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Wie Wirecard-Anleger ihre Verluste noch lindern könnten

Berlin (dpa/tmn) - Es ist einer der größten Wirtschaftsskandale der deutschen Geschichte: die 2020 verschwundenen Wirecard-Milliarden und die daraus resultierende Pleite des einstigen bayerischen Vorzeigeunternehmens.

Für viele Anlegerinnen und Anleger, die in Wertpapiere von Wirecard investiert hatten, bedeutete das den Totalverlust ihrer Einsätze.

Damit ist die Geschichte aber nicht auserzählt. Denn findige Anwaltskanzleien wollen sich nicht damit zufriedengeben, dass das Geld für immer verloren ist. Aufgrund der Insolvenz kann Wirecard selbst zwar nicht mehr erfolgreich belangt werden. Dafür soll nun aber gerichtlich geprüft werden, ob die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young (EY) sich schadenersatzpflichtig gemacht hat. EY hat die mutmaßlich gefälschten Wirecard-Bilanzen jahrelang testiert.

Für Menschen, die Wirecard-Aktien besaßen oder die inzwischen nicht mehr handelbaren Wertpapiere noch immer in ihrem Depot haben, ist der Rechtsweg der letzte Strohhalm, an den sie sich klammern können. Wer jetzt seine Chance verpasst, wird seine Ansprüche nicht mehr geltend machen können. Denn spätestens mit Ablauf des Jahres 2023 verjähren diese. Zwei einfache Möglichkeiten, um doch noch etwas von dem eingesetzten Kapital wiederzusehen:

Möglichkeit 1: Teilnahme am Kapitalanleger-Musterverfahren

Hinter jedem Wirecard-Anleger steckt eine eigene Geschichte, jeder von ihnen hatte andere Beweggründe die Wertpapiere zu kaufen. Und doch ist ihnen allen eines gemein: die spätere Enttäuschung.

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Genau für solche Fälle gibt es das Kapitalanleger-Musterverfahren. Wo viele Geschädigte aus ein und demselben Grund Ansprüche gegen ein und dieselbe Institution richten wollen, bietet es sich an, sämtliche Tatsachen- und Rechtsfragen anhand eines Musterfalls zu klären und sie dann auf gleich gelagerte Fälle zu übertragen. Ein solches Musterverfahren wird es in Sachen Wirecard auch gegen die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY geben.

Wirecard-Geschädigte, die noch keine Klage erhoben haben, können sich der Sammelklage per Anmeldung anschließen. Die Anmeldung muss eine der involvierten Anwaltskanzleien vornehmen. Häufig stellen diese die dafür benötigten Unterlagen online zur Verfügung. Für diesen Schritt bleibt höchstens noch bis zum 18. September 2023 Zeit, dann endet die gesetzliche Anmeldefrist.

Wie das Verfahren ausgeht, ist ungewiss. Rechtsanwalt Wolfgang Schirp, dessen Kanzlei schon mehrere solcher Großverfahren betreut hat, ist aber zuversichtlich: «Wir glauben, dass das Verfahren erfolgreich sein wird», sagt er. «Die Haftung von EY wird rechtsverbindlich festgestellt werden.» Möglich ist aber auch, dass Kläger und Beklagte sich vorzeitig im Rahmen eines Vergleichs einigen oder die Klage scheitert.

Ist die Musterklage erfolgreich, müssten Anhänger des Verfahrens ihre Ansprüche noch mit einer Einzelklage gegen EY durchsetzen, was weiteren Aufwand und zusätzliche Kosten mit sich bringen könnte. Es sei denn, das Unternehmen leistet die Zahlungen freiwillig.

Die Kosten für die Anmeldung zum Musterverfahren sind gesetzlich geregelt. Sie sind abhängig vom Streitwert, in dem Fall also dem Ankaufswert der Wertpapiere samt Erwerbskosten abzüglich möglicher Dividendenzahlungen sowie dem Nettoverkaufserlös. Bei einem Streitwert von bis zu 1000 Euro wären das etwa 137 Euro, bei bis zu 25.000 Euro Streitwert wären es rund 1061 Euro. Den Kostenüberblick können Interessierte in der Regel den Anmeldeunterlagen der gewählten Kanzlei entnehmen.

Wer möchte, kann EY von der Anwaltskanzlei zusätzlich in Verzug setzen lassen - das kostet extra. Der Vorteil: Der mögliche Schadenersatz wird dann auch noch verzinst - mit fünf Prozent über dem Basiszinssatz. Je nach Dauer des Verfahrens kann sich das finanziell lohnen.

Möglichkeit 2: Teilnahme am Stiftungsmodell

Die zweite Option ist die Beteiligung an der von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) unterstützten Stiftungsvariante. Grundlage ist auch hier eine Sammelklage. Parallel soll aber eine eigens dafür eingerichtete niederländische Stiftung versuchen, eine kollektive Schadenersatzlösung mit EY zu treffen.

Wer sich dieser Variante anschließen möchte, muss sich dafür über ein Onlineportal anmelden, auf das die DSW auf ihrer Homepage verweist. Hier müssen Interessierte schnell sein - die Anmeldemöglichkeit gilt zunächst nur bis zum 31. Mai 2023.

Wird ein erfolgreicher Vergleich zwischen Stiftung und EY geschlossen, brauchen angemeldete Geschädigte nichts weiter zu tun, als auf den Geldeingang auf ihrem Konto zu warten. Kommt kein Vergleich zustande, würden die Ansprüche weiterhin klageweise verfolgt, sagt DSW-Hauptgeschäftsführer Marc Tüngler. «Die Stiftung wird über den weiteren Verlauf des Prozesses und der Verhandlungen regelmäßig informieren.»

Der Vorteil des Verfahrens ist, dass er für Anlegerinnen und Anleger zunächst kostenfrei ist. Sämtliche Gerichts- und Anwaltskosten trägt ein Prozessfinanzierer. Aber: Im Erfolgsfall müssen beteiligte Anlegerinnen und Anleger 25 Prozent des erstrittenen Schadenersatzes an den Prozessfinanzierer abgeben.

Einordnung der Möglichkeiten

«Wir können keine Prognose abgeben, auf welchem Weg nachher mehr Schadenersatz rausgeholt werden kann», sagt Susanne Götz von der Verbraucherzentrale Bayern. Ob überhaupt, müssen die Gerichte entscheiden. Auf eine pauschale Empfehlung, welche Möglichkeit für wen besser geeignet ist, verzichtet die Verbraucherschützerin nicht nur aus diesem Grund. Sie findet, dass das eine individuelle Entscheidung ist, die von vielen Faktoren abhängt - etwa Zeit, Kosten, Aufwand und Erfolgsaussichten.

Susanne Götz weist darauf hin, dass manche Rechtsschutzversicherungen für die Kosten an der Beteiligung des Musterverfahrens aufkommen. Erfahrungsgemäß seien solche Verfahren aber «zähe Geschichten», weil Unterlagen angefordert und viele Sachverständige angehört würden. Dafür gebe es mit Musterklagen bereits zahlreiche Erfahrungen, während man sich mit der Stiftungslösung auf relativ unbekanntes Terrain begebe.

Die Stiftungslösung könnte im Gegenzug in Sachen Schnelligkeit die Nase vorn haben. Noch dazu ist sie zunächst kostenfrei und mit relativ wenig Aufwand verbunden. Dass sie am Ende - wegen der Erfolgsbeteiligung des Prozessfinanzierers - aber wirklich günstiger kommt, ist nicht gesagt.

Susanne Götz empfiehlt in jedem Fall aktiv zu werden. «Es ist die einzige Chance, noch mal einen Schadenersatzanspruch durchzusetzen», sagt sie. Eine rechtzeitige Anmeldung bei einer der beiden Varianten stoppt den Lauf der Verjährung. «Wer noch lange wartet, hat seine Chance vertan.»

Egal wofür sich Verbraucherinnen und Verbraucher am Ende entscheiden: Sie können in jedem Fall schon einmal beginnen, ihre Kauf- und Verkaufsbelege der Wirecard-Wertpapiere herauszusuchen - denn diese werden in beiden Fällen benötigt.