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Wirecard wird voraussichtlich in Einzelteilen verkauft

Bisher sind außer der Muttergesellschaft aus Aschheim bei München kaum Tochterfirmen in die Insolvenz gegangen. Foto: dpa

Laut Insolvenzverwalter Jaffé steht der Konzern vor der Zerschlagung. Zu den Interessenten gehören unter anderem Finanzinvestoren und konkurrierende Zahlungsabwickler.

Zumindest für Teile des insolventen Zahlungsabwicklers Wirecard gibt es Interessenten. „Es haben sich bereits eine Vielzahl von Investoren aus aller Welt gemeldet, die Interesse am Erwerb des Kerngeschäfts (oder) der davon unabhängigen und eigenständig erfolgreich am Markt agierenden Geschäftsbereiche haben“, teilte Wirecard-Insolvenzverwalter Michael Jaffé am Dienstagabend nach einer Sitzung des Gläubigerausschusses mit.

Die Gläubiger hätten dabei auch grünes Licht für die Mandatierung von spezialisierten Investmentbanken gegeben, die sich um den Verkauf der einzelnen Firmenteile kümmern sollen, erklärte der Insolvenzverwalter.

Zu den Kaufinteressenten zählen nach Informationen des Handelsblatts unter anderem der französische Zahlungsabwickler Worldline und der dänische Konkurrent Nets. Worldline und Nets wollten das nicht kommentieren. Auch Finanzinvestoren sollen zu den Kaufinteressenten gehören, berichtet die Nachrichtenagentur Reuters.

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Wie ernsthaft das Interesse anderer Zahlungsabwickler ist, ist offen. Worldline muss aktuell eine große Übernahme stemmen, übernimmt den Wettbewerber Ingenico für fast acht Milliarden Euro. Die beiden Unternehmen werden damit zu einem der größten Zahlungsdienstleister weltweit. Ingenico ist über ein Gemeinschaftsunternehmen mit den deutschen Sparkassen in Deutschland aktiv.

Nicht interessiert zeigt sich der niederländische Wettbewerber Adyen. Er betont stets, dass er grundsätzlich keine Zukäufe tätigt und vielmehr aus eigener Kraft wachsen will. Seine Aktie erklomm vergangene Woche ein weiteres Rekordhoch.

Geschäftsbetrieb soll stabilisiert werden

Derweil hat sich US-Tochter Wirecard North America bereits am Dienstag zum Verkauf gestellt. Wirecard hatte die ehemalige Citi Prepaid Card Services 2016 übernommen. Bisher sind außer der Muttergesellschaft aus Aschheim bei München kaum Tochterfirmen in die Insolvenz gegangen. Die Verkaufserlöse kämen damit den Gläubigern der Wirecard AG zugute.

Auch die deutsche Wirecard Bank ist bisher nicht insolvent, die Finanzaufsicht Bafin hat dort einen Sonderbeauftragten bestellt, damit kein Geld an die Wirecard AG abfließt. „Auszahlungen an Händler und Kunden der Wirecard Bank werden ohne Einschränkungen ausgeführt“, betonte Jaffe.

„Vordringlichstes Ziel im vorläufigen Insolvenzverfahren ist es, den Geschäftsbetrieb der Konzerngesellschaften zu stabilisieren“, erklärte der Insolvenzverwalter. Das gelte für die Abwicklung von Kreditkartenzahlungen – etwa für Visa und Mastercard – und für alle übrigen, davon unabhängigen Geschäftsbereiche. „Dazu werden intensive Gespräche mit Kunden, Handelspartnern und den Kreditkartenorganisationen geführt.“ Weitere Insolvenzanträge seien aber nicht auszuschließen.

Dem Insolvenzverwalter bleibt wenig Zeit

Viele Beschäftigte hoffen, dass es für Teile des Konzerns eine Zukunft gibt – etwa das profitable US-Geschäft, die Herausgabe und Akzeptanz von Kreditkarten oder die Wirecard Bank, die viele Finanztechnologie-Start-ups zu ihren Kunden zählt. Noch kurz vor der Insolvenz waren entsprechende Businesspläne erarbeitet worden, damals noch mit Blick auf die Gläubigerbanken. Jaffé hat sich aus früheren Mandaten einen Ruf erarbeitet, profitable Unternehmensteile schnell zu identifizieren und zu verwerten.

Viel Zeit bleibt ihm jedoch nicht. „Der Insolvenzverwalter muss binnen drei Monaten eine Lösung finden, da in dieser Zeit noch das Insolvenzausfallgeld bezahlt wird. Andernfalls droht die Liquidation des Unternehmens“, sagt Volker Brühl, Geschäftsführer des Center for Financial Studies der Frankfurter Goethe-Universität.

Brühl hält es für ein schwieriges Unterfangen, große Teile Wirecards zu retten. „Einen Käufer für den Gesamtkonzern wird man nicht finden. Möglich ist eine sogenannte übertragende Sanierung. Hat der Insolvenzverwalter einen interessierten Käufer an der Hand und weiß genau, welche Teile dieser herauslösen und übernehmen will, dann kann er für diese Teile eine neue Gesellschaft gründen, die von Altschulden und Klagerisiken befreit ist. Für die verbundenen Mitarbeiter wäre dies die zukunftsträchtigste Lösung“, erklärt Brühl.

Transaktionsvolumen angeblich deutlich geringer

Welche Teile Wirecards wirklich werthaltig sind und welche nicht, ist nun die entscheidende Frage. Wie die britische Zeitung „Financial Times“ (FT) am Dienstag berichtete, sollen im ersten Halbjahr 2017 rund 100 Kunden für die Hälfte des globalen Umsatzes verantwortlich gewesen sein. Insgesamt soll Wirecard laut internen Dokumenten im Oktober 2017 rund 107.000 Kunden geführt haben. Offiziell hatte der Konzern 2017 von 33.000 großen und mittleren und 170.000 kleinen Händlern gesprochen.

Auch soll nur ein Transaktionsvolumen von 18 Milliarden Euro abgewickelt worden sein, im Unterschied zu den offiziell berichteten 37,9 Milliarden Euro. Der reale, aus diesen Geschäftsbeziehungen resultierende Umsatz hätte demnach nur bei 292 Millionen Euro gelegen, im Gegensatz zu den berichteten 616 Millionen Euro. Zu den größten Kunden gehörten laut FT die Fluggesellschaft Wizz Air und die Onlinebank Monzo, aber auch die halbseidenen zypriotischen Onlinebroker Rodeler und Hoch Capital. Lukrativ war für Wirecard demnach ein Portfolio an Pornoseiten-Kunden mit Margen von rund 15 Prozent.

Sollte die Darstellung stimmen, wäre bereits 2017 die Hälfte des Wirecard-Geschäfts nicht existent gewesen – und die Bedeutung umstrittener Partner größer als gedacht. Der Anwalt des gegen Kaution auf freien Fuß gesetzten früheren CEO Markus Braun erklärte, die FT-Darstellung sei für seinen Klienten „unverständlich“ und „völlig aus dem Kontext“ gerissen.

Bei der Wirecard-Aktie hat die vage Hoffnung einiger Anleger auf einen Verkauf des Unternehmens bereits viel Bewegung gesorgt. Nach dem Kurseinbruch um rund 99 Prozent auf rund 1 Euro binnen weniger Tage hatten sich Wirecard-Papiere zuletzt ein klein wenig auf 5,73 Euro erholt. Insolvenzspezialist Volker Beissenhirtz warnte allerdings gegenüber dem Finanznachrichtendienst Bloomberg, dass der Kursanstieg von spekulativen Investoren und nicht von den Fundamentaldaten getrieben sei.

Mit Material von Reuters.