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Welcher Versicherer die höchsten Zinsen zahlt

Die deutschen Lebensversicherer müssen vielfach die Überschussbeteiligung absenken. Nur eine kleine Assekuranz hob die Verzinsung an. Was dahinter steckt.

Modellfiguren vor einem Display mit der Aufschrift Lebensversicherung. Die laufende Verzinsung bei den meisten klassischen Policen sinkt weiter. Doch eine kleine Assekuranz sticht heraus. Foto: dpa
Modellfiguren vor einem Display mit der Aufschrift Lebensversicherung. Die laufende Verzinsung bei den meisten klassischen Policen sinkt weiter. Doch eine kleine Assekuranz sticht heraus. Foto: dpa

Die Klage ist laut und vernehmlich. Die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank werde Lebensversicherungskunden „auf lange Sicht niedrigere Renditen“ bescheren, monierte Norbert Rollinger, Vorstandschef der genossenschaftlichen R+V Versicherung, öffentlich vor wenigen Wochen. Und davon ist quasi jeder Deutsche betroffen. Denn jeder besitzt rechnerisch mindestens eine Lebenspolice, über die vielfach Kapital für die private Altersvorsorge angespart wird.

Auch bei diesen Policen müssen sich die Deutschen also auf immer weiter schrumpfende Renditen einstellen: Die Lebensversicherungs-Policen werfen im Durchschnitt in diesem Jahr infolge der Dauer-Niedrigzinsen erneut deutlich weniger ab, wie eine Studie der Ratingagentur Assekurata ergibt.

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Ein kleiner Versicherer aus Berlin allerdings stemmt sich bisher überraschend erfolgreich gegen den Trend. Die Ideal-Versicherung aus der Berliner Kochstraße hob ihre laufende Verzinsung im vergangenen Jahr als eine der wenigen von 3,0 auf 3,3 Prozent im Jahr an und belässt sie 2020 konstant auf diesem Level – ein Spitzenwert in Deutschland.

Der heimliche Profiteur der Niedrigzinsen

Die 1913 als „Volksfeuer-Bestattungsverein zu Groß-Berlin VVaG“ gegründete Assekuranz setzt sich mit ihrer aktuellen Verzinsung auffällig von vielen Konkurrenten ab. Wie Assekurata-Chef Reiner Will am Donnerstag in Köln auf Grundlage der aktuellen Studie darlegte, sinkt die laufende Verzinsung oder Überschussbeteiligung im Durchschnitt dieses Jahr um 0,17 Prozentpunkte gegenüber dem Vorjahr.

„Als Folge des verschärften Zinsniveaus 2019 stehen die Deklarationen klassischer Verträge wie erwartet erneut unter Druck“, erklärte Will. Die Überschussbeteiligung ist die für ein Jahr gültige laufende Verzinsung auf den Sparanteil der Lebensversicherung, also den um die Kosten für Vertrieb und Risikoschutz verminderten Betrag.

Die Versicherer setzen die Überschussbeteiligung jedes Jahr je nach Wirtschaftslage und Anlagestrategie neu fest. Zum Ende der Vertragslaufzeit kommt noch ein sogenannter Schlussüberschussanteil und eine Mindestbeteiligung an den Bewertungsreserven hinzu.

Die stark beachtete laufende Verzinsung auf klassische Rentenversicherungen, zu denen die Lebensversicherungen maßgeblich zählen, ist laut der aktuellen Übersicht von Assekurata über 47 Versicherer für neue Verträge im Schnitt auf 2,29 Prozent gesunken, nach 2,46 Prozent im Vorjahr. Im vergangenen Jahr schien der Abwärtstrend nach einem Jahrzehnt gestoppt, doch inzwischen haben viele deutsche Versicherer die Hoffnung auf in absehbarer Zeit steigende Zinsen aufgegeben und die Konsequenz daraus gezogen.

Nach den Daten von Assekurata haben zwei von drei der rund 24 Lebensversicherern, für die dem Ratinghaus Daten vorliegen und die aktuell noch klassische Rentenversicherungen anbieten, ihre Überschussbeteiligung für 2020 gesenkt – allen voran der unangefochtene Marktführer Allianz Leben.

Die Münchener bieten jetzt nur noch 2,5 Prozent laufende Verzinsung im Jahr an, nachdem sie zuvor die Zinsen drei Jahre lang stabil gehalten hatten. Viele Rivalen folgten dem Beispiel. Die niedrigste Überschussbeteiligung hat mit 1,25 Prozent – wie schon 2019 – die Proxalto Lebensversicherung ausgewiesen.

Hinter dem Kunstnamen verbergen sich die rund vier Millionen Policen, die Generali Deutschland im vergangenen Jahr an den Bestandsmanager Viridium abgegeben hatte. Unter zwei Prozent liegen jedoch unter anderem auch andere große Anbieter wie Gothaer, Helvetia und die Öffentliche Versicherung Oldenburg.

50 Immobilien-Objekte im Bestand

Was ist aber das Geheimnis der Berliner Ideal, das sie widerstandsfähiger als viele Rivalen macht? Ideal-Vorstandschef Rainer M. Jacobus nannte im Gespräch mit dem Handelsblatt eine „antizyklische Kapitalanlagepolitik“, auf die das Unternehmen seit 15 Jahren setze, als wichtigsten Grund. So verfügt der Versicherer im Vergleich zu vielen Rivalen über einen ungewöhnlichen hohen Anteil von Immobilien im Portfolio, vor allem am boomenden Berliner Markt – und will diesen sogar weiter aufstocken.

So investierte der Versicherer frühzeitig ab dem Jahr 2003 so stark wie kein anderer Versicherer einen Großteil des Kapitals in Berliner Immobilien, als diese noch nicht so teuer waren. Derzeit gehören der Versicherung rund 50 Objekte, darunter das Gebäude des Vier-Sterne-Hotels Ellington nahe dem Zoologischen Garten und der eigene Hauptsitz in der Kochstraße, wie Finanzchef Karlheinz Fritscher sagte.

„Der Anteil der Gewerbeimmobilien ist in den letzten Jahren aber deutlich nach oben gegangen, da wir dort noch am ehesten vernünftige Preise sehen.“ Insgesamt liegt der Immobilienanteil am Portfolio bei 24 Prozent, während die Branche im Durchschnitt nur auf vier bis fünf Prozent kommt. „Um ehrlich zu sein, war natürlich auch eine Menge Glück dabei“, räumte Jacobus ein. „Wir waren aber früh überzeugt, dass sich Berlin langfristig nicht völlig anders als London oder Paris entwickeln wird.“

Der frühe Schwenk in Richtung Immobilien zahlt sich für die Ideal-Kunden nun aus, auch wenn Versicherer Immobilien-Investments nach den neuen Regulierungsanforderungen gemäß „Solvency II“ mit 25 Prozent Eigenkapital – und damit deutlich mehr als für Staatsanleihen – hinterlegen müssen. Denn Wohnungen und Häuser in Deutschland verteuern sich auch nach zehn Jahren Immobilienboom weiter kräftig.

Seit dem Jahr 2009 haben sich die Kaufpreise um 93 Prozent erhöht, also fast verdoppelt, wie aus dem diese Woche vorgelegten Frühjahrsgutachten des Branchenverbands Zentraler Immobilien-Ausschuss (ZIA) hervorgeht. Während die Großstadt-Mieten langsamer zulegen, steigen die geforderten Preise für Eigentumswohnungen unerwartet stark weiter. Sie lagen der Studie zufolge im vergangenen Jahr 9,7 Prozent über dem Vorjahr. Berlin hat nun allerdings einen Mietpreisdeckel beschlossen. „Wir rechnen damit, dass uns der Mietendeckel rund eine Million Euro kosten wird – das ist für uns aber verkraftbar“, sagte Jacobus.

Viele Konkurrenten investieren inzwischen ebenfalls mehr in Immobilien. Doch mittlerweile sind die Investments deutlich riskanter – und auch weniger profitabel. So sind die Preise bei Wohn- und Gewerbeimmobilien zuletzt schneller gestiegen als die Mieten, was die Rendite der Objekte beim Neukauf deutlich sinken lässt. Die europäische Versicherungsaufsicht warnte zudem, dass, wer jetzt noch groß in den Markt geht, sich auch neue Risiken in die Bilanz holt, vor allem wenn die Immobilienpreise einmal rasch sinken sollten. Lars Heermann, Chef der Bewertungsabteilung von Assekurata, hält die Gefahr allerdings für überschaubar. Wer vor mehr als fünf Jahren Immobilien erwarb, habe einen so großen finanziellen Puffer, dass das Risiko gering sei, argumentierte er.

Garantiezins soll weiter sinken

Doch die zerstörte Hoffnung auf eine rasche Zinswende und die anhaltenden Zuzahlungen in den staatlich verordneten Sicherungspuffer, die Zinszusatzreserve, setzt der Branche zu. Die Anleiherenditen in Deutschland haben einen historischen Tiefstand erreicht, was den Anlagenotstand der nach Rendite suchenden Großanleger wie Versicherungen vergrößert.

„Das jetzige Zinsniveau an den Kapitalmärkten erhöht den Druck auf die Unternehmen“, sagte Guido Bader, Vorsitzender der Deutschen Aktuarsvereinigung (DAV), dem Verband der Spitzenmathematiker der Versicherer, jüngst. Die DAV schlug deshalb im Dezember vor, ab 2021 für Neuverträge nur noch einen Garantiezins von 0,5 Prozent zu bieten. Die endgültige Entscheidung muss nun das Bundesfinanzministerium auf Grundlage der DAV-Berechnungen und Empfehlungen der Finanzaufsicht Bafin treffen.

Der Garantiezins bei klassischen Policen legt fest, welche Verzinsung auf den Sparanteil der Lebensversicherung die Versicherer ihren Kunden bis zum Vertragsende mindestens auszahlen müssen. Versicherer dürfen weniger als den korrekt eigentlich Höchstrechnungszins genannten Satz bieten, aber nicht mehr. Der Garantiezins fließt in die deklarierten Überschussbeteiligungen für jedes Jahr mit ein. Künftige Lebensversicherungskunden müssen sich deshalb darauf einstellen, dass die klassischen Policen in Zukunft noch weniger abwerfen als bisher.

Die meisten Versicherer tüfteln vor diesem Hintergrund vor allem an neuen Policen, die keine feste Rendite mehr garantieren – aber mehr Chancen bieten sollen. Versicherungen mit alternativen Garantiekonzepten machen laut dem Branchenverband GDV beim Neugeschäft bereits 60 Prozent aus – bei der Allianz sind es sogar 90 Prozent.

Die laufende Verzinsung des Altersvorsorgeklassikers Lebensversicherung ging in diesem Jahr im Durchschnitt über alle ausgewerteten Produktarten und Laufzeiten auf 2,74 Prozent, nach 2,83 Prozent zurück. Hintergrund für diese im Vergleich noch eher hohe Verzinsung sind die hohen Garantiezinsen bei Altverträgen, die teilweise vor mehr als zehn Jahren abgeschlossen wurden.

Kunden haben einen Anspruch darauf, dass die von den Versicherungen festgesetzte Überschussbeteiligung nicht darunter sinkt. Die neuen Verträge bieten dagegen meist nur noch eine Beitragsgarantie, da es den Anbietern immer schwerer fällt, angesichts der rekordtiefen Zinsen die hohen Zusagen der Vergangenheit zu erfüllen.

„Die traditionelle klassische Police rückt im Regal der Lebensversicherer offenbar immer weiter nach hinten“, sagte Heermann von der Ratingagentur Assekurata. Dies zeigten auch die Wachstumseinschätzungen der Anbieter für ihre verschiedenen Geschäftsfelder. Erstmals bieten im laufenden Jahr mehr Lebensversicherer einen neuen klassischen Tarif im Neugeschäft an als das traditionelle Pendant.

Im Jahr 2015 hatte der Anteil der neuen Policen dagegen erst bei einem Drittel gelegen. „Neue klassische Policen haben somit an Fahrt gewonnen und sich als Geschäftsfeld mittlerweile in der Branche etabliert“, resümierte Assekurata-Chef Will.

Nur die Ideal geht auch da einen anderen Weg. Die Berliner gehören zu den wenigen Versicherern, die ausschließlich klassische Garantieprodukte anbieten – und dabei soll es auch bleiben. „Wir sind zutiefst davon überzeugt, dass es zum Alleinstellungsmerkmal der Lebensversicherung gehört, den Kunden nicht das Risiko für Kapitalanlageentscheidungen zu überlassen“, sagt Jacobus. Zur Strategie des Ideal-Bosses gehört es offensichtlich, einen anderen Kurs als die Konkurrenz einzuschlagen.