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Homeoffice: Wir schaffen das – aber nicht bis August

Chefreporterin Tanja Kewes berichtet aus dem Homeoffice – mit drei kleinen Kindern und Ehemann. Es ist der private Stresstest schlechthin mit lustigen und nachdenklichen Momenten.

Sie ist nun endlich auch eine von uns: Angela Merkel ist nun im Homeoffice angekommen. Sie hat sich Sonntagabend freiwillig in häusliche Quarantäne begeben, nachdem ein Arzt positiv auf das Virus getestet worden ist, der sie am Freitag noch prophylaktisch gegen Pneumokokken geimpft hatte.

Damit lebt und arbeitet die Bundeskanzlerin jetzt also wie die meisten von uns. Eingesperrt in den eigenen vier Wänden, wahrscheinlich in ihrer Wohnung in Berlin-Mitte nahe dem Pergamon-Museum, rotierend zwischen Familie, Hausarbeit und Arbeit, 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche, mindestens die nächsten zwei Wochen lang.

Es ist dies vielleicht eine besondere Qualität dieser Krise, dass die Eliten aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft genauso betroffen sind wie der Rest der Republik, das gemeine Volk. Das Virus macht keinen Unterschied. Ja, vielleicht sind die sogenannten besseren Kreise sogar überproportional infiziert – Vielfliegerei, Konferenzen und Skiurlaub seien Undank.

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Und auch die Folgen der Viruskrise sind für Oben und Unten ähnlich fatal – körperlich, wenn man, warum auch immer, keinen leichten Krankheitsverlauf hat und auf die ärztliche Versorgung angewiesen ist, und auch finanziell. Was den einen die Kurzarbeit die Ersparnisse kostet, kostet den anderen die abstürzenden Aktienkurse das Vermögen.

Na, und deswegen sage ich: Herzlich willkommen im Homeoffice, Frau Bundeskanzlerin! Ich bin mir sicher: Sie finden sicherlich so schnell wie wir den richtigen Umgang mit sich, Ihren technischen Gerätschaften und Ihrem Mann. Aber dennoch, vielleicht darf ich Ihnen – mit einer Woche Erfahrungsvorsprung im Homeoffice – einige goldene Regeln mitgeben.

Erstens: Lassen Sie die Stummtaste beim Telefon-Konferenzen grundsätzlich gedrückt. Lösen Sie sie nur kurz, bevor Sie sich zu Wort melden, und setzen Sie sie danach sofort wieder. Es ist für alle Beteiligten unglaublich nervig, wenn das Plätschern von Getränken, das Heulen von Sirenen, das Klappern von Straßenbahnen, das Geknatsche von Kindern zu hören ist. Dann versteht keiner mehr irgendetwas.

Gerade Kinder brüllen einfach los, auch wenn du ihnen 30 Sekunden vorher gesagt hast und sie vielleicht sogar mit einem Lolli bestochen hast, jetzt bitte mal fünf Minuten ruhig zu sein. Ich weiß, wovon ich spreche...

Sie glauben nicht, was unser Sechsjähriger seinem vierjährigen Bruder zubrüllte, während ich im Sonntagsdienst mit meiner Kollegin telefonierte und ein Meinungsthema diskutierte? Er brüllte: „Ich habe den Penis gefunden!“ Er aß gerade zu Mittag einen Hähnchenschenkel, und deutete ein schlankes Stück Fleisch so. Ich war sprachlos, die Kollegin am anderen Ende der Leitung hat lange gelacht…

Zweitens: Bedenken Sie Ihren Hintergrund bei Videokonferenzen. Dreckige Küche, halbangezogene Familienmitglieder, gehamsterte Klopapierrollen sind peinlich und lassen tief (ins Privatleben und die Psychologie) blicken.

Drittens: Arbeiten Sie nicht auf den letzten Drücker. Das System, in dem Sie gerade arbeiten, kann jederzeit hängen, stottern oder kollabieren. Planen Sie deshalb zeitliche Puffer ein.

Viertens: Machen Sie mit Ihrem Partner, Ihrer Familie einen Stunden- und Wochenplan. Sonst kommen Sie sich ins Gehege, und der Lagerkoller bricht schneller aus, als Sie denken.

Fünftens: Planen Sie Pausen und Feierabend ein, sonst werden Sie verrückt oder sind nach einer Woche fix und alle. Gerade das Homeoffice verleitet dazu, ständig zu arbeiten, kurz Arbeit und Freizeit nicht mehr ordentlich zu trennen. Und: Versuchen Sie nicht Erwerbs- mit Hausarbeit zu vermischen. Nachher ist meist nichts richtig erledigt, sprich die Wäsche schlecht gebügelt, die Rede schlecht formuliert.

Sechstens: Lassen Sie sich nicht gehen. Schon der Ihnen noch gut bekannte Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki saß eigener Aussage zufolge stets im Anzug, Hemd und Krawatte an der Schreibmaschine zuhause. Und von Karl Lagerfeld ist das Bonmot überliefert: „Wer Jogginghosen trägt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren!“

Siebtens: Auch an einen privaten Arbeitsplatz sollte man sich nicht krank setzen. Hier stecken Sie zwar keinen an, doch Sie gefährden grundlegend Ihre eigene Gesundheit.

Achtens: Ernähren Sie sich bitte nicht ausschließlich von Süßigkeiten, Kaffee und Alkohol. Das macht alles nur noch schlimmer. Essen Sie auch nicht nur kalt. Kochen Sie sich einmal täglich ein warmes Essen.

Neuntens: Lassen Sie nicht verrückt machen. Was nicht geht, geht nicht. Das gilt in der derzeitigen Ausnahmesituation mehr denn je.

Zehntens: Sie können nicht nicht kommunizieren. Wählen Sie Ihre Worte, den Anlass Ihrer Reden und die Inbrunst, mit der Sie sprechen, deshalb bitte noch genauer als sonst schon. Und es gilt mehr denn je: Der Ton macht die Musik. Wenn Mimik und Gestik fehlen ist verbal alles zu sagen und auszudrücken.

So, wenn Sie und wir alle das die nächsten zwei Wochen beherzigen, dann: Schaffen wir das! Denn dass müssen wir auch. Wir können uns und unser Land nicht weitere Wochen oder Monate einsperren. Ich glaube nicht, dass dieses Social Distancing noch viel länger gut geht. Das kann keine neue Normalität sein.

Im Unterschied zu mir haben Sie ja keine kleinen Kinder, die beschult und bespaßt werden müssen. Sie haben deshalb wahrscheinlich zuhause viel Zeit zum Nachdenken. Ich hoffe deshalb sehr, es fällt Ihnen in Ihrer Quarantäne etwas Schlaues ein, wie wir diese Extremsituation meistern können. Virologen können auf Dauer kein Land führen.

Allein dieses Homeschooling geht auf lange Sicht nicht. Wir haben hier „nur“ einen Erstklässler sitzen und sind nur pädagogisch überfordert. Wenn ich mir überlege, ich müsste jetzt einem Zehntklässler in Physik oder Chemie unterrichten, hätte ich zudem noch ein echtes inhaltliches Problem. Sie kämen als Naturwissenschaftlerin wahrscheinlich bei der Gedichtinterpretation ins Schleudern.

Die Bildung unserer Kinder ist ja schließlich unsere wichtigste Zukunftsinvestition. Das hohe Bildungsniveau unserer Gesellschaft unser wichtigstes Gut - gerade auch im internationalen Wettbewerb. Beides sollten wir selbst in dieser historischen, seit dem Zweiten Weltkrieg nicht dagewesenen Krise nicht vergessen.

Ich meine, bisher läuft das Homeschooling gut. Das liegt aber vor allem am persönlichen Einsatz des Personals an unserer Grundschule. Frau Blomüller und ihre Kolleginnen gaben den Kindern direkt am vorerst letzten Schultag ihre Schulbücher mit. (Diese bleiben sonst wegen des Gewichts in der Schule liegen.) Und am vergangenen Freitag war sie noch einmal in der Schule, und verteilte zusätzliche Übungsbücher.

Und nun gibt es digital regelmäßig Nachschub und Anweisungen. Wie angekündigt erhielt unser Sohn am Sonntagabend pünktlich eine Email von seiner Klassenlehrerin. „Frau Blomüller hat wieder neue Aufgaben geschickt“, sagte ich heute Morgen beim Frühstück zu ihm. Und was macht er? Lächelt. Ich glaube, er fühlt sich irgendwie geschmeichelt, dass „seine Lehrerin“ ihm (und natürlich nur ihm) seine Aufgaben nach Hause schickt…

Und selbst der Fußballtrainer hat unser Talent nicht vergessen. Gestern Abend schickte er in die WhatsApp-Gruppe der Eltern eine Motivationsnachricht und einen „Arbeitsauftrag“. „Wir wollen dem Virus ein Schnippchen schlagen. Die Aufgabe diese Woche lautet: ‚Wie der Fußball das Coronavirus besiegt.‘ Es darf gefilmt, gemalt, gekickt, gesungen oder gesprochen werden. Wir freuen uns drauf!“

Und auch für die Kleinen ist gesorgt. Eine wunderschöne Aktion geht gerade via WhatsApp um. Es ist ein Ausmalbild mit einem Regenbogen. Kinder sollen diesen ausmalen, und man hängt dann dieses Kunstwerk in ihre Kinderzimmerfenster. Die Botschaft von Kindern für Kindern und auch alle Erwachsenen: „Wir bleiben zuhause. Alles wird gut“