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Wirecard-Skandal: Bundestagsausschuss ist nur bedingt untersuchungstauglich

Der parlamentarische Untersuchungsausschuss nimmt seine Arbeit auf. Doch vieles, was schon vor 2015 zu dem Skandal führte, dürfte wohl endgültig ungeklärt bleiben.

Hat die Finanzaufsicht Bafin ordnungsgemäß gearbeitet? Das ist eine der Fragen, denen der Untersuchungsausschuss nachgeht. Foto: dpa
Hat die Finanzaufsicht Bafin ordnungsgemäß gearbeitet? Das ist eine der Fragen, denen der Untersuchungsausschuss nachgeht. Foto: dpa

Olaf Scholz gab sich entschlossen. „Es gibt nur eine einzige Vorgehensweise: voran, nichts verbergen, aktiv an der Spitze der Aufklärung stehen und dafür sorgen, dass alle Sachen geklärt werden“, (ver-)sprach der Bundesfinanzminister in die TV-Kameras. Es war Ende Juli, und nicht nur Anleger und Investoren fragten sich, wie es zu einem der größten Wirtschaftsskandale der bundesdeutschen Geschichte kommen konnte.

Erstmals war ein Dax-Konzern in die Insolvenz gerutscht – der Finanzdienstleister Wirecard –, gestürzt über wohl milliardenschwere Luftbuchungen. Die Staatsanwaltschaft vermutet dahinter einen jahrelangen bandenmäßigen Betrug.

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Ab diesem Donnerstag befasst sich neben den Staatsanwälten auch ein Bundestags-Untersuchungsausschuss mit dem Fall. Er soll bis Juni 2021 klären, was die Bundesregierung und ihre Behörden über Verdachtsmomente bei Wirecard wussten, ob sie ihren Aufsichts- und Kontrollpflichten nachgekommen sind. Seit wann lagen Hinweise auf mögliche Bilanzfälschung, Geldwäsche oder andere kriminelle Aktivitäten gegen Wirecard und Geschäftspartner vor, und sind sie ordnungsgemäß überprüft worden?

Geklärt werden soll dann auch, ob die Finanzaufsicht Bafin „etwaiges strafbares und/oder manipulatives Handeln erkannt hat oder früher hätte erkennen können, und welche Maßnahmen sie ergriffen hat oder hätte ergreifen können“. Und auch der Frage, welche Verbindungen Geheimdienste zu Wirecard hatten, soll nachgegangen werden.

Große Aufgaben, die, so könnte man meinen, nun aber nicht mit voller Kraft angegangen werden. Es ist nur das eine, das ausschließlich die Oppositionsparteien Grüne, FDP und Linke den Ausschuss beantragten. Und CDU und SPD sich in der Abstimmung darüber enthielten.

Entscheidender ist, dass der Ausschuss nun mit neun anstelle der ursprünglich 18 Mitglieder auskommen muss. „Mehr Mitglieder hätten uns beim Aktenstudium entlastet. Das wäre bei einem so komplexen Thema angemessen. Die Koalition wollte dort offenbar Sand ins Getriebe streuen“, kommentiert Fabio De Masi, einer der Initiatoren des Ausschusses und stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Partei Die Linke.

Florian Toncar, finanzpolitischer Sprecher der FDP und ebenfalls Mitglied des Wirecard-Untersuchungsausschusses, bemerkt: „Das lässt die Ankündigung der Regierung, bei der Aufklärung aktiv mithelfen zu wollen, als Lippenbekenntnis erscheinen.“

Fragen wirft indes auch der Umstand auf, dass das Gremium überhaupt nur die Jahre nach 2014 untersuchen wird. Dabei gibt es genügend Verdachtsmomente, dass Betrügereien bei Wirecard schon deutlich vorher begannen. Womöglich wäre es zu dem Desaster gar nicht gekommen, wenn man den mutmaßlichen Betrug durch Eingreifen begrenzt hätte.

„Voran, nichts verbergen“ – wie kommt es also, dass nun wohl doch manches im Dunkeln bleiben dürfte?

Untersuchungen auf die Zeit ab 2015 begrenzt

„Man muss den Zeitraum eingrenzen. Wir haben ja nur bis zum Ende der Legislaturperiode Zeit. Sonst hätte die Koalition Gelegenheit, uns mit Beweisanträgen zu überhäufen, die nur mittelbar etwas mit der Klärung des Sachverhalts zu tun haben“, kommentiert De Masi. „Wir mussten daher einen Zeitraum wählen, in dem wir sicher waren, etwas zu finden.“

Florian Toncar betont: „Der Untersuchungszeitraum orientiert sich an den Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft, die zu diesem Zeitpunkt davon ausgeht, dass die Marktmanipulation bei Wirecard im Jahr 2015 begann.“

Tatsächlich verkündete die Staatsanwaltschaft Ende Juli, dass die Beschuldigten 2015 übereinkamen, die „Bilanzsumme und das Umsatzvolumen der Wirecard AG durch das Vortäuschen von Einnahmen aus Geschäften aufzublähen“. Die Beschuldigten, das sind der in Untersuchungshaft sitzende, langjährige Wirecard-Chef Markus Braun, der die Vorwürfe zurückweist, der flüchtige frühere Vorstand Jan Marselek sowie weitere Ex-Manager.

Konkrete Hinweise auf etwaige systematische kriminelle Aktivitäten bei Wirecard gab es aber schon weit früher. Konkret waren es im Jahr 2010 Hinweise darauf, dass Wirecard-Verantwortliche Zahlungen für illegale Glücksspielanbieter in den USA abwickelten und sie offiziell als Transaktionen für die Blumen- und Floristikbranche deklarierten, indem sie die Zahlungen umcodierten.

Im Internet kursierte ein Schreiben des US-Kreditkartenkonzerns Mastercard, in dem er Wirecard eine Strafzahlung wegen illegaler Transaktionen von Umsätzen aus der Online-Glücksspielindustrie androhte. Zunächst gab es Zweifel an der Echtheit des Schreibens.

Bei der Staatsanwaltschaft näherte man sich der Sache nur vorsichtig. Man erwog, Mastercard zu kontaktieren, um den Vorwürfen gegen Wirecard auf den Grund zu gehen. Doch am Ende verzichtete man. „Es ist zu befürchten, dass eine Anfrage publik werden könnte“, vermerkte ein Staatsanwalt damals. 2012 stellt man die Ermittlungen ein. Später gab eine Sprecherin an, dass ein Tatnachweis nicht zu führen war.

Fragt man heute bei der Staatsanwaltschaft München dazu nach, ob sie diesen Vorwürfen im Licht heutiger Erkenntnisse zum Gesamtgebilde Wirecard erneut nachgeht, fällt die Antwort kurz aus: „Im Fokus der Ermittlungen steht der Zeitraum ab 2015, da Vorgänge davor bereits verjährt sind.“ Ältere Verfahren würden auch nicht wieder aufgenommen, teilt eine Sprecherin mit.

Bafin führte zwei Geldwäsche-Sonderprüfungen durch

Und die Bafin? Auch ihr lagen die Informationen seinerzeit vor. War sie ähnlich zurückhaltend in ihrem Engagement wie die Staatsanwaltschaft, bzw. was unternahm sie? Eine Anzeige und die darin geäußerten Geldwäsche-Vorwürfe habe man zum Anlass für eine Sonderprüfung der Wirecard Bank genommen, teilt eine Sprecherin mit. „Die Behebung der festgestellten Mängel haben wir engmaschig überwacht. Das Institut wurde zur zeitnahen Beseitigung der Mängel aufgefordert, verbunden mit einem regelmäßigen Reporting in Bezug auf die Abarbeitung“, so die Sprecherin. Eine zweite geldwäscherechtliche Sonderprüfung im Herbst 2011 habe dann ergeben, dass die in 2010 festgestellten Mängel im Wesentlichen abgestellt wurden.

Hinweise auf Marktmanipulationen durch Wirecard-Verantwortliche habe man ebenfalls untersucht, „Anhaltspunkte dafür ließen sich aber zum damaligen Zeitpunkt nicht feststellen“, so die Bafin heute. Im Übrigen verweist auch sie darauf, dass mögliche Taten heute verjährt sind.

So muss mancher Wirecard-Verantwortliche von damals keine Verfolgung mehr befürchten. Aber für manchen Wirecard-Anleger hat all dies Folgen. Ansprüche aus den Jahren vor 2015 sind kaum erfolgversprechend geltend zu machen.

Das zeigt sich aktuell in Arrestverfahren gegen Ex-Wirecard-Verantwortliche. Während zahlreiche Privatanleger ab dem Jahr 2015 erfolgreich Arreste in Millionenhöhe etwa bei dem derzeit in Untersuchungshaft sitzenden Ex-CEO Markus Braun durchsetzten, schlugen Versuche für die Jahre davor fehl. Ein Arrestanspruch könne nicht schlüssig dargelegt werden, so das ablehnende Landgericht. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft beträfen den Zeitraum ab 2015.

Vieles von dem, was vorher war, wird daher wohl niemals geklärt. Auch nicht durch den Untersuchungsausschuss.