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Nach Wirecard-Skandal stehen Aufsichtsräte im Fokus: So arbeiten Unternehmens-Aufseher für ein sechsstelliges Gehalt

Der Fall Wirecard (abgebildet ist der Wirecard-Manager Jan Marsalek)
Der Fall Wirecard (abgebildet ist der Wirecard-Manager Jan Marsalek)

Wenn ein Unternehmen gegen die Wand fährt, dann wird es für die Aufsichtsräte ungemütlich. Ein aktuelles Beispiel ist der Zusammenbruch des Zahlungsdienstleisters Wirecard. Schnell stellte sich die Frage: Was haben die Aufseher eigentlich gemacht?

Die Beraterin Tina Kleingarn war von Juni 2016 bis September 2017 Aufsichtsrätin bei Wirecard. Wie dem Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses zu entnehmen ist, sei Kleingarn "mehr und mehr bewusst geworden", dass die Strukturen und die Governance im Unternehmen professionalisiert werden müssten. Sie entschied sich, ihr Mandat niederzulegen. „Trotz der damaligen Erfolgsgeschichte des Unternehmens wollte ich diese Governance nicht verantworten", sagte Kleingarn im Untersuchungsausschuss. Außerdem hätte sie sich im Aufsichtsrat mehr Konfliktbereitschaft gewünscht.

Professionalisierung und mehr Unabhängigkeit

Kleingarns Äußerungen werfen ein Schlaglicht auf die Arbeitsweise eines Gremiums, das meistens im Verborgenen agiert, aber maßgeblich am Erfolg eines Unternehmens beteiligt ist. Und sie wecken Rufe nach Reformen. So forderte etwa die FDP im Oktober 2020, dass in den Aufsichtsräten mehr Professionalisierung und Unabhängigkeit geben muss. „Zumindest die Funktion des Aufsichtsratsvorsitzenden sollte im Hauptamt ausgeübt werden. Zudem sollte der Aufsichtsrat über eigene Mittel bzw. ein eigenes Budget, insbesondere zur Begleitung der Abschlussprüfung, verfügen."

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Wir beantworten die wichtigsten Fragen und fokussieren uns dabei auf die Aufsichtsräte in den großen, kapitalmarktorientierten Unternehmen.

Wie wird man überhaupt Aufsichtsrat?

Die Mitglieder des Aufsichtsrats werden von der Hauptversammlung gewählt. In Deutschland ist durch das Mitbestimmungsgesetz aber geregelt, dass bei Aktiengesellschaften mit mehr als 2000 Beschäftigten, gleich viele Vertreter der Anteilseigner und Arbeitnehmer vertreten sein müssen. Die Vertreter der Arbeitnehmer werden von den Mitarbeitern des Unternehmens gewählt.

Im Aktiengesetz ist unter anderem festgelegt, wie sich ein Aufsichtsrat zusammensetzt, welche Aufgaben und Rechte er hat und wie er vergütet wird. Außerdem gibt es den Deutschen Corporate Governance Kodex, ein Instrument der Selbstregulierung der deutschen Wirtschaft. Eine Regierungskommission, deren Mitglieder vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz berufen wird, formuliert darin Standards und überprüft diese jährlich. Die Mitglieder sind Vertreter aus Vorständen und Aufsichtsräten sowie deren Stakeholder.

Welche Aufgaben hat ein Aufsichtsrat?

Der Aufsichtsrat hat die Geschäftsführung zu überwachen, heißt es im Aktiengesetz. Außerdem legt der Aufsichtsrat die Vergütung des Vorstands fest. „Doch bevor der Aufsichtsrat den Vorstand kontrolliert, sucht er ihn erstmal aus“, sagt Henning Hönsch vom Beratungsunternehmen PwC. Als Jurist und Wirtschaftsprüfer arbeitet Hönsch mit Aufsichtsräten zusammen. Sein Kollege, Martin Kaspar ist Wirtschaftsjurist und erklärt die besondere Rolle der Aufseher, wenn es um die Prüfung der Jahresabschlüsse geht. „Bei der Rechnungslegung ist es so, dass es dem Aufsichtsrat angesichts der Zeit und des Umfangs gar nicht möglich ist, alles im Detail zu prüfen“, sagt Kaspar. Für diese Aufgabe nehmen sich die Aufseher die Abschlussprüfer. „Sie sind der verlängerte Arm des Aufsichtsrats“, sagt Kaspar.

Neben der Kontrolle und kritischen Begleitung der Vorstände beraten Aufsichtsräte das Unternehmen zu strategischen Fragen.

Wie kann der Aufsichtsrat den Vorstand bestmöglich kontrollieren?

„Die Kernfrage für einen Aufsichtsrat ist: Welche Informationen bekomme ich und wie kann ich auf Basis dieser Informationen meiner Kontrollpflicht nachkommen?“, sagt Martin Kaspar von PwC.

Professor Michael Wolff ist Inhaber des Lehrstuhls für Management und Controlling an der Universität Göttingen und beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der Arbeit von Aufsichtsräten. Sie müssen die Kunst des kritischen Nachfragens beherrschen glaubt der Wissenschaftler.

Der Vorstand sei grundsätzlich immer besser informiert und könne seine Strategien stets brillant vorstellen. „Da müssen die Aufsichtsräte in die Lücken pieksen“, sagt Wolff. Er rate den Aufsichtsräten, bei Strategie-Präsentationen auf die Annahmen zu achten, die sich häufig in den Fußnoten versteckten. „Wenn der Vorstand seine Annahmen offenlegt, dann hat der Aufsichtsrat die Möglichkeit, zu überprüfen, ob diese realistisch sind“, sagt Wolff.

Welche Kompetenzen sollte ein Aufsichtsrat haben?

Wolff sieht als erste wesentliche Anforderung Fachexpertise: „Aufsichtsräte brauchen ein grundlegendes Verständnis davon, was in einer Bilanz und einer Gewinn- und Verlustrechnung steht“, sagt der Professor. Die zweite Anforderung sei Unabhängigkeit. Er sehe es kritisch, wenn ehemalige Vorstände direkt in den Vorsitz des Aufsichtsrats wechseln. „Ein ehemaliger Vorstand ist nicht unabhängig. Wenn es nach mir geht, sollte ein ehemaliger Vorstand niemals Aufsichtsratsvorsitzender werden“, sagt Wolff. Er sehe aber auch den Vorteil, dass ein ehemaliger Vorstand „das Unternehmen in- und auswendig kennt“.

Henning Hönsch von PwC feuert neben der Expertise eine ganze Reihe von Eigenschaften ab: „Rückgrat, Integrität und auch die Bereitschaft, für seine Überzeugung aufzustehen. Unabhängigkeit. Wirtschaftlich nicht abhängig vom Mandat zu sein.“ Ein Aufsichtsrat müsse reflektiert, strukturiert und kritikfähig sein. Aber auch entscheidungsstark. „Was ein Aufsichtsrat sicherlich nicht braucht, sind einfache Abnicker“, sagt Hönsch.

„Wenn man einen diversen Aufsichtsrat hat, mit unabhängigen Köpfen, die gewisse Kompetenzen haben und auch noch Zeit mitbringen, dann ist das der perfekte Aufsichtsrat“, sagt Wolff. Diversität verstehe er multidimensional. „Da geht es nicht nur um Mann oder Frau, sondern auch um andere Aspekte wie Internationalität oder beruflicher Background", sagt Wolff. Die Aufsichtsräte in Dax-Unternehmen seien immer noch sehr national geprägt. „Das ist absurd, wenn man sich deren Geschäftsmodelle ansieht“, sagt Wolff. Außerdem seien „noch zu viele klassische Management-Karrieren vertreten“. Es fehlten Personen, „die eine andere Perspektive reinbringen“.

Wie viele Mandate sollte ein Aufsichtsrat haben?

Die Arbeit von Aufsichtsräten hat sich geändert, die Anzahl der Sitzungen haben zugenommen. Früher habe sich der Aufsichtsrat für gewöhnlich viermal im Jahr getroffen. Heute seien acht bis zwölf Sitzungen nicht unüblich. „Früher hatte ein Aufsichtsrat auch mal neun oder zehn Mandate plus eine aktive Vorstandsrolle, was völlig absurd ist“, sagt Wolff. „Die Intensität der Auseinandersetzung mit der Tätigkeit der Vorstände ist enorm gestiegen“, sagt PwC-Experte Hönsch.

Vor allem internationale Investoren hätten dafür gesorgt, dass heute nur noch zwei bis drei Mandate üblich sind. Im Deutschen Corporate Governance Kodex heißt es, ein Aufsichtsratsmitglied, das keinem Vorstand einer börsennotierten Gesellschaft angehöre, solle nicht mehr als fünf Aufsichtsratsmandate haben – wobei ein Aufsichtsratsvorsitz doppelt zählen würde. Vorstände sollten nicht mehr als zwei Mandate haben – und keinen Aufsichtsratsvorsitz wahrnehmen.

Im Gespräch mit Business Insider sagte die Aufsichtsrätin Fränzi Kühne (Freenet AG und Württembergische Versicherung AG) kürzlich: „Dass man in Deutschland fünf Aufsichtsratsmandate haben darf, da frage ich mich schon, ist das überhaupt zu schaffen?“ Marie-Christine Ostermann (Fielmann AG) sagte: „Ich habe immer gesagt, dass ich nicht mehr als zwei Mandate machen möchte und auch nicht kann, weil ich operativ ein Familienunternehmen leite.“

Was verdient ein Aufsichtsrat?

Laut einer Studie des Beratungsunternehmens „hkp group“ wurden die Aufsichtsratsvorsitzenden der Dax-Konzerne 2020 durchschnittlich mit 416.000 Euro vergütet. Spitzenreiter im Jahr 2020 war der Aufsichtsratsvorsitzende von Volkswagen, Hans Dieter Pötsch. Laut der Studie betrug seine Gesamtvergütung 900.000 Euro. Gefolgt wird Spitzenverdiener Pötsch von Paul Achleitner (Deutsche Bank, 802.083 Euro), Wolfgang Reitzle (Linde, 678.929 Euro), Jim Hagemann Snabe (Siemens, 632.000 Euro) und Norbert Reithofer (BMW, 610.000 Euro).

Am unteren Ende des Rankings finden sich die Aufsichtsratsvorsitzenden von Delivery Hero (Martin Enderle, 214.000 Euro) und Infineon (Wolfgang Eder, 210.000). Schlusslicht ist der mittlerweile in den M-Dax abgestiegene Konsumgüterkonzern Beiersdorf, dessen Aufsichtsratsvorsitzender, Reinhard Pöllath, im vergangenen Jahr mit rund 202.000 Euro vergütet wurde.

Ein einfaches Mitglied des Aufsichtsrats wurde 2019 laut einer Studie der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz im Schnitt mit 112.000 Euro vergütet.

Welche Risiken hat ein Aufsichtsrat?

Aus § 117 im Aktiengesetz ergibt sich eine Schadensersatzpflicht für Aufsichtsräte, wenn diese ihre Pflichten verletzt haben. „Ich glaube, dass ganz viele Aufsichtsräte erheblichen Respekt vor dem Schaden haben, der ihnen entsteht, wenn sie einen Fehler machen. Da ist der Druck, dass Schadensersatz gefordert werden kann, aber auch der potentielle Reputations-Schaden“, sagt Henning Hönsch von PwC.