Werbung
Deutsche Märkte geschlossen
  • Nikkei 225

    37.628,48
    -831,60 (-2,16%)
     
  • Dow Jones 30

    38.085,80
    -375,12 (-0,98%)
     
  • Bitcoin EUR

    60.401,38
    +706,38 (+1,18%)
     
  • CMC Crypto 200

    1.399,98
    +17,41 (+1,26%)
     
  • Nasdaq Compositive

    15.611,76
    -100,99 (-0,64%)
     
  • S&P 500

    5.048,42
    -23,21 (-0,46%)
     

Wegen Corona-Hilfen: Spuken 4500 Zombie-Unternehmen mehr durchs Land?

Die Wirtschaft bricht 2020 stark ein, doch die Zahl der Firmeninsolvenzen erreicht einen Tiefststand. Experten warnen vor neuen Zombie-Unternehmen.

Die Anzahl der Unternehmensinsolvenzen wird im Coronajahr 2020 auf einen neuen Tiefststand sinken. Foto: dpa
Die Anzahl der Unternehmensinsolvenzen wird im Coronajahr 2020 auf einen neuen Tiefststand sinken. Foto: dpa

Die Coronakrise bringt viele Unternehmen in Existenznöte. In einzelnen Branchen steckt laut Umfrage jede zweite Firma in Zahlungsschwierigkeiten, weil wegen der Lockdowns das Geschäft geschlossen ist und die Kunden ausbleiben.

Dem gegenüber steht allerdings ein erstaunlicher Effekt: Die Anzahl der Unternehmensinsolvenzen wird 2020 laut einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), die dem Handelsblatt vorliegt, voraussichtlich auf einen neuen Tiefststand fallen.

WERBUNG

Nach IW-Berechnungen werden dieses Jahr nur wenig über 17.000 Unternehmen insolvent gehen. Die Anzahl der Unternehmensinsolvenzen wird demnach gegenüber 2019 um circa neun Prozent sinken auf einen neuen Tiefststand von 17.060 – und das trotz des heftigen Konjunktureinbruchs von fünf bis sechs Prozent in diesem Jahr.

Dabei müsste es eigentlich viel mehr Firmenpleiten geben: „Der schwere Wirtschaftseinbruch und die Lockdowns im Frühjahr und zum Jahresende ließen jedoch eigentlich einen kräftigen Anstieg der Insolvenzzahl um etwa 15 Prozent erwarten“, heißt es in der Studie. Rechnerisch ergeben sich damit Ende 2020 circa 4.500 weniger Insolvenzen, als erwartbar waren – „möglicherweise Zombie-Unternehmen“, schreibt das IW.

Zum Teil kann die erstaunlich geringe Zahl der Insolvenzen auf die Rettungspolitik der Bundesregierung zurückzuführen sein. So griffen Bund und Länder den Unternehmen mit einer Vielzahl an finanziellen Hilfen unter die Arme.

Vor allem aber setzte die Bundesregierung in der Krise die Insolvenzantragspflicht für Unternehmen bis Ende September aus. Für einige Unternehmen, die überschuldet, aber noch nicht zahlungsunfähig sind, gilt die Aussetzung noch bis Jahresende.

Doch das Interessante ist: Auch seitdem die Insolvenzantragspflicht für die meisten Betriebe wieder gilt, signalisieren Frühindikatoren kein Anschwellen der Insolvenzzahlen. Seit Oktober ist der Wert nicht großartig gestiegen.

Nächstes Jahr droht ein Anstieg der Firmenpleiten

Zwar könnte es im kommenden Jahr einen Nachholeffekt geben und die Gesamtzahl der Insolvenzen laut IW bei 23.250 liegen. Dies wären zwar 36 Prozent mehr als 2020, aber immer noch weniger als in allen Jahren zwischen 1996 und 2014.

Das IW hat zwei mögliche Erklärungen für die überraschend geringe Anzahl an Insolvenzen. So könnten die staatlichen Corona-Hilfen zu einer Überkompensation geführt haben, sodass weniger Unternehmen als 2019 existenzgefährdet sind. Dies erscheine aber unwahrscheinlich.

Die zweite Erklärung: Bei den 4.500 Unternehmen, die unerwartet nicht pleitegegangen sind, handelt es sich um genannte Zombie-Unternehmen, die wirtschaftlich nicht überlebensfähig sind, aber noch existieren.

Zombie-Unternehmen gibt es immer, auch ohne Krise. So schätzte die Wirtschaftsauskunftsdatei Creditreform die Zahl der „Zombieunternehmen“ in Deutschland im August auf 550.000. Die Krisenpolitik der Bundesregierung könnte allerdings zu einem drastischen Anstieg führen, warnte Creditreform. Sollte die Bundesregierung die Insolvenzantragspflicht wie seinerzeit diskutiert bis Ende März 2021 aussetzen, würde die Zahl der Zombieunternehmen auf 800.000 steigen.

Insbesondere die Verlängerung der Kurzarbeit bis Ende 2021 ins nächste Jahr führte unter Ökonomen zu einer Debatte: Hält der Staat durch sein beherztes Eingreifen in der Krise zu viele untote Unternehmen am Leben? Das würde einen notwendigen Strukturwandel der Wirtschaft hinauszögern.

Zombie-Unternehmen drosseln Wachstum

Zombie-Firmen unterbinden die „schöpferische Zerstörung“ im Sinne des Altmeister-Ökonomen Joseph Schumpeter. Der Selbstreinigungsprozess der Wirtschaft finde nicht mehr statt. Die „natürliche Auslese des Wettbewerbs“ werde ausgehebelt, kritisierten etwa Experten der Commerzbank.

Knappe Ressourcen würden falsch eingesetzt, weil diese Mittel Zombie-Unternehmen erhalten und dadurch Arbeitskräfte fehlgelenkt werden, die woanders produktiver eingesetzt werden könnten. Die Folge: Je mehr Zombie-Unternehmen es gibt, desto geringer das Wachstum einer Wirtschaft. Genau davor warnt das eine Lager der Ökonomen. Die Politik dürfe es deshalb auch in der Krise mit staatlichen Eingriffen nicht übertreiben.

Allerdings gibt es auch viele Ökonomen, die mit dieser Argumentation in der Coronakrise rein gar nichts anfangen können. So argumentiert etwa IW-Chef Michael Hüther, die Coronakrise sei keine Bereinigungskrise.

Die Krise sei nicht ausgebrochen, weil die Wirtschaft wie vor der Finanzkrise 2008 Spekulationsblasen aufgepumpt habe, die nun durch eine Rezession korrigiert werden müssten. Sondern durch ein Virus, an dem niemand in der Wirtschaft irgendeine Schuld trage. So gab es vor der Finanzkrise mehr Zombie-Unternehmen als heute, schrieb jüngst auch die Bundesbank.

Zudem habe die Politik die Schließung der Geschäfte angeordnet. Auch deshalb müsse der Staat der Wirtschaft so gut es geht durch die Krise helfen, glauben Ökonomen wie Hüther im Einklang mit der Bundesregierung.

Die Logik dahinter: Zwar verursacht es volkswirtschaftliche Kosten, wenn der Staat kurzzeitig auch Unternehmen rettet, die auch ohne die Coronakrise nicht überlebensfähig gewesen wären. Doch wenn auch gesunde Unternehmen in der Coronakrise pleitegehen, weil sie keine Hilfe bekommen, sei der gesamtwirtschaftliche Schaden für die Volkswirtschaft höher.