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Von wegen „Greenwashing“: Viele Firmen meinen Umweltschutz ernst, sagt diese Beraterin — so hilft sie Unternehmen, nachhaltiger zur werden

Julia Kaul.
Julia Kaul.

Bevor Julia Kaul 2016 als Praktikantin in einem großen Modeunternehmen anfing, sich beruflich mit dem Thema Nachhaltigkeit zu beschäftigen, verhielt sich die damals 24-Jährige nicht mehr oder weniger umweltbewusst als die meisten anderen in ihrer Generation: Sie aß ab und zu Fleisch, kaufte oft und gern neue Klamotten ein und reiste gelegentlich mit dem Flugzeug.

Heute sieht das anders aus. Kaul ist seit drei Jahren Vegetarierin. Neue Mode kauft sie kaum noch. Sie hat ein Konto bei der „Tomorrow Bank“ – und beim Lebensmitteleinkauf nutzt sie eine App, die ihr anzeigt, welche Geschäfte oder Restaurants verbilligt Nahrungsmittel anbieten, die sie sonst wegwerfen müssten. Ihr Haustier Don, ein Straßenhund, den sie aus Portugal adoptiert hat, bekommt zum Spielen keine Plastikbälle, sondern Holzstücke und Korken.

Das alles ist Teil einer Wandlung, die Kaul über die Jahre vollzogen hat. „Gerade über solche Dinge wie nachhaltiges Banking hätte ich mir früher nie Gedanken gemacht“, sagt die Hamburgerin. Und warum beschäftigt sie sich heute damit? Eine Antwort liegt in ihrem Beruf: Kaul ist Nachhaltigkeitsberaterin bei der Berliner Beratung Scholz & Friends Reputation, die viele namhafte Kunden hat – darunter VW, die Otto Group, Coca-Cola und Telefonica/O2. Ihr Handwerk hat sie in Praktika und Werkstudierenden-Jobs gelernt – und in einem neuen Studiengang, dem Master of Business Administration im Bereich Sustainability Management.

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Scholz & Friends Reputation betreut unter anderem Firmen aus der Mode-, Telekommunikations-, Auto-, Banken- und Lebensmittelbranche. „Das ist der Grund, warum ich so gern in die Beratung wollte“, sagt sie. „Jedes Unternehmen und jede Branche hat ihre eigenen Herausforderungen und Chancen im Bereich Nachhaltigkeit. Für mich ist das unglaublich spannend.“

Doch was genau ist eigentlich der Job einer Nachhaltigkeitsberaterin? Julia Kaul hat es uns erklärt – anhand der sechs wichtigsten Schritte, in denen ihre Beratung typischerweise abläuft. Manchmal buchen Unternehmen sie und ihre Teams für das Gesamtpaket, manchmal auch nur für einzelne Schritte.

1. Wichtige Themen identifizieren

Am Anfang stellt Julia Kaul sich und den Beteiligten in den Firmen eine Frage: „Welche Nachhaltigkeitsthemen sind eigentlich relevant für dieses Unternehmen?“ Dabei achten sie auf drei Säulen: die ökonomische, die ökologische und die soziale.

Nachhaltigkeit bedeutet nicht nur, umweltfreundlich zu sein. Es kann auch heißen, dass ein Unternehmen für Nachwuchskräfte so attraktiv ist, dass sie sich längerfristig ans Unternehmen binden; oder dass ein produzierendes Unternehmen sicherstellt, dass an keiner Stelle in der eigenen Produktionskette unter menschenunwürdigen Bedingungen gearbeitet werden muss – wie man es etwa oft von großen Fast-Fashion-Ketten hört.

Was genau die drei Säulen der Nachhaltigkeit umfassen können, dazu lest ihr gleich noch mehr.

2. Themen priorisieren

In diesem Schritt schauen sich Kaul und ihre Kollegen an, wie relevant die Nachhaltigkeitsthemen für das Geschäft des Unternehmens sind. Auch das kann bei sehr unterschiedlich sein. Für produzierende Unternehmen hat etwa das Thema Menschenrechte oft eine entscheidende Bedeutung.

„Wenn zum Beispiel bei einem Textilunternehmen ein Fall publik wird, in dem unter menschenunwürdigen Bedingungen produziert wird, hat das einen riesigen Reputationsverlust zur Folge“, erklärt Kaul. Und der kann geschäftsschädigend sein.

3. Den Impact des Unternehmens bestimmen

Hier stellt Julia Kaul sich und dem Unternehmen die Frage: Welchen Impact – positiv oder negativ – hat die Firma in Bezug auf Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft? Dafür werden verschiedenste Stakeholder zurate gezogen, damit ein möglichst neutraler Blick auf das Unternehmen entsteht. In Online-Befragungen oder Interviews werden zum Beispiel Mitarbeitende mit einbezogen oder Aktionäre, Umweltorganisationen, Uni-Professorinnen oder Verbände, die zu den unterschiedlichen Bereichen ihre Einschätzungen geben.

Ihr fragt euch jetzt, was Impact eigentlich bedeutet? Das lässt sich am besten anhand von Beispielen erklären. So hat die Ölindustrie etwa bei der Förderung und Verbrennung von Öl einen negativen Impact auf die Umwelt. Software-Unternehmen, die Lern-Apps herstellen oder junge Talente fördern, haben einen positiven Impact auf die Gesellschaft. Gleiches gilt für Lebensmittelunternehmen, wenn sie Kleinbauern oder lokale Gemeinschaften in Entwicklungsländern fördern.

4. Status Quo checken

„Hier gucken wir bei jedem der Themen einmal: Passiert da im Unternehmen schon was?“, erklärt Julia Kaul. Vielleicht gibt es schon Steuerungsprozesse oder Management-Ansätze, auf die sich aufbauen lässt. Eines von vielen Beispielen dafür ist der Bereich Diversität und Inklusion. Gibt es in einem Unternehmen schon Richtlinien, an die Beschäftigte sich halten müssen? Gibt es ein Beschwerdesystem, das Teammitgliedern hilft, sich an konkrete Stellen zu wenden, wenn sie sich diskriminiert fühlen?

5. Die Roadmap

An diesem Punkt wird es konkret: Kaul und ihre Kollegen erstellen jetzt gemeinsam mit den Verantwortlichen im Unternehmen eine Art Fahrplan, in dem kurz-, mittel- und langfristige Etappenziele festgehalten werden. „Das machen wir so, dass am Ende ein Nachhaltigkeitsprogramm daraus entsteht.“ Mögliche Ziele können dabei sein:

  • „Wir wollen bis Ende des Jahres eine Übernahmequote von X Prozent bei Azubis erreichen.“

  • „Wir wollen die Quote von Arbeitsunfällen um X Prozentpunkte minimieren.“

  • „Wir wollen jedes Jahr in X Ländern in soziale Projekte investieren, die zur Verbesserung der Bildung von Mädchen beitragen.“

  • „Wir wollen unseren CO2-Ausstoß um X Prozentpunkte verringern.“

6. Die Kommunikation

„Wenn die Kunden das wollen, helfen wir auch dabei, Nachhaltigkeitsthemen intern weiterzutragen – oder nach außen“, erklärt Julia Kaul. Fragen, die sie und ihre Kolleginnen und Kollegen dabei leiten, sind zum Beispiel: Was kann für das Unternehmen ein Leuchtturmprojekt sein? Womit kann es sich nach außen profilieren?

Gerade beim letzten Schritt, der Kommunikation der eigenen Nachhaltigkeits-Strategie an die Außenwelt, hört Julia Kaul häufig einen Begriff, den sie nicht besonders gut leiden kann: Greenwashing. „Wenn ich mich mit Leuten aus meinem privaten Umfeld austausche, höre ich ständig: ,Das ist doch alles Greenwashing’“, erzählt sie. Dabei stimme das in vielen Fällen nicht: Die meisten Unternehmen machten Nachhaltigkeitsarbeit nicht deswegen, weil sie sich nach außen als besonders „grün“ darstellen wollten.

Viele Unternehmen wissen genau, wo ihre Probleme liegen

Im Gegenteil: Gerade große Konzerne hätten sich mittlerweile an so viele Vorgaben im Bereich Nachhaltigkeit zu halten, dass sie sich vor dem Thema gar nicht mehr drücken könnten. Und selbst immer mehr kleine und mittelständische Unternehmen beschäftigten sich freiwillig mit dem Thema. „Der Begriff ,Greenwashing’ wird schnell leichtfertig benutzt“, sagt Julia Kaul.

Klar müsse man genau hinsehen, wenn ein Unternehmen von sich behaupte, besonders nachhaltig zu sein. „Schaut man aber – so wie ich – strategisch in ein Unternehmen hinein, sieht man, dass viele ihre negativen Auswirkungen auf Umwelt oder Gesellschaft genau kennen und an ihnen arbeiten.“ Warum also sollten Unternehmen diese Arbeit nicht auch für ihre Kommunikation nutzen?

Ihr selbst sei es egal, warum ihre Kunden sich mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinandersetzten – ob das nun auf Druck von Kunden, Investorinnen oder eigenen Mitarbeitenden geschehe, oder ob ein Unternehmen eine hohe Eigenmotivation habe. Für sie, sagt sie, sei es einfach schön, dass in so vielen Unternehmen so viel Zeit und Energie in das Thema fließt.

Dieser Artikel wurde zuletzt am 21. Januar 2022 aktualisiert. Er wurde am 18. Januar 2022 veröffentlicht.