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Wirecard wächst unter Schmerzen

Der Begriff „Wachstumsunternehmen“ wird bei Wirecard sehr unterschiedlich interpretiert. Geht es um die Steigerungsraten bei Umsatz und Gewinn, dann nimmt das Management um Vorstandschef Markus Braun dies gerne als Auszeichnung für ein Geschäftsmodell, das es so bislang in Deutschland nicht gegeben hat. Waren doch in den vergangenen Jahren Steigerungsraten von 30 bis 40 Prozent an der Tagesordnung.

Braun sagt aber auch, wie kürzlich bei der Präsentation der Bilanz: „Wir sind ein Wachstumsunternehmen und machen Fehler. Auch ich.“ Dann dient der Begriff als Entschuldigung, dass intern manches nicht so perfekt läuft, wie das Anleger eigentlich von einem Dax-Wert erwarten dürften.

Was der langjährige Chef damit meint, ist offensichtlich. Ab Ende Januar hatte die „Financial Times“ mehrere Geschichten veröffentlicht, in denen es um schwere Vorwürfe wie Betrug, Geldwäsche und Kontomanipulation in der wichtigen Niederlassung in Singapur ging. Die ist für das Geschäft in 13 Ländern in Asien zuständig. Die mit der Aufarbeitung des Falls beauftragte Wirtschaftskanzlei Rajah & Tann hatte anschließend zwar Fehlverhalten festgestellt, die Summen an Fehlbuchungen und falscher Bilanzierung fielen indes geringer aus, als viele Aktionäre befürchtet hatten.

Umsatz seit 2013 vervierfacht

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Seither versucht Wirecard den Blick bewusst nach vorn zu richten. Überproportional soll künftig in die Qualität der internen Prozesse investiert werden. Manches stammt dort noch aus der Zeit, als man ein Fintech war. Seit Ende September ist ‧Wirecard aber Dax-Unternehmen und hat damit die Commerzbank aus der ersten Börsenliga verdrängt.

Bei Wirecard hat sich der Umsatz seit 2013 vervierfacht. Allein im vergangenen Jahr hat der Zahlungsdienstleister aus Aschheim im Münchener Osten dreimal die Gewinnprognose nach oben geschraubt. Das Interesse der Börsianer ist angesichts solcher Zahlen rasant gestiegen.

Ein Gewinn von 560,5 Millionen Euro vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) stand damit für 2018 zu Buche. Das waren zwar gut acht Millionen Euro weniger als noch bei der Präsentation der vorläufigen Zahlen Ende Januar. Die Differenz ist weitgehend für Berater geflossen, die mit der Aufarbeitung der Vorfälle in Fernost beschäftigt waren.

Um 36,6 Prozent hat damit das Ebitda im vergangenen Jahr zugelegt. 35,4 Prozent waren es beim Umsatz, der auf 2,0162 Milliarden Euro anzog. In dieser Größenordnung soll es weitergehen. Für dieses Jahr hat Finanzvorstand Alexander von Knoop Anfang Mai die Gewinnprognose auf eine Spanne von 760 bis 810 Millionen Euro angehoben. Es wäre erneut ein Plus von 35 bis fast 45 Prozent im Vergleich zu 2018. Bislang war man von einer Spanne zwischen 740 und 800 Millionen Euro ausgegangen.

Beim detaillierten Blick auf die insgesamt drei Geschäftsbereiche fällt jedoch schnell auf, wo Wirecard besonders viel Geld verdient. Im mit Abstand größten Geschäftsfeld Payment Processing & Risk Management, kurz PP & RM, geht es um Produkte und Dienstleistungen zur Akzeptanz, Durchführung und Verarbeitung von elektronischen Zahlungsvorgängen und die damit verbundenen Prozesse.

In der Praxis sind das Terminals und Akzeptanzstellen für das bargeldlose Bezahlen sowie Sprachanwendungen wie Alexa. Künftig dürften Innovationen wie Gesichts- und Iris-Erkennung oder Kassen-Scanner gleich am Supermarktregal wichtiger werden. Wirecard stellt hier die Technik und garantiert, dass alles funktioniert. Oft ohne dass der eigene Name nach außen in Erscheinung tritt.

Der Bereich ist damit der mit Abstand größte Wachstumstreiber. Im vergangenen Jahr stieg der Umsatz im Segment PP & RM um 39 Prozent auf 1,4799 Milliarden Euro. Damit trug das Geschäftsfeld fast drei Viertel zum Gesamtumsatz bei. Noch höher ist der Anteil am Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen. Der ist im Jahr 2018 um über 49 Prozent auf 481,3 Millionen Euro angewachsen.

Fast 86 Prozent trägt PP & RM damit zum Gesamtgewinn bei. Den deutlich kleineren Geschäftsbereich Acquiring & Issuing (A & I) betrachtet man bei Wirecard als Komplettierung und Erweiterung des Angebots. Beim Acquiring übernimmt Wirecard für Händler die Abrechnung von Kreditkartenumsätzen bei Online- und Terminalzahlungen. Über Konten bei der Wirecard Bank können die Kunden zudem ihren Zahlungsverkehr in verschiedenen Währungen abwickeln lassen.

Die Issuing-Seite wendet sich dagegen direkt an den Endkunden, der hierüber Prepaid- oder Debitkarten erhält. Privatkunden nutzen die Karten ebenso wie Unternehmen, die ihre Mitarbeiter beispielsweise im Außendienst oder auf Geschäftsreisen damit versorgen.

Auch im Segment A & I ist der Umsatz 2018 deutlich gewachsen. Um fast 25 Prozent hat der Umsatz auf 609,3 Millionen Euro angezogen. Das Ebitda ist dabei jedoch um 7,7 Prozent auf 79,9 Millionen Euro zurückgegangen. Ursache war eine spürbare Korrektur auf der Issuing-Seite. Bei den Endkunden ist der Gewinn im Vergleich zu 2017 von 44,7 Millionen Euro auf 37,3 Millionen Euro gefallen.

Callcenter als Erweiterung

Im Acquiring-Bereich zog der Gewinn dagegen von 41,9 Millionen Euro auf 42,6 Millionen Euro leicht an. Eher überschaubar ist bei Wirecard das dritte Segment Call Center & Communication Services (CC & CS). Das Geschäft gilt ebenfalls als Erweiterung des Kerngeschäftes. Vereinfacht ausgedrückt handelt es sich dabei um die Callcenter-Aktivitäten für Kunden.

Unter anderem gehört dazu der Service für die Visa Prepaidkarte mycard2go oder für Orange Cash von der gleichnamigen französischen Telefongesellschaft. Der Umsatz bei CC & CS war im vergangenen Jahr um rund 7,7 Prozent rückläufig, auf überschaubare 9,1 Millionen Euro. Dabei wurde sogar ein leichter Verlust von einer halben Million Euro geschrieben, nachdem es im Vorjahr noch ein Plus von einer Million Euro gab.

Mindestens genauso wichtig wie die reinen Zahlen ist bei Wirecard die Verbesserung der internen Strukturen. Auf der Hauptversammlung am 18. Juni werden die Aktionäre deswegen wichtige strategische Entscheidungen zu fällen haben. Am weitreichendsten ist dabei der geplante Einstieg des japanischen Technologieriesen Softbank bei Wirecard. Dafür sollen die Aktionäre die Ausgabe einer Wandelschuldverschreibung in Höhe von 900 Millionen Euro absegnen.

Diese Anleihe kann Softbank dann nach fünf Jahren in gut 6,9 Millionen Aktien von Wirecard zu einem Preis von 130 Euro wandeln. Das entspricht 5,6 Prozent des Grundkapitals. Dafür soll Softbank Wirecard im Gegenzug beim Markteintritt in Japan und Südkorea unterstützen.

Einen geschäftlichen Zugang erwartet sich Wirecard-Chef Braun auch zu den vielen anderen Unternehmen, die sich bereits im illustren Softbank-Portfolio befinden. Unter anderem gehören dazu die US-Telekommunikationsgesellschaft Sprint, der Fahrdienst Uber oder das deutsche Gebrauchtwagen-Portal Auto 1.

Nebenher hat der Einstieg von Softbank einen vertrauensbildenden Effekt nach der Unruhe zuletzt. Kurz bevor die Japaner im April ihre Absicht kundtaten, hatte die US-Bank Goldman Sachs ihren Anteil an Wirecard über Derivate stark ausgebaut, diesen aber nach einem rasanten Kursanstieg wieder reduziert. Konzernchef und Gründer Markus Braun ist mit seinen 7,05 Prozent weiterhin größter Einzelaktionär.

Neuer Aufsichtsrat

Eine weitreichende Entscheidung in Richtung Zukunft soll auf der Hauptversammlung auch zur Zusammensetzung des Aufsichtsrates fallen. Der bisherige stellvertretende Aufsichtsratschef Alfons Henseler wird nicht mehr kandidieren. Der 75-jährige Ex-Banker gehörte dem Gremium seit dem Jahr 2005 an.

Für ihn soll Thomas Eichelmann nachrücken. Der 54-Jährige war bis zum vergangenen Jahr Chef der Beteiligungsgesellschaft Aton und zwischen 2007 und 2009 Finanz- und Personalvorstand der Deutschen Börse. Da in einem Jahr auch Aufsichtsratschef Wulf Matthias sein Amt zur Verfügung stellt, gilt es als denkbar, dass Eichelmann dann den Vorsitz im Aufsichtsgremium übernimmt.

Eichelmann kann bei erfolgreicher Wahl auf alle Fälle bereits über einen geplanten Aktienrückkauf mitreden, von dem Vorstandschef Braun Anfang Mai zum ersten Mal sprach. In der zweiten Jahreshälfte könnte es dazu kommen. Für Wirecard wäre das eine Premiere, noch nie hatte das gerade mal 20 Jahre alte Unternehmen eigene Aktien erworben. Dass davon gewöhnlich der Börsenkurs profitiert, haben andere Münchener Finanztitel wie Allianz und Munich Re bereits bewiesen.

Mehr:

  • Anastassia Lauterbach hat schon viele Unternehmen beraten. Die Krisen ihres Klienten Wirecard aber stellen sie vor eine besondere Aufgabe.

  • Was die Bilanzen von Deutschlands größten börsennotierten Konzernen verraten, lesen Sie ab Montag in unserem 99-seitigen Dossier.