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Werbung im Wandel der Zeit

"Glaube an etwas, selbst wenn es bedeutet, alles dafür zu opfern." Mit diesem Satz warb Nike 2018 mit ihrem Testimonial Colin Kaepernick. Die Kampagne spaltete die Vereinigten Staaten von Amerika tief. Foto: AP Photo / Eric Risberg, File
"Glaube an etwas, selbst wenn es bedeutet, alles dafür zu opfern." Mit diesem Satz warb Nike 2018 mit ihrem Testimonial Colin Kaepernick. Die Kampagne spaltete die Vereinigten Staaten von Amerika tief. Foto: AP Photo / Eric Risberg, File

Werbung, das ist Verheißung und Manipulation. Das ist aber auch immer: Information. Werbung sagt viel aus über die Zeit und die Gesellschaft, in der sie stattfindet. Vor allem dann, wenn sie in ihrer jeweiligen Gegenwart kontrovers diskutiert wurde und wird. Dann gewährt Werbung einen kleinen Eindruck vom herrschenden Zeitgeist.

Wer sich auf eine kleine Zeitreise begibt und die Werbe-Motive und -Methoden der vergangenen Jahrzehnte vergleicht, bemerkt schnell: Im Grunde hat sich nicht viel verändert. Werbung war einerseits schon immer die Verheißung eines Hochglanz-Lebens und hat andererseits provoziert und Tabus gebrochen. Dabei hat sie sich jedoch immer an den herrschenden Zeitgeist angepasst.

1950 – Frauen dienen Männern (und sind dankbar dafür)

Sex. Werbung beginnt in diesem Jahrzehnt, Produkte verführerisch darzustellen. Werbung wird sexualisiert. Insgesamt wird die Gesellschaft offener, ein Symbol dafür ist der Playboy, der ab 1953 erhältlich ist. Produkte von Zigaretten bis Socken werden häufiger mit mehr nackter Haut angepriesen. Aber Vorsicht, es darf nicht zu viel sein: So wurde laut „Süddeutsche Zeitung“ ebenfalls im Jahr 1953 eine Anzeige des österreichischen Wäschehauses Palmers verboten, weil sie, ja tatsächlich, gemalte Frauenbeine in einem zu kurzen Rock zeigte. „Beeinflussung sittlicher Entwicklung jugendlicher Personen, insbesondere durch Reizung der Lüsternheit“ hieß der Vorwurf. Das Unternehmen verlängerte daraufhin den Rock.

WERBUNG

Das Verbot überrascht nicht, wenn man sich andere Werbung aus dieser Zeit anschaut. Zwar haben folgende Beispiele damals keine Kontroverse ausgelöst, aber sie zeigen unter dem Brennglas die damalige Vorstellung einer heilen Welt mit klassischen Geschlechterrollen. So wusste damals Dr. Oetker, dass eine Frau zwei Lebensfragen hat: „Was soll ich anziehen und was soll ich kochen?“

Passend dazu der Bierhersteller „Schlitz“. Der warb damals mit einem Plakat, das einen Mann zeigte, der gerade von der Arbeit nach Hause zu seiner Hausfrau gekommen war und den Arm um sie gelegt hatte. Sie trocknete mit der einen Hand ihre Tränen, in der anderen hielt sie eine tropfende Pfanne. Dazu der Spruch mit Verweis auf zwei Bierflaschen: „Mach dir nichts draus, Liebling, du hast immerhin nicht das Bier verbrennen lassen.“ Frauen waren dazu da, Männer zu umsorgen.

Und sie sollten ihren Männern nur nicht das Leben „schwer machen“: Der Haushaltswarenhersteller „Dormeyer“ hat deshalb folgende Zeitungsannonce geschaltet: Zu sehen waren Bilder von verschiedenen Elektro-Geräten, Toaster, Rührbesen, Wasserkocher und viele mehr. Darüber stand: „Ehefrauen. Umkreist die Gegenstände, die ihr euch zu Weihnachten wünscht. Zeigt sie euren Männern. Wenn er nicht sofort einkaufen geht, weint ein wenig. Nicht viel. Nur ein wenig. Er wird dann gehen, er wird dann gehen.“

1960 – Blasphemie

Skandale machen Werbung. Nur, was gilt als Skandal? Die Antwort zu der Zeit: Blasphemie. So setzte kurz vor der eigenen Pleite der Getränkehersteller „Afri-Cola“ alles auf eine Karte. Mit einem Plakat, auf dem drei junge Nonnen zu sehen waren, die Afri-Cola tranken. Mit aufgerissenen Augen frönten sie dem Koffein-Rausch. Laut „Süddeutsche Zeitung“ beantragte die Kirche damals ein Verbot, der sogenannte „Nonnen-Skandal“ wurde in der Folge sogar zum Medien-Aufreger. Und Afri-Cola? Profitierte. Von 30 Prozent mehr Umsatz.

1970 – Feminismus? Gegen-Feminismus!

Während der Feminismus langsam mit tradierten Strukturen brach, stellten manche Unternehmen Frauen weiterhin als einfältig und unterwürfig dar. Panasonic machte etwa im Jahr 1972 Werbung für einen Fön, den „Flip’N Style“. Der bereite „ganz viel Spaß“, selbst dann, wenn man ihn nicht benutzen könne – so stand es auf dem Plakat. Er sei dann auch ein netter Spiele-Ersatz anstatt eines Teddybären, der Fön eigne sich aber auch, um die Fingernägel zu trocknen. Der „Guardian“ schrieb über die Werbung, dass sie eigentlich „undenkbar“ hätte sein müssen.

Kontrovers diskutiert wurde damals laut „The Atlantic“ ein Plakat des Schuhherstellers „Weyenberg“. Mitten in den stärker und lauter werdenden Feminismus hinein warb die Marke mit dem Spruch: „Behalte sie, wo sie hingehört“ – dazu das Bild eines Schuhs, der auf dem Boden steht und eine nackte Frau, die daneben liegt und den Schuh verliebt anblickt. Weyenberg wollte damit „die Männlichkeit stärken und zeitgleich ein Zeichen setzen gegen den Einfluss der Frauenbewegung“. Dafür bekam der Schuhhersteller einen eigens erdachten, natürlich zynischen, Preis verliehen: den „Keep Her in Her Place Award“.

1980 – sexualisiert und minderjährig

Nackte Haut und Verführung – längst nicht mehr neu. Also steckte Calvin Klein eine 15-Jährige mit aufgeknöpfter Bluse in seine beworbene Jeans. Der Protest gegen das „minderjährige Sexobjekt“ war laut und heftig im „puritanischen Amerika“, wie die „Süddeutsche Zeitung“ schreibt. Sender wollten den zugehörigen Fernsehspot nicht zeigen, aufgeklärte Frauen und Feministinnen schlossen sich zu Protestmärschen zusammen. Gleichzeitig verkaufte Klein fast 400.000 Hosen. Pro Woche.

1990 – Tabubrüche: das Jahrzehnt von Benetton

Nicht vergessen werden darf in der historischen Entwicklung der Werbung „United Colors of Benetton“. Vor allem in den 90er Jahren sorgte die Bekleidungs-Marke für zahlreiche öffentliche Debatten. 1991 mit dem Babybild „Giusy“. Das Besondere: Das Baby war neugeboren. Noch immer blutverschmiert wurde es von zwei Händen in Gummihandschuhen gehalten, mit intakter Nabelschnur. Laut der „Vogue“ fanden die Konsumenten die „Hymne an das Leben“, so die damalige Werbebotschaft, nicht sonderlich kaufanregend. Trotzdem gilt Giusy bis heute als meist-zensiertes Bild, mit dem die Marke je geworben hat.

Ein Jahr später nutzte Benetton das Bild eines sterbenden Aids-Erkrankten im Beisammensein seiner Familie. Das Foto zierte zwei Jahre zuvor die Titelseite des „Life“-Magazins. Ein Künstler hatte für Benetton die Fotografie in Öl übersetzt. Aktivisten verurteilten die Kampagne, sie würde Angst und Stigmata schüren vor Menschen mit Aids und vor der Krankheit an sich. Laut Benetton war es die erste Kampagne, die Aids überhaupt thematisierte und öffentlich machte.

In Deutschland verbot 1995 der Bundesgerichtshof drei Benetton-Motive. Eines davon zeigte die Original-Kleidung eines im Bosnien-Krieg getöteten Soldaten. Sie war blutverschmiert.

2000 – Erinnerungen an die NS-Zeit

Mehr Optimismus und Offenheit in Deutschland – dafür sprach sich im Jahr 2005 der Werbeslogan „Du bist Deutschland“ aus. Die Kontroverse: Laut „Spiegel“ fand dieser „Agitationsspruch bereits unter den Nazis“ Verwendung. Auf einem Foto aus der Zeit zwischen den Jahren 1933 und 1935 ist der Spruch „Denn Du bist Deutschland“ auf einem Plakat unter dem Abbild Adolf Hitlers in Ludwigshafen zu sehen.

Deshalb stritt sich die Öffentlichkeit wochenlang über den Slogan (erdacht übrigens von Jung von Matt), der sich eigentlich für eine multikulturell offene Gesellschaft aussprechen wollte, gleichzeitig aber eine historisch schwierige Dopplung war. Die Debatte: Wie „besetzt“ ist das Deutsch-Sein?

2010 bis heute – wie Werbung die Spaltung der Gesellschaft ausnutzt

Seit einigen Jahren spielt laut „Deutschlandfunk Kultur“ die Werbung gern mit dem politischen Kulturkampf. „True Fruits“ beherrscht dieses Spiel mit der gesellschaftlichen Spaltung wie kaum eine andere Marke. So hat der Safthersteller ein Getränk in einer schwarzen Flasche mit „Unser Quotenschwarzer“ beworben, eine weitere Kampagne war mit „Noch mehr Flaschen aus dem Ausland“ überschrieben, auch der Slogan „Abgefüllt und mitgenommen“ wurde im Internet heiß diskutiert. Ziel der Kampagnen: Die Gereiztheit der digitalen Gesellschaft für Trigger-Themen ausnutzen.

Die Vorwürfe, die auf die drei Slogans folgten, hießen: Rassismus, Sexismus, gar eine Aufforderung zur Vergewaltigung wurde in den letzten Werbespruch hineingedeutet – nicht sonderlich abwegig. Solche Interpretationen und daraus folgende Streitereien sind von der Marke wohl gewünscht. Dadurch bleibt sie im Gespräch. Nicht nur das: Es ist Kalkül, nur einen Teil der Gesellschaft anzusprechen, indem man sich deren „Codes“ bedient und sich somit anbiedert. Gleichzeitig werden andere Gruppen – gemeinsame „Feinde“ – gereizt. So kann eine Marke bei potenziellen Kunden ein Zugehörigkeitsgefühl erzeugen.

Ein weiteres Beispiel für „moderne“ Werbe-Kontroversen lieferte vor zwei Jahren der Sportartikelhersteller „Nike“. Er gab seiner Kampagne „Believe in Something“ das Gesicht des ehemaligen Football-Quarterbacks Colin Kaepernick. Der wurde weltweit bekannt, weil er als Spieler während der Nationalhymne kniete, um ein Zeichen gegen Polizeigewalt, die in den USA statistisch viel häufiger gegen schwarze Menschen ausgeübt wurde und wird, zu setzen.

Daraufhin legte sich Präsident Donald Trump mit ihm und der gesamten NFL an. Das Ende vom Lied: Nach der Saison wollte kein Team mehr Kaepernick anstellen. Die Nike-Kampagne führte in den USA außerdem zu erbitterten Auseinandersetzungen zwischen Republikanern und Demokraten – zahlreiche Menschen stellten damals Videos online, wie sie ihre Nike-Schuhe verbrannten. Die andere Seite: Laut „entrepreneur.com“ stiegen Nikes Verkäufe in der Zeit um 31 Prozent. Vor allem unter Millennials und Menschen der Generation Z wurde die Marke zum Zeichen für soziale Gerechtigkeit.