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Wettrüsten und Verschweigen: So sah die Atompolitik der DDR aus

Eine Doku beleuchtet "Die sieben geheimen Atompläne der DDR": Der sozialistische Staat baute Kernkraftwerke, wie hier in Lubmin, und geriet sogar zum viertgrößten Uran-Lieferanten weltweit.
 (Bild: ZDF / Kristof Kannegießer)
Eine Doku beleuchtet "Die sieben geheimen Atompläne der DDR": Der sozialistische Staat baute Kernkraftwerke, wie hier in Lubmin, und geriet sogar zum viertgrößten Uran-Lieferanten weltweit. (Bild: ZDF / Kristof Kannegießer)

Uranabbau, Kernkraftwerke, Wettrüsten: Im Kalten Krieg spielte Atomenergie eine entscheidende Rolle. Wie sah es in der DDR aus? Eine ZDFinfo-Dokumentation beleuchtet, wie die Nukleartechnik im sozialistischen Osten vorangetrieben wurde - und was man der Bevölkerung lieber verschwieg.

Einst galt sie als Technik der Zukunft. Atomenergie geriet nach dem Krieg zum Inbegriff des Fortschritts - und zum entscheidenden Faktor im Wettstreit zwischen Ost und West. Eine nicht unerhebliche Rolle nahm dabei jenes Land ein, das im Kalten Krieg genau an der Grenze der Systeme lag: Die DDR tat sich früh in der Atomforschung hervor, errichtete Kernkraftwerke und baute Uran ab - letzteres auch für die Atomwaffen der Sowjetunion. Die Nukleartechnik diente im "Arbeiter- und Bauernstaat" schließlich nicht nur der Energieversorgung, sondern auch dem Wettrüsten. Welche Ziele das sozialistische Land verfolgte und was der Bevölkerung lieber verschwiegen wurde, zeigt nun die ZDFinfo-Dokumentation "Die sieben geheimen Atompläne der DDR" (Montag, 14. Juni, 20.15 Uhr).

Schon vor Staatsgründung, so zeigt es die informative Geschichtsdoku von Autor Matthias Hoferichter, wurde in Thüringen Uran abgebaut. Bisweilen geriet die DDR in der Folge gar zum viertgrößten Uran-Produzenten weltweit. Unter strengster Geheimhaltung und widrigsten Bedingungen schufteten bis zu 40.000 Arbeiter unter dem Tarnnamen "Wismut", um das radioaktive Element für die Atomwaffen des "Großen Bruders" zu gewinnen. "Mitunter waren das Himmelfahrtskommandos", berichtet Ex-Arbeiter Konrad Barth in der Doku, für die zahlreiche wichtige Zeitzeugen gewonnen werden konnten. Archivbilder der Nachrichtensendung "Wochenschau" zeigen auf, wie das Thema propagandistisch ausgeschlachtet wurde.

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Um Propaganda - und um billigen Strom - ging es auch im Wettlauf um das erste deutsche Kernkraftwerk. Gewinnen konnte ihn die DDR: 1967 entstand das KKW in Rheinsberg, kurz bevor die BRD in Bayern nachzog. Doch war es nicht nur ein Sieg gegen den Klassenfeind: Nun konnte die DDR, die bisher auf Braunkohle setzen musste, effizienter Energie erzeugen. Ganze 20 KKWs waren geplant. In einem davon, so erzählt es der in sieben lose verknüpfte Episoden aufgeteilte Film, kam es 1975 fast zum GAU: Nach einem durch Kurzschluss verursachten Kabelbrand im KKW Lubmin bei Greifswald untersuchte die Stasi die Geschehnisse. Die Bevölkerung informierte man über die Beinahe-Katastrophe nicht.

Bei Stendal sollte einst ein gigantisches Kernkraftwerk entstehen. Es wurde nach der Wende zur Investmentruine. Heute siedeln sich wieder Unternehmen auf dem Gelände an.
 (Bild: ZDF / Kristof Kannegießer)
Bei Stendal sollte einst ein gigantisches Kernkraftwerk entstehen. Es wurde nach der Wende zur Investmentruine. Heute siedeln sich wieder Unternehmen auf dem Gelände an. (Bild: ZDF / Kristof Kannegießer)

"Es kann nicht sein, was nicht sein darf"

Gewaltiges Schweigen herrschte auch nach dem Super-GAU in Tschernobyl 1986. Während im Westen die Spielplätze leerstanden, waren im Osten plötzlich Lebensmittel erhältlich, die man in der BRD nicht anrühren wollte: "Die Westberliner wollten die Milch nicht haben." Derweil übte man sich im Osten erst im Ignorieren, dann im Verharmlosen der Katastrophe. In den Medien war diese nicht mehr als eine Randnotiz, denn, so heißt es im Film: "Es kann nicht sein, was nicht sein darf."

Ebenso wenig im öffentlichen Fokus standen die Endlager: In Morsleben im heutigen Sachsen-Anhalt befand sich ab 1971 die atomare Mülldeponie des Ostens, das "strahlende Erbe der DDR", wie es der Film ausdrückt. Erst 1990 konnte das DDR-Fernsehen dem gefährlichen Lager einen Besuch abstatten.

Trotz aller Geheimhaltung: Auch im Osten formierte sich eine Anti-Atomkraft-Bewegung, wenn auch in kleinerem Ausmaß als im Westen. Sie war vor allem eine Friedensbewegung: "Angst geht um in Europa. Angst vor einem dritten Weltkrieg", wandelt der Film süffisant das bekannte Marx-Zitat ab. Zeitzeuge Karl Schmidt drückt es lapidar aus: "Es gab auf beiden Seiten gewaltige Mittel, um sich umzubringen." Zu Wort kommt auch einer der entscheidenden Akteure der Bewegung: Harald Bretschneider, zu jener Zeit Jugendpfarrer in Sachsen, schuf das auch im Westen berühmte Logo "Schwerter zu Pflugscharen", das auf einer Plastik basierte, die die Sowjetunion den Vereinten Nationen schenkte.

Für seine selbstgemachten Aufnäher, so berichtet Bretschneider, wurden ihm aus dem Westen bis zu 50 D-Mark geboten - Geld, von dem der mutige Aktivist die Verteidigung von Wehrdienstverweigerern vor Gericht unterstützte. Logisch, dass die Stasi ihn überwachte, es soll sogar einen Mordversuch gegeben haben, berichtet der Film. Auch die Träger der Aufnäher unterlagen staatlicher Repression: "Entweder ich trenne diesen Aufnäher ab oder ich verliere meine Lehrstelle", berichtet ein Zeitzeuge.

Auch Ex-Bundesumweltminister Klaus Töpfer kommt in der Doku zu Wort. Er musste nach der Wende entscheiden, wie mit den Atomanlagen der ehemaligen DDR umgegangen werden sollte.
 (Bild: ZDF / Kristof Kannegießer)
Auch Ex-Bundesumweltminister Klaus Töpfer kommt in der Doku zu Wort. Er musste nach der Wende entscheiden, wie mit den Atomanlagen der ehemaligen DDR umgegangen werden sollte. (Bild: ZDF / Kristof Kannegießer)

Spione in Ost und West

Und was wäre eine Kalter-Kriegs-Doku ohne das spannende Thema Spionage? Denn auch die gab es im Nuklearwettstreit zwischen Ost und West. Der Film beleuchtet, wenn auch nur kurz, hollywoodtaugliche Geschichten: Atomphysiker Klaus Fuchs spionierte für die Sowjetunion, während sich auf der anderen Seite Heinz Barwich, Direktor des Rossendorfer Zentralinstituts für Kernforschung bei Dresden, mit CIA-Hilfe in den Westen wechselte. Dass Aufmachung und Inszenierung hier bisweilen aufreibende Stimmung verbreiten und dass es sich keineswegs ausschließlich um "geheime Pläne" handelt, sei durch die sonst sorgsam zusammengesuchten Archivausschnitte und ausführlichen Recherchen entschuldigt.

Für eine dreiviertelstündige Dokumentation dringt der Film erstaunlich umfassend in die Materie vor und schafft es sogar, die Auswirkungen der DDR-Atompolitik auf die Zeit nach der Wende zu beleuchten. So wurde aus dem Plan eines milliardenteuren Mega-Atomkraftwerks in Stendal eine Investmentruine. Ex-Umweltminister Klaus Töpfer berichtet, wie er im wiedervereinigten Deutschland einen Umgang mit den verbliebenen Kernkraftwerken im Osten finden musste. Schließlich kam die Tragweite der Mängel erst nach dem Mauerfall umfänglich ans Tageslicht.

Harald Bretschneider, zu DDR-Zeiten Jugendpfarrer in Sachsen, entwickelte das auch im Westen beliebte Logo der Friedensbewegung mit dem Motto "Schwerter zu Pflugscharen".
 (Bild: ZDF / Kristof Kannegießer)
Harald Bretschneider, zu DDR-Zeiten Jugendpfarrer in Sachsen, entwickelte das auch im Westen beliebte Logo der Friedensbewegung mit dem Motto "Schwerter zu Pflugscharen". (Bild: ZDF / Kristof Kannegießer)