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Wirecard-Chef Braun tritt mit sofortiger Wirkung zurück

Plötzlich geht alles ganz schnell: Der langjährige Wirecard-CEO tritt ab. Nachfolger Brauns wird der US-Manager James Freis. Jetzt kommt es auf die Banken an.

Wirecard-Chef Markus Braun tritt mit sofortiger Wirkung zurück. Das teilte der Zahlungsdienstleister am Freitag mit. Zum Interims-CEO wird James Freis berufen, der erst am Donnerstag sein Amt als neuer Compliance-Vorstand angetreten hatte.

Das Desaster an der Börse geht am Freitag für Wirecard weiter: Die im Dax notierten Titel des Zahlungsdienstleisters brachen erneut um fast die Hälfte ein. Nach dem Rücktritt Brauns reagierte der Kurs positiv – die Aktie notierte lediglich noch 35 Prozent im Minus bei 25,93 Euro.

In nur eineinhalb Tagen verlor der im Zentrum eines milliardenschweren Bilanzskandals stehende Konzern gut zehn Milliarden Euro an Wert. Markus Braun hatte noch am Donnerstagabend versucht, den Vertrauensverlust der Anleger zu stoppen: In einer Stellungnahme per Video erklärte er, Wirecard sei womöglich Opfer eines milliardenschweren Betrugs geworden.

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Die Kritik am Vorstandsvorsitzenden von Wirecard war zuletzt immer lauter geworden.

Braun ist zwar nicht der Gründer von Wirecard, aber er prägte den Konzern seit 20 Jahren als CEO und Technologiechef (CTO). Braun, 51 Jahre alt, ist studierter Wirtschaftsinformatiker, promovierter Sozialwissenschaftler und ehemaliger KPMG-Berater. Er stieß zu Wirecard, als das Unternehmen noch als gescheiterte New-Economy-Firma galt und unter anderem Telefonhotlines anbot. Er richtete die Firma, deren CEO er 2002 wurde, in der Folge ganz auf den Wachstumsmarkt Zahlungsabwicklung aus.

„Die Digitalisierung ist eine unglaubliche Chance“, war seine Devise auf zahlreichen Podien. Nach SAP wollte er das zweite global erfolgreiche deutsche Technologieunternehmen schmieden. Wirecard wuchs Jahr für Jahr um 30 Prozent, zog im September 2018 sogar in die oberste Börsenliga, den Dax ein und machte viele Anleger reich.

So erfolgreich Braun war, so umstritten war er auch. Wirecard musste sich unter seiner Führung seit vielen Jahren mit Vorwürfen der Bilanzmanipulation und anderen Unregelmäßigkeiten befassen. Braun wies die Vorwürfe stets zurück: Sie würden von Shortsellern – also Akteuren, die auf einen Kursverfall setzen – bewusst und unrechtmäßig in die Welt gesetzt, um den Aktienkurs in ihrem Sinne zu beeinflussen.

Im Zuge der seit 2019 von der „Financial Times“ erhobenen Vorwürfe stieg der Druck jedoch kontinuierlich an. Braun begegnete ihnen mit der Einsetzung einer KPMG-Sonderprüfung. Die Wirtschaftsprüfer fanden zwar keine Belege für eine Bilanzmanipulation, konnten die Vorwürfe jedoch auch nicht restlos entkräften. Die Deka, die Fondsgesellschaft der Sparkassen, forderte Brauns Rücktritt, auch andere Großinvestoren wie Union Investment gingen auf Distanz.

Banken spielen die Schlüsselrolle für Wirecards Zukunft

Die vierte Verschiebung der Vorlage der Jahreszahlen am Donnerstag, das gravierende Urteil des Jahresprüfers Ernst & Young (EY), der fehlende Belege für einen Betrag von 1,9 Milliarden Euro rügte, und der darauffolgende Aktienkursabsturz haben Braun nun offenbar untragbar gemacht.

Nach Informationen des Handelsblatts war am Donnerstag bereits der wichtige Partner und avisierte Ankerinvestor Softbank auf Distanz zu Braun gegangen – ein gravierender Schritt, hatte die Partnerschaft mit Softbank doch immer als Ausweis von Brauns Weitsicht und strategischem Geschick, aber auch als Beleg für die Solidität seines Unternehmens gegolten.

Auch auch aus Kreisen der Gläubigerbanken von Wirecard heißt es, das Vertrauen in das Top-Management von Wirecard sei stark erschüttert worden. Allerdings sei kein zusätzlicher Druck notwendig gewesen, um Braun zum Rücktritt zu bewegen, dieser Druck sei ohnehin schon groß genug gewesen.

Die Geldhäuser spielen eine Schlüsselrolle, was die Zukunft von Wirecard angeht: Denn am Donnerstag warnte der Zahlungsabwickler, dass Kredite von bis zu zwei Milliarden Euro gekündigt werden könnten, wenn der geprüfte Jahresbericht nicht am heutigen Freitag veröffentlicht würde.

Vor rund zwei Jahren hatte Wirecard mit einem Konsortium aus deutlich mehr als zehn Banken eine bis Juni 2024 laufende sogenannte revolvierende Kreditlinie über 1,75 Milliarden vereinbart. Ein revolvierender Kredit kann bis zu einer vereinbarten Höhe beliebig oft abgerufen werden. Erst am Ende der Vertragslaufzeit muss dass Darlehen inklusive Zinsen zurückgezahlt werden. Als sogenannte Lead Aranger der Kreditlinie fungieren die Commerzbank, die französische Crédit Agricole und die beiden niederländischen Großbanken ABN Amro und ING.

Eine schnelle Kündigung der Kreditlinie scheint allerdings derzeit wenig wahrscheinlich. Die Banken stünden in intensivem Kontakt mit Wirecard und hätten einen strukturierten Prozess gestartet, heißt es in Finanzkreisen. Jetzt gehe es erst einmal darum, sich einen möglichst detaillierten Überblick über die Bilanz und die Finanzlage zu verschaffen.

Prinzipiell sei es in solchen Fällen nicht im Interesse der Banken, Kredite sofort fällig zu stellen. Besser sei es, den Betrieb aufrechtzuerhalten und nach einer konstruktiven Lösung zu suchen. Deshalb seien im Fall von Wirecard Stand jetzt keine Schnellschüsse zu erwarten.

Für die Banken selbst halte sich angesichts der Größe des Konsortiums die Gefahr in überschaubaren Grenzen, hieß es in den Finanzkreisen. Außerdem habe Wirecard nicht die gesamte Kreditlinie gezogen: Daten der Nachrichtgenagentur Bloomberg zufolge stehen noch etwa 800 Millionen Euro zur Verfügung. Das Unternehmen hatte einen Teil der Kreditlinie durch eine Anleiheemission von 500 Millionen Euro im letzten Jahr zurückgezahlt.


Mit Agenturmaterial