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Die wichtigste Aufgabe nach München

Nein, eine gute Nachricht kann es nicht geben an diesem Tag. Menschen sind nur Stunden zuvor völlig sinnlos gestorben, viele weitere verletzt worden. Und doch macht sich am Tag eins nach dem blutigen Ereignissen so etwas wie Erleichterung breit. Was geschah, war die Tat eines Einzeltäters mit psychischen Problemen, ein Amoklauf, nicht der befürchtete Terroranschlag, auf den zunächst so viel hindeutete.

Und doch zeigen die ersten Reaktionen, was die Terroristen schon angerichtet haben. Nach Paris und Brüssel, nach Nizza und Würzburg scheint es nur eine Frage der Zeit, bis der islamistische Terror in großem Stil auch in Deutschland zuschlägt. Auch deshalb sprach die Münchner Polizei rasch von einer akuten Terrorlage, brach Innenminister de Maizière seine USA-Reise ab, um an der Sitzung des Sicherheitskabinetts in Berlin teilzunehmen. Die Terrorfurcht hat sich bereits so sehr in den Köpfen eingenistet, dass Augenzeugen Täter mit Gewehren gesehen haben wollen, obwohl der Schütze ja nach bisherigem Ermittlungsstand nur eine Pistole bei sich trug, und Schießereien aus Stadtvierteln gemeldet wurden, in denen nichts passierte.

Auch wenn es kein Terrorakt war, so wird man doch nicht so einfach zur Tagesordnung übergehen können. Den Sicherheitskräften ist kaum ein Vorwurf zu machen, die Polizei war rasch mit einem Großaufgebot zur Stelle und hat in ihrer Kommunikation mit der Öffentlichkeit besonnen reagiert. Der Täter war nie zuvor polizeilich in Erscheinung getreten und stand in keiner Gefährder- oder Straftäterkartei.

Aber andere Fragen drängen sich auf. Wie kommt ein 18-Jähriger an eine Pistole mit Hunderten Schuss Munition? Zum Glück kann man in Deutschland nicht an jeder Ecke ein Sturmgewehr kaufen wie in den . Und doch bleiben Zweifel, ob unser Waffenrecht nicht doch nachgeschärft werden muss.

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Die zweite Frage ist die nach der Rolle des Internets und der sozialen Medien. Wie perfide ist es, Jugendliche mit einem offenbar gehackten Facebook-Account an den Tatort und damit in den Tod zu locken? Was bedeutet es, wenn Bilder von Amokläufen, von Enthauptungen durch Terroristen des islamischen Staates und anderen Gewalttaten quasi in Echtzeit im Netz landen und dort als Blaupause für irregeleitete oder wirre Köpfe dienen können? Wenn Massenmördern wie dem Norweger Anders Breivik, der auf den Tag genau fünf Jahre vor der Bluttat von München 77 Jugendliche niedermetzelte, bis heute eine Bühne für seine rechten Wahnvorstellungen geboten wird, dann lockt das auch Nachahmer an.

Die dritte Frage, die bleibt, ist die, ob in unserer Gesellschaft wirklich genug für Jugendliche und junge Erwachsene getan wird, die sich isolieren, die psychische oder soziale Probleme haben. Der Täter von München befand sich offenbar ebenso in psychologischer Behandlung wie der Germanwings-Copilot, der beim absichtlich herbeigeführten Absturz seiner Maschine 149 Menschen mit in den Tod riss. Was ist eigentlich aus all den Institutionen geworden, die früher für Halt in der Gesellschaft sorgten: das Elternhaus, die Schule, der Sportverein?

Jugendliche, die trotz Hunderter -Freunde vereinsamen, gibt es genug. Wenn ein Amoklauf das vermeintlich letzte Mittel ist, um Aufmerksamkeit zu erregen, wenn schon ein 18-Jähriger das Gefühl hat, nichts mehr zu verlieren zu haben im Leben, dann läuft etwas schief in der Gesellschaft. Wenn es darum geht, weitere Amokläufe zu verhindern, sind also nicht in erster Linie Polizei und Geheimdienste gefragt, sondern wir alle.

KONTEXT

Amokläufe in Deutschland

10. Juli 2015: Ansbach

Ein 47-jähriger Mann erschießt bei einer fast zweistündigen Amokfahrt im fränkischen Landkreis Ansbach eine 82-jährige Frau und einen 72 Jahre alten Fahrradfahrer, danach beschießt oder bedroht er weitere Menschen, bevor er an einer Tankstelle gefasst wird. Ein Gutachter bescheinigt bei ihm eine "akute Psychose".

28. Februar 2014: Düsseldorf/Erkrath

Der 48-jährige Koch Yanqing T. tötet in zwei Anwaltskanzleien in Düsseldorf und dem benachbarten Erkrath zwei Frauen und einen 54-jährigen Anwalt. Dann legt er in den Büroräumen Feuer und fährt zu einer Pizzeria nach Goch an der deutsch-niederländischen Grenze, um seine Ex-Chefin zu töten und deren Restaurant anzuzünden. Er wird überwältigt und sieben Monate später zu lebenslanger Haft verurteilt. Auslöser der Taten war laut Gericht ein Rachefeldzug gegen Anwälte, von denen er sich in einem Rechtsstreit mit seiner Ex-Chefin schlecht vertreten fühlte.

19. September 2010: Lörrach

17. September 2009: Ansbach

17. September 2009: Ein 18-Jähriger dringt mit Molotow-Cocktails, einem Beil und Messern bewaffnet in ein Gymnasium im mittelfränkischen Ansbach ein. Dabei verletzt er 15 Schüler und Lehrer, einige davon schwer. Er wird später wegen versuchten Mordes in 47 Fällen verurteilt.

11. Mai 2009: Sankt Augustin

Ein geplanter Amoklauf einer 16-jährigen Schülerin an einem Gymnasium in Sankt Augustin wird gerade noch vereitelt. Bei der Vorbereitung der Bluttat wird die mit Molotowcocktails, einer Schreckschusswaffe und einem Kurzschwert bewaffnete Jugendliche auf der Schultoilette von einer 17-jährigen Mitschülerin überrascht. Die 16-Jährige attackiert sie mit dem Schwert und verletzt sie schwer. Die Täterin flieht, stellt sich aber später der Polizei.

1. März 2009: Winneden

Bei einem Amoklauf in Baden-Württemberg sterben 16 Menschen. In einer Realschule in Winnenden erschießt der 17-jährige Täter drei Lehrerinnen und neun Schüler, auf der Flucht tötet er drei Passanten, bevor er in einem Schusswechsel mit der Polizei selbst stirbt.

20. November 2006: Emsdetten

Bei einem Amoklauf eines schwer bewaffneten Ex-Schülers einer Realschule in Emsdetten im Münsterland werden insgesamt 37 Menschen verletzt, sechs davon durch Schüsse des Täters. Der 18-Jährige zündet zudem mehrere selbst gebaute Rohrbomben und Rauchkörper, bevor er sich in dem Schulgebäude mit einem Kopfschuss selbst tötet.

26. April 2002: Erfurt

Ein 19-jähriger Amokläufer erschießt 16 Menschen am Gutenberg-Gymnasium in Erfurt. Zu den Opfern zählen zwölf Lehrer, zwei Schüler, die Schulsekretärin und ein Polizist. Nach der Tat tötet sich der Schütze selbst.

1. November 1999: Bad Reichenhall

Ein 16-Jähriger schießt in Bad Reichenhall aus seinem Elternhaus wahllos auf Passanten. Zwei sind sofort tot, einer stirbt später. Bevor er sich selbst tötet, bringt der Täter auch seine 18-jährige Schwester um. Er hatte die Waffen, aus denen er die tödlichen Schüsse abfeuerte, aus dem Waffenschrank seines Vaters geholt.