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Wirtschaft fordert von Bundesregierung mehr Einsatz für Freihandel

Mit der EU-Ratspräsidentschaft übernimmt Deutschland zusätzliche Verantwortung in der Handelspolitik. Der DIHK hat eine Wunschliste mit Änderungen verfasst.

Nach Vorstellung der deutschen Wirtschaft soll die Bundesregierung die deutsche EU-Ratspräsidentschaft nutzen, um Handelsabkommen voranzutreiben.   Foto: dpa
Nach Vorstellung der deutschen Wirtschaft soll die Bundesregierung die deutsche EU-Ratspräsidentschaft nutzen, um Handelsabkommen voranzutreiben. Foto: dpa

Die deutsche Wirtschaft setzt darauf, dass die Bundesregierung während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft wichtige Weichenstellungen in der Handelspolitik vornimmt. „Diese wichtige Rolle als Impulsgeber der EU-Handelspolitik sollte Deutschland gerade in Zeiten der Coronakrise zur globalen Aufrechterhaltung und Öffnung der Märkte ambitioniert ausfüllen“, heißt es in einem Positionspapier des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK).

In Deutschland hängt jeder vierte Arbeitsplatz am Export. Die hochinternationalisierte Wirtschaft sei auf offene Märkte und gute Regeln für Handel und Investitionen angewiesen, betont der DIHK. Entsprechend liest sich die Wunschliste des Wirtschaftsverbandes, was die Bundesregierung vorantreiben soll, wenn sie Anfang Juli die EU-Ratspräsidentschaft übernimmt.

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Ganz oben steht die Abwehr von Protektionismus. In der Coronakrise seien „viele handelshemmende Maßnahmen hinzugekommen“, schreibt der DIHK. „Protektionismus, besonders in Form von Zöllen und Lokalisierungszwängen, gilt es zurückzuweisen und zeitlich befristete Maßnahmen schnellstmöglich wieder abzubauen.“ Gerade der Welthandel mit Gesundheitsprodukten sollte ohne Zölle und andere Hemmnisse gestaltet werden.

Allerdings gibt es auch in der Bundesregierung Bestrebungen, sich unabhängiger von einzelnen Ländern und Lieferanten zu machen. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will die Pharmaindustrie durch Anreize und Vorgaben dazu bringen, wichtige Wirkstoffe auch wieder in der EU herzustellen.

Wirtschaftsminister Peter Altmaier drängt darauf, auch in anderen wichtigen Sektoren die Wertschöpfungsketten zu diversifizieren. Es gehe nicht um eine Absage an die Globalisierung, sondern darum, dass „wir einseitige Abhängigkeit vermeiden und internationale Lieferketten stärker diversifizieren müssen“, sagte der CDU-Politiker.

EU-Impuls für Modernisierung der Welthandelsorganisation

Um den Freihandel zu bewahren, will Altmaier die Reform der Welthandelsorganisation (WTO) vorantreiben. Nach der Rücktrittsankündigung von Generaldirektor Roberto Azevedo muss ein Nachfolger für die Genfer Organisation gefunden werden.

Altmaier misst der Personalie größte Bedeutung bei: Aus seiner Sicht muss ein weltweit anerkannter und durchsetzungsstarker Nachfolger gefunden werden, um die WTO zu retten. Die Organisation ist wegen des Konsenszwangs unter ihren 164 Mitgliedern kaum noch handlungsfähig, der wichtige Schlichtungsmechanismus für Handelsstreitigkeiten ist durch die US-Regierung blockiert. Die EU-Staaten diskutieren derzeit hinter geschlossenen Türen, ob sie einen gemeinsamen Kandidaten ins Rennen schicken. Unter anderem hat Handelskommissar Phil Hogan Interesse angemeldet.

Auch der DIHK fordert, dass sich die EU für eine Reform der WTO einsetzt. Zweit Drittel der außereuropäischen Exporte deutscher Unternehmen würden auf den WTO-Regeln beruhen. Der DIHK sieht diese gefährdet, da die USA die Streitschlichtung durch die WTO zur Disposition gestellt haben. „Nötig ist daher ein ehrgeiziger EU-Impuls für die WTO-Modernisierung sowie eine breite Koalition zum Erhalt der Streitschlichtung“, heißt es in dem Papier.

„Top-Priorität“ soll die Ratifizierung des Handelsabkommens zwischen der EU und den Mercosur-Staaten sein, fordert der DIHK. Gegen die Ratifizierung des ausgehandelten Vertrages gibt es erhebliche Widerstände, etwa in Österreich und den Niederlanden.

Umweltschützer argumentieren, Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro dürfe nicht mit Einfuhrerleichterungen für das Abholzen des Regenwaldes belohnt werden. Altmaier ist aber wie die EU-Kommission der Ansicht, über das Mercosur-Abkommen eher Einfluss auf Bolsonaro ausüben zu können als ohne. Ein Scheitern nutze überdies nur anderen Handelsmächten wie den USA und China.

Hoffnung auf verbesserte Beziehungen

Im Handelsstreit zwischen der EU und den USA hofft der DIHK auf Entspannung. Auch Altmaier möchte die Streitigkeiten mit Washington entschärfen. Die WTO dürfte im Juli entscheiden, in welcher Höhe die EU die US-Subventionen für den Flugzeugbauer Boeing vergelten darf. Präsident Donald Trump hatte bereits im Oktober Strafzölle gegen Airbus und andere europäische Exporteure verhängt. Zudem drohte der US-Präsident im Wahlkampf zuletzt wieder mit Autozöllen.

Der DIHK fordert in seinem Papier zudem, die Beziehungen zu China neu zu regeln. „Die deutsche Ratspräsidentschaft sollte auch für das Vorantreiben der Verhandlungen zu einem bilateralen Investitionsschutzabkommen genutzt werden“, fordert der DIHK. Ziele des Abkommens sollten unter anderem die Stärkung von Rechtssicherheit und stabile Rahmenbedingungen für Handel und Investitionen sein.

Unfreiwillig ganz nach oben rücken auf der deutschen EU-Agenda dürfte der Brexit: In Berlin wird damit gerechnet, dass die Verhandlungen mit Großbritannien über die Wirtschaftsbeziehungen nach dem anstehenden Austritt aus Binnenmarkt und Zollunion nach der Sommerpause viel politische Aufmerksamkeit binden werden – die Gespräche kommen bislang kaum voran. Bis Ende Oktober müsste ein Abkommen stehen und bis Jahresende ratifiziert werden. Sonst drohen ab dem 1. Januar 2021 Verwerfungen in Handel und Fertigungsketten.

Für die deutsche Wirtschaft ein Horrorszenario. Für die Unternehmen sei es wichtig, den EU-Binnenmarkt zu schützen und Planungssicherheit in den Handelsbeziehungen zu erhalten, schreibt der DIHK in seinem Papier. Das Vereinigte Königreich sei „ein zu wichtiger handelspolitischer Partner und Wettbewerber für ein Schmalspurabkommen“.

Mehr: EU-Ratspräsident Michel ist beim Kampf um Kompromisse zu defensiv, meint Handelsblatt-Korrespondentin Ruth Berschens.