft der Regierung eine "Militarisierung" der Außenpolitik vor. Selbst die friedliebenden Grünen finden das realitätsfern: "Was nicht gehen wird, ist, dass die Bundesrepublik Deutschland außenpolitisch eine Abenteuertour macht", sagt Parteichef Cem Özdemir.

SOZIALES

Die Linken fordern eine komplette Revision der Agenda 2020 - die SPD will hier korrigieren, aber nicht rückabwickeln. Der Linken-Kurs ist teuer und passt zu ihrer Geschichte (siehe erster Punkt). Forderungen im Einzelnen: ein Rentenniveau von 53 Prozent und eine sanktionsfreie Mindestsicherung.

RHETORIK

Linke-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht sieht die SPD als Teil eines "neoliberalen Parteienkartells". Dieses mache eine Politik, "die dem Raubtierkapitalismus freie Bahn geschaffen hat, die den Sozialstaat zerstört hat". Folgerichtig sieht es zumindest die prominente Frontfrau der Linken als Aufgabe ihrer Partei an, eine klare Oppositionspolitik in Politik und Gesellschaft zu machen.