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Boeing 737 Max steht vor dem Comeback – Was alles geändert wurde

Noch in diesem Jahr könnte die Boeing 737 Max wieder zugelassen werden. Aber ist der Jet nun wirklich so sicher, dass man bedenkenlos einsteigen kann? Die aktuellsten Erkenntnisse.

Den letzten Testflug der US-Luftfahrtaufsicht FAA nahm Behördenchef Steve Dickson vor Kurzem selbst vor. Und er war mit der Boeing 737 Max zufrieden. Auch die europäische Luftfahrtbehörde Easa steht kurz vor der Wiederzulassung des Kurz- und Mittelstreckenjets. Nach den im September durchgeführten Testflügen arbeitet die Easa einem Bericht der Nachrichtenagentur Bloomberg zufolge an einem Entwurf zu einer Flugtüchtigkeits-Richtlinie, der voraussichtlich nächsten Monat veröffentlicht wird. Bis zum Ende des Jahres könnte der Jet in Europa wieder abheben.

Der musste seit März vergangenen Jahres am Boden bleiben, nachdem bei zwei Abstürzen 346 Menschen ums Leben gekommen waren. Eine fehlerhafte Konstruktion soll die Ursache gewesen sein. Nun seien alle Probleme beseitigt, heißt es. Was alles geändert wurde – und was das für die Fluggäste, die Airlines und Boeing selbst bedeutet.

1. Hat man den Fehler wirklich gefunden, der zu den beiden schrecklichen Abstürzen der Boeing-737-Max-Maschinen geführt hat?

Alle Untersuchungsberichte kommen zu einer ähnlichen Einschätzung. Die Abstürze sind auf Fehler in der Steuerungssoftware, eine zu lasche Kontrolle der US-Aufsicht FAA und die mangelhafte Transparenz auf Seiten von Boeing zurückzuführen. Der US-Konzern verschwieg eine wesentliche Änderung in der Software, ein neues System mit dem Namen MCAS. Die Max hat effizientere Triebwerke. Die sind größer, müssen deshalb weiter vorne an den Flügeln montiert werden.

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Der Jet neigt schnell dazu, zu steil aufzusteigen, es droht ein Strömungsabriss. MCAS soll das verhindern, indem das System die Nase des Flugzeugs wieder nach unten drückt. Das hat es aber sehr aggressiv und immer wieder gemacht. Bei den beiden Abstürzen hatte ein fehlerhafter Sensor falsche Daten an das MCAS-System übermittelt, das System steuerte den Jet zu Boden. Die Piloten schafften es nicht gegenzusteuern.

2. Wie konnte es zu diesem gravierenden Fehler kommen?

Zum einen gab es einen großen zeitlichen Druck. Als Airbus mit der modernisierten A320neo vorpreschte und das Flugzeug diverse Bestellungen bekam, geriet Boeing unter Zugzwang. Eilig begann man mit der Modernisierung der 737 NG. Die Hektik dürfte ein Grund für die Fehler bei der Konstruktion gewesen sein.

Mehr zum Thema:

  • Über die Zukunft der Luftfahrt und wie stark sich die Branche verändern wird, haben wir auch in unserem täglich erscheinenden Podcast „Handelsblatt Today“ zusammen mit Handelblatt-Luftfahrtexperte Jens Koenen gesprochen.

Ein zweiter war das Versprechen gegenüber den Airlines, die Max könnte von Piloten der bisherigen 737 NG ohne Schulungen und Simulator-Trainings geflogen werden. Deshalb verschwieg man wohl wichtige Details des MCAS-Systems gegenüber den Behörden. Diese wiederum schauten nicht genau genug hin. Aufgrund von Sparmaßnahmen und Personalmangel hatte die FAA viele Prüfungsaufgaben an den Hersteller, also Boeing selbst, übertragen.

3. Was wurde verändert, dass das Flugzeug nun doch wieder zugelassen werden kann?

Zum einen wurde dem MCAS-System einiges an Macht genommen. Steuert der Pilot zum Beispiel mehrfach gegen, gibt die Software quasi klein bei. Zudem übermitteln nun zwei Sensoren den sogenannten Anstellwinkel des Flugzeugs. Bisher kamen die Daten immer nur von einem der Sensoren. Die Software gleicht die Daten der beiden Sensoren ab, bei Abweichungen schlägt es Alarm. Dieser Alarm ist ebenfalls neu, den gab es bisher nur gegen Aufpreis. Nun gehört er zum Standard.

4. Was wurde sonst noch geändert? Wird das Flugzeug auch anders gebaut?

Nein, die grundsätzliche Konstruktion bleibt, wie sie ist. Die 737 Max war bis zum „Grounding“ im März 2019 bei vielen Fluggesellschaften im Einsatz, so etwa beim Reisekonzern Tui. Dort flog der Jet ohne Probleme.

Allerdings haben die Behörden intensive Schulungen und Simulatoren-Trainings für die Piloten verordnet. Ohne die dürfen Piloten der alten Version 737 NG nun nicht mehr hinter das „Steuer“ der Max.

5. Sind damit wirklich alle Probleme ausgeräumt?

Die grundsätzlichen Fehler sind beseitigt. Allerdings gibt es vonseiten der Behörden und Piloten noch einige Änderungswünsche. Chesley B. Sullenberger, jener Pilot, der vor Jahren ein Verkehrsflugzeug nach einem verheerenden Vogelschlag sicher auf dem Hudson River landete, hat die Max zum Beispiel selbst im Simulator geflogen – und hat einige Anregungen.

So empfiehlt er Boeing, das MCAS-System noch aus einer dritten Quelle mit Daten zu speisen. Airbus etwa nutzt bei der A320 drei Sensoren. Nach Angaben der europäischen Aufsicht Easa hat Boeing bereits zugesagt, das in Zukunft realisieren zu wollen. Wahrscheinlich wird man dazu vorhandene Daten, wie etwa die Geschwindigkeit gegenüber dem Boden, GPS-Daten und weitere Informationen nutzen, mit denen die Software dann den Anstellwinkel berechnet.

Dadurch ist es nicht notwendig, einen dritten Sensor einzubauen. Die Technologie kommt bereits beim Langstreckenjet 787 zum Einsatz und nennt sich dort „Synthetic Airspeed“. Bei der Max hat man aus Kostengründen darauf verzichtet. Ein weiterer Wunsch etwa der Behörden in Kanada ist es, die Flut an Alarmen im Cockpit zu reduzieren. Die führt zu einem großen Stress bei den Piloten und zu Problemen, die wesentlichen Punkte systematisch abzuarbeiten.

6. Ist der Jet dennoch so sicher, dass ich dort einsteigen kann?

Jeder Fluggast kann ohne Bedenken in die Max einsteigen, wenn sie wieder zugelassen ist. Anders als bisher bei Zulassungen von Flugzeugen haben dieses Mal gleich mehrere Aufsichtsbehörden das Flugzeug genauestens unter die Lupe genommen – unter anderem die in den USA, in Europa und in Kanada.

Kein Mitarbeiter dieser Behörden will dafür verantwortlich sein, wenn es doch einen gravierenden Fehler geben sollte. Für die intensive Überprüfung spricht zudem der lange Zeitraum, in dem es ein weltweites Flugverbot für die Max gab. Niemals zuvor musste ein Flugzeug nach entdeckten Fehlern so lange am Boden bleiben.

7. Wird die Max überhaupt abheben, wenn der Luftverkehr wegen der Pandemie fast zum Erliegen gekommen ist?

Es gibt einige Airlines, die auf die Max warten und diese einsetzen wollen. Denn das Flugzeug verspricht eine nicht unerhebliche Treibstoff- und damit Kostenersparnis. So soll etwa Alaska Airlines nach Informationen der Nachrichtenagentur Reuters sogar überlegen, die Bestellung von bisher 32 Max-Typen aufzustocken. Auch die tadschikische Somon Air will die Max nun doch wieder nehmen, nachdem man zunächst erklärt hatte, nichts mehr von dem Flugzeug wissen zu wollen.

8. Gilt das auch für europäische Fluggesellschaften?

Ja, der irische Billiganbieter Ryanair etwa hat 200 Boeing 737-8-200 bestellt. Ryanair will die Krise nutzen, den eigenen Marktanteil auszubauen. Zudem will die Airline mit dem effizienteren Flugzeug die Kosten weiter senken.

Nicht zuletzt dürfte das Management auf kräftige Preisnachlässe hoffen. Die ersten Max sollen Anfang 2021 bei Ryanair eintreffen und dürften dann auch recht schnell abheben. Auch der Reisekonzern Tui wird die Max rasch wieder einsetzen. Der Konzern hat 15 Flugzeuge des Modells. Neue Max-Jets – Tui hat weitere 62 bestellt – werden allerdings jeweils mit zwei Jahren Verzögerung kommen. Auch die deutsche Airline-Tochter Tuifly soll welche bekommen.

9. Was bedeutet die Wiederzulassung für Boeing?

Zunächst kann das Unternehmen die vielen geparkten Flugzeuge umrüsten und an die Kunden übergeben. Wegen der Pandemie wird das aber nicht einfach. Viele Airlines wollen die Flugzeuge erst später oder gar nicht mehr. Nach Berechnungen des Magazins „Aviation Week“ hat Boeing im Orderbuch bereits 564 Max herausgenommen, die storniert wurden.

Darunter sollen auch 62 Flugzeuge sein, die bereits gebaut sind und nun einen neuen Besitzer brauchen. Gleichzeitig muss das Unternehmen trotz der großen wirtschaftlichen Probleme rasch damit beginnen, einen neuen Kurz- und Mittelstreckenjet zu entwickeln. Denn die Max wird kein Erfolgsschlager mehr werden. Und eine neuerliche Modernisierung des in die Jahre gekommen Flugzeugs ist schlicht unmöglich.

10. Kann der Rivale Airbus davon profitieren?

Zum Teil ja. Die nun überarbeitete Max ist nicht mehr der Jet, den die Kunden bestellt haben. Alleine die vorgeschriebenen Schulungen der Piloten verteuern den Einsatz des Flugzeugs deutlich. Das könnte das Konkurrenzmodell von Airbus für einige Boeing-Kunden attraktiver machen.

Boeing könnte also Kunden an Airbus verlieren, zumal auch bei Airbus wegen der Pandemie einige der schon verkauften Flugzeuge nicht abgenommen werden und neue Interessenten willkommen sind. Allerdings muss sich auch Airbus bald um einen Nachfolger für die A320-Familie kümmern. Auch in Toulouse gibt es also Baustellen.