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Wirecard-Chef Markus Braun: Visionär unter Druck

Der Wirecard-Chef hat die Zukunft im Blick, muss sich aber seit über einem Jahr vor allem mit der Vergangenheit beschäftigen. Nun kämpft er um seinen Ruf und den seines Konzerns.

Markus Braun ist in München nie dauerhaft angekommen. Fast jeden Freitag setzt sich der Vorstandschef von Wirecard ins Auto. Das Ziel: seine Geburtsstadt Wien, wo auch seine Familie samt kleiner Tochter lebt.

Wer den Wirecard-Chef bei offiziellen Anlässen trifft, erlebt keinen Manager, der väterliche Wärme ausstrahlt, sondern einen kühlen Strategen. Braun trägt gern Schwarz, Rollkragenpullover, Sakko, randlose Brille. Das Nachrichtenmagazin „Spiegel“ nannte ihn einen „Typ, der automatisch Distanz schafft“.

Dabei kann der Österreicher durchaus begeistern, wenn er von seinen Themen spricht. Braun offenbart dabei eine Weitsicht, die vielen deutschen Konzernlenkern abgeht. Er preist die Macht des Fortschritts, spricht auf großen Podien ohne Manuskript: „Ich bewege mich lieber frei.“

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„Die Digitalisierung ist eine unglaubliche Chance!“, ruft Braun dann dem alten Deutschland der Sparkässler und Schraubenhändler entgegen. Er blicke optimistischer in die Zukunft als die Mehrheit, sagt er. Das Internet biete „den niedrigstschwelligen Zugang zu Wissen, den wir jemals hatten“. Und die Verarbeitung großer Datenmengen erlaube immer genauere Prognosen.

Brauns Ziel ist klar: Aus einer gescheiterten New-Economy-Bude, deren CEO er 2002 wurde, wollte er das nach SAP zweite global erfolgreiche deutsche Technologieunternehmen schmieden. Wie die Business-Software von SAP ist auch Wirecards Angebot staubtrocken – Zahlungsabwicklung ist ein Thema für Connaisseurs, nicht für Kinderträume. Brauns weitsichtige Strategie, auf das Ende des Bargelds zu setzen, ging auf: Wirecard schickt heute digitales Geld rund um die Welt, hat den Aktienkurs vervielfacht, wächst Jahr für Jahr um 30 Prozent.

Distanz und Neuerfindung

Braun, 51 Jahre alt, hat manches mit seinen Vorbildern, Apple-Gründer Steve Jobs etwa, gemein: Der Wirecard-Chef ist im Kern ein Libertärer, glaubt an den freien Willen, die Segnungen der Technik und des Marktes. Seine Zukunftsvisionen schwanken, wie oft bei großen Ideen, zwischen „genial und Bullshit“, wie ein Wirecard-Manager sagt.

In mancher Hinsicht ist Braun auch schwierig. Einige Weggefährten schreiben ihm einen „autistischen Zug“ zu. Im Konzern sei er kaum greifbar, moniert ein Insider. Zu Meetings komme er nicht hinzu, einzelne Mitarbeiter spreche er nicht an und frage sie nicht nach ihrer Meinung. Manche Führungskraft hat den Chef in der eigenen Abteilung noch nie zu Gesicht bekommen: „Mit ihm trinkt niemand ein Bierchen.“ Selbst mit engsten Vertrauten war Braun zuletzt vor Jahren privat aus, berichtet ein weiterer Manager.

Nun steht der studierte Wirtschaftsinformatiker, promovierte Sozialwissenschaftler und ehemalige KPMG-Berater vor seiner wohl größten Herausforderung. Zum Verhängnis geworden ist Wirecard ausgerechnet die Start-up-Mentalität, mit der Braun den heutigen Dax-Konzern, an dem er zu sieben Prozent beteiligt ist, zum Erfolg geführt hat. Der CEO hat lange als Alleinherrscher regiert, unterstützt von seinem Vertrauten Jan Marsalek, Österreicher, Organisationsvorstand und Mastermind hinter den nun umstrittenen Asien-Deals.

Was in früheren Jahren schnelle Entscheidungen und noch schnelleres Wachstum ermöglicht hat, wird nun zum Problem: In einer langen Artikelserie erhob die Zeitung „Financial Times“ den gravierenden Vorwurf des Bilanzbetrugs. Short-Investoren spekulieren gegen die Aktie. Ruhe bringen sollte ein Sonderaudit der Wirtschaftsprüfer von KPMG, doch deren Bericht fiel am Dienstag ausgesprochen kritisch aus. Belege für den Vorwurf der Bilanzfälschung fanden sie zwar nicht. Aber Wirecards Rechnungslegung und interne Prozesse kritisieren die Prüfer als chaotisch bis undurchschaubar.

Am Mittwoch forderte die erste prominente Stimme Brauns Abgang: der Hedgefondsmanager Chris Hohn. Sein Appell ist vergiftet, hat Hohn doch selbst gegen Wirecard spekuliert. Nichtsdestotrotz ist die beginnende Debatte ein Warnsignal – auch für den neuen Aufsichtsratschef Thomas Eichelmann.

Noch halten große Investoren zu Braun. „Aufsichtsräte und Aktionäre müssen sich gut überlegen, wie sinnvoll es jetzt ist, Brauns Ablösung zu fordern“, sagt der frühere DWS-Chef und Corporate-Governance-Experte Christian Strenger mit Verweis auf die hohe Geschäftsrelevanz des CEO und größten Aktionärs. Klar sei aber auch: „Braun konnte zu lange de facto allein regieren.“ Neue Vorstände und im Wirecard-Geschäft diskussionsfähige Aufsichtsräte müssten jetzt die überfälligen Systeme und Prozesse einrichten und kontrollieren, damit sich Braun auf die Geschäftsstrategie fokussieren könne, so sein Rat.

Braun hat Wirecard schon einmal neu erfunden. Nun muss er das ein zweites Mal leisten.

Mehr: Der KPMG-Bericht zeigt die Probleme des Konzerns auf, weist aber auch einen Weg aus der Vergangenheit.