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Wichtige Anti-Terror-Maßnahme vor dem Aus

Das Oberverwaltungsgericht Münster hat die anlasslose Speicherung von Telefon- und Internetdaten in Deutschland für rechtwidrig erklärt. Aus Sicht von Experten ist damit die Vorratsdatenspeicherung gescheitert.

Manch einer wird sich in diesen Tagen verwundert die Augen reiben, wenn er feststellt, was für Widersprüchlichkeiten die Sicherheitspolitik in Deutschland offenbart. Denn just an dem Tag, an dem die Große Koalition die Überwachung von Kommunikation über Messenger-Dienste wie WhatsApp beschließt, fliegt ihr die Vorratsdatenspeicherung (VDS) um die Ohren. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster hat das Instrument kurz vor ihrer Einführung für unzulässig erklärt.

Ab dem 1. Juli sollten eigentlich Telekommunikationsunternehmen die Telefon- und Internetverbindungsdaten aller Bürger zehn Wochen lang speichern. Doch mit dem Gerichtsbeschluss vom Donnerstag wurde diese gesetzliche Pflicht praktisch infrage gestellt. Die konkrete Entscheidung gilt zwar (zunächst) nur für ein IT-Unternehmen aus München, das geklagt hatte, weil es die Internetzugangsdaten seiner Kunden nicht speichern wollte (Az. 13 B 238/17). Doch nach Einschätzung der Grünen und mehrerer Datenschützer sendet der Beschluss ein Signal von viel größerer Tragweite.

„Das Gesetz muss wegen der gravierenden Rechtsunsicherheit, seiner hohen Risiken für die Grundrechte der Bürger und die Kosten für die Unternehmen sofort gestoppt werden“, sagte der Vize-Chef der Grünen-Bundestagsfraktion, Konstantin von Notz, dem Handelsblatt. „Die Große Koalition ist vorsätzlich in diese Blamage reingelaufen“, kritisierte er und fügte mit Blick auf das am gestrigen Donnerstag verabschiedete „Staatstrojaner“-Gesetz hinzu: „Die Grundrechte werden leider im Wochentakt von der Großen Koalition durch immer neue Gesetze geschliffen.“ Da komme das Bundesverfassungsgericht kaum dagegen an.

Jan Philipp Albrecht, stellvertretender Vorsitzender des Innen- und Justizausschusses und innen- und justizpolitischer Sprecher der Grünen im Europäischen Parlament, wertet die Münsteraner Entscheidung als „Meilenstein“ in der Durchsetzung des EU-Grundrechts auf Datenschutz. Die Bundesregierung sollte dies daher zum Anlass nehmen, das Gesetz zurückzunehmen. „Außerdem ist die EU-Kommission aufgefordert“, so Albrecht weiter, „das deutliche Urteil des Europäischen Gerichtshofs gegenüber den Mitgliedstaaten per Vertragsverletzungsverfahren umgehend durchzusetzen.“

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Die Münsteraner Richter hatte zuvor die deutsche Vorratsdatenspeicherung nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom Dezember 2016 als Verstoß gegen europäische Datenschutzrichtlinien gewertet. Dabei geht es um das Vorhalten von Verkehrsdaten von Nutzern über zehn Wochen – also wer wann mit wem wie lange telefoniert oder sich im Internet bewegt – und von Standortdaten der Gespräche für vier Wochen.

Die EU-Richter hatten sich an der anlasslosen Speicherung von Daten gestört. Ein IT-Unternehmen aus München hatte sich per einstweiliger Anordnung erfolglos an das Verwaltungsgericht Köln gewandt. Das OVG gab dem Antrag jetzt in der zweiten Instanz statt. Das Unternehmen bleibt damit bis zu einer Entscheidung über eine Klage am Verwaltungsgericht Köln gegen die Bundesnetzagentur vorerst von der Pflicht befreit.

Der Beschluss des OVG dürfte nach Einschätzung von Datenschützern das Ende der Vorratsdatenspeicherung in Deutschland einläuten. So könnte das Gesetz letztlich vor dem Bundesverfassungsgericht scheitern. Ein Bündnis aus Bürgerrechtlern, Datenschützern und Politikern hat bereits Verfassungsbeschwerde dagegen eingelegt. Der Bundestag hatte das Gesetz im Herbst 2015 verabschiedet.

Der wissenschaftliche Dienst des Bundestages hatte die Vorratsdatenspeicherung schon kurze Zeit später in Zweifel gezogen. Die Experten kamen in einem von der Linksfraktion in Auftrag gegebenen Gutachten zu dem Ergebnis, dass das Gesetz nicht den Vorgaben des EuGH entspreche. Die Experten lagen damit seinerzeit schon auf der Linie des jetzt veröffentlichten Gerichtsbeschlusses.


Bundesnetzagentur soll Vorratsdatenspeicherung aussetzen

Die Bundesregierung vertrat bisher aber immer die Auffassung, das geltende deutsche Gesetz sei verfassungs- und europarechtskonform. Die Linke sah sich durch das Gutachten der Bundestagsjuristen bestätigt: Eine anlasslose Vorratsdatenspeicherung von Telekommunikations- und Internetverbindungsdaten der gesamten Bevölkerung sei ein unverhältnismäßiger Eingriff in die Grundrechte der Bürger, sagte damals der stellvertretende Linksfraktionschef Jan Korte der „Mitteldeutschen Zeitung“. Das deutsche Gesetz verstoße deshalb gegen die Grundrechte und würde vor Gericht so keinen Bestand haben. Schon die vorherige Regelung war 2010 von Karlsruhe gekippt worden.

Um das Ende dieser für die Bundesregierung wichtigen Anti-Terror-Maßnahme zu beschleunigen, könnte nun etwa die Bundesnetzagentur aktiv werden. „Da das Urteil unabhängig von dem Einzelfall des Klägers ist, wäre es nur logisch, wenn die Bundesnetzagentur den Schluss zöge, die Vorratsdatenspeicherung für alle auszusetzen“, sagte die Datenschutzbeauftragte von Schleswig-Holstein, Marit Hansen, dem Handelsblatt. „Die Argumentation des Gerichts deckt sich mit meiner Auffassung, dass es keine pauschale und umfassende Speicherverpflichtung, so wie es die Vorratsdatenspeicherung regelt, geben darf.“

Die Bundesnetzagentur habe zwar auch die Möglichkeit, die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts abzuwarten, denn dort sei bereits eine Klage gegen die Vorratsdatenspeicherung anhängig, sagte Hansen weiter. „Aber“, fügte sie hinzu, „im Sinne einer Gleichbehandlung aller Provider und im Sinne des Datenschutzes hielte ich eine sofortige Aussetzung der Speicherpflicht für alle geboten.“

Ähnlich äußerte sich Johannes Caspar, der Hamburgische Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit, zumal aus seiner Sicht mit der EuGH- Entscheidung aus dem Jahr 2016 „klar vorhersehbar“ gewesen sei, „dass die deutsche Regelung dem vorrangigen Recht der EU nicht entspricht“. Caspar zieht daraus denselben Schluss wie von Notz und seiner Behördenkollegin Hansen: „Als Konsequenz sollte nun eine Nichtanwendung der Speicherpflichten das rechtsstaatliche Gebot der Stunde sein.“

Das sieht auch der Jurist Ulf Buermeyer so. „Sinnvoll wäre es, wenn die Bundesnetzagentur die Konsequenzen aus der Entscheidung zieht und die Vorratsdatenspeicherung insgesamt aussetzt“, sagte der Vorsitzende der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) dem Handelsblatt. „Das würde hunderte Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Köln sparen.“ Denn jeder Provider, der dort einen Eilantrag stelle, werde von den Speicherregeln befreit.

Formal gelte der Gerichtsbeschluss zwar nur für den klagenden Telekommunikationsanbieter aus München, gab Buermeyer zu bedenken. „Aber die Begründung des Gerichts ist eindeutig: Die Grundlagen der Vorratsdatenspeicherung im Telekommunikationsgesetz sind komplett europarechtswidrig“, sagte der Rechtsexperte. „Die Entscheidung bedeutet das Aus für die Vorratsdatenspeicherung in Deutschland.“ Betroffene Unternehmen seien daher schon unter Compliance-Gesichtspunkten verpflichtet, einen solchen Eilantrag zu stellen, „um die enormen Kosten der Vorratsdatenspeicherung zu vermeiden“.

Negative Folgen für die Sicherheit in Deutschland befürchtet Buermeyer nicht. „Denn alle Studien haben ja bisher gezeigt, dass die Vorratsdatenspeicherung ohnehin keinen messbaren Beitrag zur inneren Sicherheit leistet“, betonte Buermeyer, der auch als Richter am Landgericht Berlin arbeitet.


Innenminister verteidigt Ausweitung der Überwachungsmöglichkeiten

Fraglich ist aber, ob die Große Koalition nunmehr zu einer Abkehr von der Vorratsdatenspeicherung bereit ist. Die Signale weisen aus Sicht des Hamburger Datenschützers Caspar in eine andere Richtung. Denn parallel zu der OVG-Entscheidung habe der Bundestag eine Änderung der Strafprozessordnung zur Ausdehnung staatlicher Eingriffe in die Integrität und Vertraulichkeit informationstechnischer Systeme beschlossen. „Diese sind rechtsstaatlich fragwürdig, gefährden die IT-Sicherheit und wurden in einem wenig transparenten Verfahren in das Parlament eingebracht“, kritisierte Caspar. „Am Ende droht dieser Regelung vor dem Bundesverfassungsgericht absehbar das, was mit der Vorratsdatenspeicherung schrittweise geschieht.“

Den Bundesinnenminister schert das wenig. Er begrüßte die Ausweitung der Überwachungsmöglichkeiten von Messenger-Diensten. „Zur Gefahrenabwehr hat das Bundeskriminalamt diese Befugnis schon länger, aber es war überfällig, eine solche Befugnis auch für Ermittlungsverfahren bei schweren Straftaten zu schaffen“, sagte Thomas De Maizière (CDU) dem Handelsblatt. Künftig sollen staatliche Behörden auch die Kommunikation über WhatsApp und Co überwachen können. „Es kann nicht sein, dass die rechtlichen Befugnisse des Staates und der Erfolg der Strafverfolgung davon abhängen, welches Kommunikationsmittel eine Person nutzt, ob sie per SMS oder WhatsApp kommuniziert.“

De Maizière kündigte im Gespräch mit dem Handelsblatt noch weitere Maßnahmen im Kampf gegen Terror und schwere Straftaten an und forderte eine stärkere Kooperation der Internetkonzerne. Aus seiner Sicht seien die Gespräche mit diesen Unternehmen noch nicht abgeschlossen. „Es kann doch nicht sein, dass jedes kleine Unternehmen unter bestimmten Voraussetzungen verpflichtet ist, mit den Sicherheitsbehörden zusammenzuarbeiten, das für Anbieter von Kommunikationsdiensten aber nicht gilt. Solche Anbieter müssen den Sicherheitsbehörden in dringenden Verdachtsfällen, etwa bei Terroristen, mitteilen, welcher Anschluss wann mit welchem anderen Anschluss in Kontakt stand.“ Telemedienanbieter wie etwa WhatsApp müssten denselben rechtlichen Verpflichtungen unterliegen wie Anbieter von Telekommunikation, also klassische Telefonunternehmen.

KONTEXT

Die Kriminalstatistik im Detail

Straftaten insgesamt

In Deutschland wurden 6,37 Millionen Straftaten registriert. Dies sind 0,7 Prozent mehr als im Vorjahr. Damit ereigneten sich 7800 Fälle pro 100.000 Einwohner. Die Aufklärungsquote lag mit 56,2 Prozent etwa auf dem Niveau des Vorjahres.

Täter

Es wurden 2,36 Millionen Tatverdächtige ermittelt. Bei den deutschen Tatverdächtigen wurde ein Rückgang um 3,4 Prozent und bei den nichtdeutschen Verdächtigen ein Anstieg um 4,6 Prozent festgestellt. Der Anteil von Personen ohne deutsche Staatsangehörigkeit erhöhte sich damit auf mehr als 40 Prozent.

Gewalt

Die registrierten Gewaltverbrechen stiegen um 6,7 Prozent auf insgesamt 193.542 Fälle. Zugenommen hat vor allem die gefährliche und schwere Körperverletzung um 9,9 Prozent auf mehr als 140.000 Taten. Fälle von Mord und Totschlag sowie Tötung auf Verlangen legten um 14,3 Prozent auf 2418 Fälle zu, wobei der Anteil der Versuche mit fast 73 Prozent überwiegt. Raubdelikte gingen um 3,7 Prozent auf 43.000 Fälle zurück. Bei Vergewaltigung und sexueller Nötigung wiederum gab es einen Anstieg um 12,8 Prozent auf 7919 Fälle.

Diebstahl

Dominierend waren wie in den Vorjahren die Diebstahlsdelikte, die einen Anteil von 37,3 Prozent an der Gesamtkriminalität haben. Im Vergleich zum Vorjahr sank die Zahl aber um 4,4 Prozent auf 2,37 Millionen Fälle. Unter anderem wurden weniger Autos und Fahrräder entwendet.

Einbrüche

Die Zahl der Wohnungseinbrüche, die zu den Diebstählen zählen, ging zum ersten Mal seit vielen Jahren zurück, und zwar um 9,5 Prozent auf 151.265 Fälle. Bei fast 67.000 Fällen handelte es sich um Versuche. Nur in zwei Bundesländern kam es häufiger zu Einbrüchen: in Sachen und in Sachsen-Anhalt.

Straßenkriminalität

Dieser Bereich macht mit 1,32 Millionen Fällen rund 20,7 Prozent der gesamten Kriminalität aus. Hier gibt es einen Rückgang um 0,9 Prozent auf 12.204 Fälle. So nahmen Taschendiebstähle um zwei Prozent auf fast 165.000 ab.

Betrug

Betrugsfälle sanken um sieben Prozent auf 899.000 Fälle. Deutlich ab nahmen der Überweisungsbetrug mit einem Minus von 24 Prozent und der Tankbetrug mit einem Rückgang um 10,2 Prozent.

Taten gegen die persönliche Freiheit

Die Zahl der Straftaten in diesem Bereich stieg um 3,9 Prozent auf 199.250 Fälle. Mehr als die Hälfte betrafen Bedrohungen, die ebenso wie Nötigungen um mehr als fünf Prozent zunahmen.

Drogen

7,1 Prozent mehr Rauschgiftdelikte wurden registriert. Insgesamt waren es fast 302.600 Fälle.

Wirtschaftskriminalität

In diesem Bereich gibt es einen Rückgang um 5,6 Prozent auf 57.546 Fälle.

Computer und Internet

Im Bereich der Computerkriminalität wurden 107.751 Fälle erfasst. Dies ist eine Zunahme um fast 38.000 Fälle, die zum Teil auf Änderungen der Statistik zurückgeht. Darin einbegriffen ist die Cyberkriminalität im engeren Sinne, deren Fälle sich von 45.793 auf 82.649 fast verdoppelten. Höhere Zahlen gibt es etwa beim Ausspähen und Abfangen von Daten (plus 10,5 Prozent). Zudem gab es 25 Prozent mehr Computersabotage-Taten. Insgesamt bezogen sich 253.000 Straftaten auf das Internet (plus 3,6 Prozent).

Zuwanderer

Die Zahl tatverdächtiger Zuwanderer stieg um 52,7 Prozent auf 174.438. Dazu zählt die Kriminalstatistik Asylbewerber, Menschen mit Duldung, Kontingent- und Bürgerkriegsflüchtlinge oder Personen mit unerlaubtem Aufenthalt, nicht aber anerkannte Flüchtlinge. Bei Taschendiebstählen stellen Zuwanderer einen Anteil von 35 Prozent aller Tatverdächtigen, bei Ladendiebstählen 16,8 Prozent, bei Raubdelikten 14,3 Prozent, bei Vergewaltigung und sexueller Nötigung sowie gefährlicher und schwerer Körperverletzung je 14,9 Prozent.

Politisch motivierte Kriminalität

Politisch motivierte Straftaten erreichten mit mehr als 41.500 Verbrechen einen Höchststand erreicht. Es handelt sich um einen Anstieg um 6,6 Prozent. Die Zahl der Straftaten mit rechter Motivation nahm um 2,6 Prozent auf 23.555 zu, während linksmotivierte Taten um 2,2 Prozent auf 9389 Fälle zurückgingen. Einen drastischen Anstieg gab es bei der politisch motivierten Ausländerkriminalität. Sie nahm um 66,5 Prozent auf 3372 Fälle zu.

KONTEXT

Wie die innere Sicherheit gestärkt werden kann

Hintergrund

In seinem Buch "Allein unter Feinden" beschreibt der Jurist und Politik-Ressortleiter beim "Handelsblatt", Thomas Sigmund, warum sich die Deutschen zunehmend unsicher fühlen. Und er listet 15 Vorschläge für ein "Ende der inneren Unsicherheit auf".

Quelle: "Allein unter Feinden? Was der Staat für unsere Sicherheit tut - und was nicht" von Thomas Sigmund.

Quelle: "Allein unter Feinden? Was der Staat für unsere Sicherheit tut - und was nicht" von Thomas Sigmund.

Mehr Videoüberwachung

Jedem Täter muss klar sein, dass die Wahrscheinlichkeit, von der Polizei per Videoaufzeichnung überführt und später abgeurteilt zu werden, sehr hoch ist. Wir brauchen eine verstärkte Videoüberwachung - nicht nur auf Bahnhöfen und öffentlichen Plätzen, sondern auch in Einkaufszentren und bei großen Veranstaltungen.

Einheitliche, moderne IT-Systeme

Die Sicherheitsbehörden, allen voran Polizei und Verfassungsschutz, brauchen schnellstmöglich ein bundesweit einheitliches IT-System, um ihre Fälle konsequent zu bearbeiten. Daten müssen über Ländergrenzen, das gilt in der Kooperation der Bundesländer ebenso wie für die europaweite länderübergreifende Zusammenarbeit, abgeglichen werden können. Neben der adäquaten technischen Ausstattung braucht es auch ganz praktische Hilfen, etwa bei der Schutzausrüstung.

Mehr Konsequenz, höhere Bußgelder

Es braucht keine weiteren Runden Tische im Kampf gegen den Hass in den sozialen Medien. Nötig ist vielmehr, das Telemediengesetz um weitere konkrete Maßnahmen zu ergänzen - und es auch durchzusetzen. Der Staat sollte umgehend empfindliche Bußgelder verhängen, wenn Internetkonzerne ihren Verpflichtungen zum Entfernen rechtswidriger Einträge nicht nachkommen.

Bessere Grenzkontrollen, härteres Durchgreifen, Prognosesoftware

Viele Täter kommen aus Rumänien, Serbien, Polen und Georgien. Stoppen kann man sie nur, indem man wirksame Grenzkontrollen durchführt. Die Grenze und ihr wirksamer Schutz sind ein Teil der rechtsstaatlichen Sicherheitsverantwortung. Das heißt nicht, dass das Schengen-Abkommen ausgesetzt werden muss. Schengen garantiert Freizügigkeit für den rechtstreuen Bürger. Aber Schengen hat nicht die Aufgabe, Freizügigkeit für Kriminelle sicherzustellen. Außerdem muss die Polizei bundesweit die Prognosesoftware "Precobs" einsetzen können, die in der Schweiz und in Teilen Deutschlands bereits erfolgreich angewandt wird.

Prognosesoftware "Precobs"

Keine Nachsicht mehr bei Vandalismus

Es muss nicht unbedingt die Null-Toleranz-Politik aus New York als Blaupause in Deutschland angewandt werden. Doch wenn es um Strafzettel, GEZ-Gebühren oder verspätet abgegebene Steuererklärungen geht, wird auch keine Nachsicht geübt. Mit der gleichen Konsequenz muss man sich auch einen Staat wünschen, der gegen die Flut an Schmierereien und Vandalismus in deutschen Städten angeht. Verordnungen dafür gibt es bereits, sie müssen nur angewandt werden.

Masterplan gegen Internetkriminalität und Cyberkrieger

Der Staat ist den neuen Bedrohungen nicht gewachsen. Die staatlichen Behörden brauchen dringend hoch qualifizierte IT-Mitarbeiter. Wenn die Bezahlung im öffentlichen Dienst ein Abwerben aus der Wirtschaft nicht möglich macht, müssen verstärkt Kooperationen mit den Unternehmen eingegangen werden. Solche Zusammenschlüsse des Staates mit Firmen gibt es bereits, beispielsweise um gegen Geldwäsche, Wirtschaftskriminalität oder internationalen Terrorismus vorzugehen. Darauf lässt sich aufbauen. Und es braucht einen Masterplan, der die richtigen strategischen Akzente und ihre praktische Umsetzung konsequent zusammenführt.

Maßnahmen gegen Hassprediger

Wenn wir den liberalen Rechtsstaat neu ausrichten wollen, um ihn besser zu schützen, müssen wir den Verfassungsschutz stärken. Vor allem aber braucht es einen Ausbau der Präventionsprogramme. Denn junge Menschen sind von den Hasspredigern zu erreichen und der Staat muss der Radikalisierungsgefahr etwas entgegensetzen. Die Integration der jungen Menschen muss oberste Priorität haben, wenn wir nicht in absehbarer Zeit eine unkontrollierbare Anzahl von potenziellen IS-Attentätern bei uns haben wollen. Wenn nur der Ansatz eines Beweises vorliegt, heißt es: Kriminelle ausländische Hassprediger ausweisen, deren Moscheen schließen.

Mehr Präsenz der Polizei, bessere Bezahlung

Die Polizei muss präsenter auf den Straßen sein. Die Bürger sollen sehen, dass Ermittlungs- und Fahndungsdruck erhöht sind. Da es aber Jahre dauern wird, bis die versprochenen neuen Polizeikräfte wirklich eingestellt und ausgebildet sind, brauchen wir eine spürbare Entlastung der Polizei von bürokratischen Aufgaben und solchen, die auch von privaten Sicherheitsdiensten übernommen werden können. Schärfere Gesetze braucht es nicht, die vorhandenen müssen nur besser umgesetzt werden. Was es aber braucht, ist eine Aufwertung - auch finanziell - des Polizeiberufes, damit dieser auch für junge Menschen attraktiv ist.

Härtere Strafen gegen den erodierenden Respekt vor Polizisten

Die Justiz muss den Vorwurf von Polizeigewerkschaftern ernst nehmen, sie verfolge Attacken gegen Staatsbedienstete entweder gar nicht oder viel zu lasch. Deshalb würden viele Angriffe erst gar nicht angezeigt oder würden, wenn doch mal ein Fall vor Gericht landete, als Kavaliersdelikte behandelt. Die Gerichte müssen den Strafrahmen der Gesetze bis zur Neige ausschöpfen. Die bestehenden Paragrafen - angefangen von Beleidigung, Nötigung, Körperverletzung bis hin zum Totschlag bieten ausreichende Strafmaße. Aber die Strafe muss auf dem Fuß folgen. Durch langwierige Verfahren oder kleine Geldbußen verpufft jeder abschreckende Effekt.

Schnelleres Abschieben von Gefährdern

Bund und Länder bekommen die Abschiebungen nicht hin. Daher muss das Kanzleramt das Thema zur Chefsache erklären. Leere Ankündigungen steigern nicht das Vertrauen in den Rechtsstaat, sie untergraben es. Der Staat erscheint schwach, obwohl hier die Bürger laut den Umfragen mehrheitlich Stärke erwarten. Die Länder müssen ausreichend Platz für die Abschiebehaft oder den Ausreisegewahrsam zur Verfügung stellen. Wichtig ist auch eine engere Kooperation zwischen den Landeskriminalämtern und den Ausländerbehörden, die näher dran sind. Die Zuständigkeit für straffällig gewordene Ausländer sollte von der Ausländerbehörde auf die Polizei übergehen. Dann wäre schon viel gewonnen. Der Bund muss am Ende das Recht zur Abschiebung haben.

Europäisches Anti-Terror-Zentrum

Die Biografien der Terroristen zeigen ihre weltweite Vernetzung. Also brauchen wir ein einheitliches europäisches Abwehrzentrum, in dem Daten aus allen EU-Ländern zusammengeführt sind. Der Schlüssel zum Erfolg liegt im Informationsaustausch. Die Forderungen nach einer neuen föderalen Sicherheitsarchitektur mit mehr Kompetenzen für den Bund sind berechtigt. Doch der Wunsch von Bundesinnenminister Thomas de Maizière nach einer Zusammenlegung der Landesämter für Verfassungsschutz ist in der Praxis nicht umsetzbar. Die Länder machen da nicht mit.

Schnell bessere Grenzsicherung der EU

Die gemeinsame Polizeibehörde Frontex ist zwar mit neuen Mitarbeitern und auch mit finanziellen Mitteln gestärkt worden, doch die Zustände in Griechenland und Italien, in denen nach wie vor Tausende Flüchtlinge unkontrolliert anlanden, sind nicht zu tolerieren. Deutschland, aber auch andere Länder wie Österreich, kann sich nicht darauf verlassen, dass das EU-Türkei-Abkommen hält und die Balkanroute geschlossen bleibt. Es bleibt deshalb keine andere Wahl, als auch darüber nachzudenken, die Bundespolizei zur Grenzsicherung einzusetzen. Die Politik braucht einen wirksamen Plan, wie eine solche Aufgabe überhaupt zu bewältigen wäre und welche Ressourcen dafür nötig sind.

Ehrliche Kommunikation

Die Populisten wollen uns glauben machen, wir könnten zurück in eine nationale Welt des 19. Jahrhunderts. Die Wahrheit aber ist: Wir befinden uns in einer globalisierten Welt im 21. Jahrhundert. Da spielen Bedrohungen wie Cyberangriffe, Terror und Wirtschaftsspionage eine überragende Rolle. Das darf kein Geheimnis sein, es muss den Menschen offen gesagt werden. Die deutschen Nachrichtendienste sind im Kampf gegen Terror vor allem auf Informationen aus den USA angewiesen. Sollte es ein nächstes "Handy-Gate" der Kanzlerin oder Ähnliches geben, gehört dies auch zur Wahrheit, die erzählt werden muss.

Gegen Vollverschleierung

Heute bedrohen uns islamistische Krieger, die unsere christlich-abendländischen Werte im Visier haben und unser liberales Gesellschaftsmodell zerstören wollen. Die Politik sollte sich bei der Entscheidung um ein Verschleierungsverbot der Realität stellen: Viele Bürger bringen kaum Verständnis dafür auf, dass sich Frauen mit Burka oder Nikab in staatlichen Gebäuden, im öffentlichen Nahverkehr, Schulen und in Krankenhäusern zeigen.

Für ein modernes Zuwanderungsgesetz

Es ist an der Zeit, dass die deutsche Politik ihre Denkblockaden überwindet. Deren Argumentation, zuerst die Asylpolitik abarbeiten zu wollen und sich dann um alles andere zu kümmern, wirkt wie aus der Zeit gefallen. Der internationale Wettbewerb um hochqualifizierte Arbeitskräfte wartet nicht darauf, dass die Parteien die nordafrikanischen Staaten zu sicheren Herkunftsländern erklären oder nach einem langen Verfahren abgelehnte Asylbewerber schneller abschieben. Die besten Talente der Welt suchen ihr Glück in der Zwischenzeit anderswo.

KONTEXT

Was man zu Hasskommentaren wissen sollte

Was ist "Hate Speech"?

Eine feste Definition des Begriffs "Hate Speech" gibt es nicht. Gemeint sind allgemein Meinungsäußerungen, die bestimmte Personen oder Personengruppen herabsetzen und verunglimpfen sollen. In der politischen Debatte geht es nur um solche Formen von Hate Speech, die gegen Gesetze verstoßen, insbesondere gegen Paragraphen des Strafgesetzbuchs (StGB). Ein Beispiel ist § 130 des Strafgesetzbuchs (Volksverhetzung). Diese Vorschrift verbietet es, zum Hass gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer solchen Gruppe aufzustacheln oder zu Gewalt gegen sie aufzufordern. Außerdem ist danach unter bestimmten Umständen die Leugnung des Holocaust strafbar.

Quelle: Bundesjustizministerium.

Bundesjustizministerium

Wer definiert, welche Äußerungen rechtswidrige "Hate Speech" sind?

Weder das Bundesjustizministerium noch die vom Ministerium eingerichtete Task Force prüfen, ob konkrete Inhalte gegen Gesetze verstoßen und entscheiden daher auch nicht über die Entfernung von rechtswidrigen Inhalten. Diese Prüfung führen die in der Task Force vertretenen Unternehmen vielmehr in eigener Verantwortung und in eigener Zuständigkeit durch. Die Unternehmen haben zugesagt, hasserfüllte Inhalte und Aufstachelung zu Gewalt einerseits auf ihre Gemeinschaftsrichtlinien ("Community Standards") hin und andererseits auf Grundlage des deutschen Rechts zu überprüfen, sobald sie ihnen konkrete Inhalte dieser Art gemeldet worden sind.

Welche Themen werden betrachtet?

Thema der Task Force ist ganz generell der Umgang mit rechtswidrigen Hassbotschaften im Internet. Die Diskussion ist nicht auf rechtsextremistische Inhalte beschränkt, sondern umfasst rechtswidrige Aufrufe zu Hass und Gewalt unabhängig von ihren Motiven oder den Personen, gegen die sie sich richten. Fragen im Zusammenhang mit der Löschung konkreter Beiträge können nur die Unternehmen beantworten.

Verstößt die Löschung von Hassbotschaften gegen die Meinungsfreiheit?

In Deutschland gilt Meinungs- und Pressefreiheit. Das ist im Grundgesetz verankert. In Absatz 2 des entsprechenden Artikels 5 steht allerdings auch: "Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre." Das heißt: Niemand darf sein Recht auf Meinungsfreiheit dafür nutzen, die Rechte anderer zu verletzen, zum Beispiel, indem er gegen sie hetzt, zu Gewalt aufruft oder sie verleumdet. Diese Gesetze gelten - sie müssen in sozialen Netzwerken aber konsequenter als bislang zur Anwendung kommen. Und nur darum geht es: Dass Kommentare, die gegen das Strafrecht verstoßen, gelöscht werden.

Wie unterscheidet sich das Löschen von rechtswidriger "Hate Speech" von der Strafverfolgung?

Die Strafverfolgung dient dazu, den verantwortlichen Autor zur Rechenschaft zu ziehen. Dies ist Sache der zuständigen Strafverfolgungsbehörden. Die Staatsanwaltschaften werden Anzeigen schnell prüfen und zur Anklage bringen, wenn die Voraussetzungen hierfür gegeben sind. Ziel des Löschens von rechtswidrigen Beiträgen ist es, für eine angemessene Kommunikationskultur zu sorgen und die vom Hass betroffenen Gruppen und Personen zu schützen. Die beiden Ziele ergänzen sich.

In welchem Verhältnis steht das Vorgehen der Task Force zum normalen Rechtsweg?

Die Task Force nimmt keine Prüfung von Inhalten vor und entscheidet auch nicht über die Entfernung von strafbaren Inhalten. Die strafrechtliche Verfolgung von Hasskriminalität im Internet obliegt den zuständigen Strafverfolgungsbehörden.