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Weg für Hardware-Nachrüstung bei Diesel frei – Autobauer wollen keine Garantie übernehmen

Das Bundesverkehrsministerium hat die technischen Anforderungen festgeschrieben, damit das Kraftfahrtbundesamt Nachrüstungen genehmigen kann. Doch Volkswagen warnt.

Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) macht den Weg für die Hardware-Nachrüstung älterer Diesel-Pkw zur Reduzierung des Stickoxid-Ausstoßes frei. Die technischen Vorschriften liegen nun vor, wie das Ministerium am Freitag mitteilte. Damit definiere der Bund die Anforderungen für wirksame Nachrüstsysteme. Zuerst hatte die „Bild-Zeitung“ über das 30-seitige Papier berichtet.

Scheuer erklärte: „Jetzt ist die Nachrüstindustrie am Zug, wirksame Systeme zu entwickeln, mit denen alle Grenzwerte und Vorschriften eingehalten werden.“ Sofern diese erfüllt seien, werde das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) schnellstmöglich die Genehmigung erteilen, damit die Systeme zeitnah auf dem Markt angeboten werden könnten. Beim KBA sind nach Informationen der „Bild“ allerdings noch keine vollständigen und entscheidungsreifen Anträge für Pkw-Nachrüstsätze eingegangen.

Marcus Hausser, Chef der Baumot Group, einem der führenden Anbieter von Abgasnachbehandlungssystemen, zeigte sich zufrieden mit den Vorgaben aus Berlin: „Die technischen Vorschriften für die Hardware-Nachrüstung des Verkehrsministeriums sind wie erwartet und die Anforderungen an die Systeme im Rahmen des technisch Möglichen.“

Sein Unternehmen verfüge schon heute über „serienreife Lösung“, mit der auch unter realen Fahrbedingungen mehr als 90 Prozent der Stickoxidemissionen von alten Diesel-Pkw reduziert werden könnten. „Auf dieser Basis werden wir nun im neuen Jahr an der konkreten Umsetzung weiterarbeiten“, erklärte Hausser am Freitag. „Bei einem normalen Zulassungsprozess rechnen wir damit, dass wir sehr zeitig in 2019 die ersten Systeme der Serie ausliefern können", so der Baumot-Chef.

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Die Kosten für die Hardware-Nachrüstungen von Diesel-Pkw der Schadstoffklassen „Euro-4“ und „Euro-5“ sollen nach dem Willen der Politik ganz oder in weiten Teilen die Autohersteller tragen. Volkswagen und Daimler haben sich zwar bereit erklärt, für alte Diesel-Pkw in Regionen wie Stuttgart, München oder Köln, in denen die Stickoxid-Belastung besonders hoch ist, einen Zuschuss für den nachträglichen Einbau von SCR-Katalysatoren zu gewähren – aber die Konzerne wollen maximal 3000 Euro pro Wagen zahlen. BMW und viele weitere Fahrzeugbauer lehnen eine finanzielle Beteiligung bei Hardware-Nachrüstungen zudem gänzlich ab. Und auch Volkswagen und Daimler ziehen rote Linien.

„Wir werden für Einbau und Betrieb der Bauteile der Nachrüstung durch einen Drittanbieter keine Haftung übernehmen“, heißt es bei Daimler seit Wochen. Auch für Schäden an anderen Bauteilen, die sich auf die Umrüstung zurückführen lassen, will der Mercedes-Hersteller keinesfalls haften. Auch VDA-Präsident Bernhard Mattes sagte der „Welt“: „Wir können keine Garantie für ein Fahrzeug übernehmen, in das nachträglich Abgasreinigungssysteme Dritter eingebaut wurden.“

Volkswagen riet am Freitag seine Kunden vor der Nachrüstung von Diesel-Pkw der Abgasnorm Euro-5 durch Drittanbieter ab. „Alle uns bisher bekannten Konzepte weisen Nachteile für unsere Kunden auf, etwa Mehrverbrauch und damit erhöhte CO2-Emission, zum Teil auch Leistungsreduzierung“, sagte VW-Entwicklungsvorstand Frank Welsch.

Der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) hat die Autohersteller aufgefordert, eine Hardware-Nachrüstung nicht weiter zu blockieren. Mit der Festlegung der technischen Anforderungen für Umrüstungen habe Scheuer „seine Hausaufgaben rechtzeitig vor Jahresende gemacht“, sagte die Leiterin des Teams Mobilität und Reisen beim VZBV, Marion Jungbluth, dem Handelsblatt. Jetzt müssten die Autohersteller mitziehen und die Entwicklung von Hardware-Nachrüstung unterstützen.

„Es kann nicht sein, dass die Unternehmen, die den Abgasskandal verursacht haben, eine Lösung für Menschen mit kleinem Geldbeutel blockieren, weil sie darauf keine Lust haben“, mahnte Jungbluth. „Die Autohersteller sollten 2019 in das Zeichen der Kunden stellen und für die betroffenen Dieselbesitzer individuelle Lösungen anbieten.“

Sie forderte die Autohersteller, die SCR-Katalysatoren als Sonderausstattung oder für andere Märkte entwickelt haben, auf, diese schnellstmöglich zuzulassen und ihren Kunden anzubieten. „Damit dem Verbraucher nicht mittel- und langfristig ein Schaden entsteht, muss für die Nachrüstung die Gewährleistung ausgeweitet werden.“

Die VZBV-Expertin fordert einer „klare Regelung“ zwischen Autoherstellern und Anbietern von Nachrüstsystemen, wer für welche Schäden am Fahrzeuge die Haftung übernehme. „Dies muss zwischen den beiden Beteiligten geklärt werden, um das technische wie auch das finanzielle und juristische Risiko nicht auf den Dieselbesitzer abzuwälzen“, sagte Jungbluth. Die Garantie auf einwandfreie Funktion der Nachrüstsysteme und etwaige Schäden am Fahrzeug durch die Nachrüstung müssten Hersteller und Nachrüster dann für mindestens fünf Jahre anbieten.

Die Entwicklung und Genehmigung der Hardware-Systeme sei alleine Sache der Nachrüstfirmen, so Daimler. Eine Entwicklungskooperation oder Anschubfinanzierungen lehnen die Stuttgarter dezidiert ab. Damit die Systeme eingebaut werden dürfen, müssen sie vom KBA zertifiziert werden.

Dennoch haben Autobauer wie Daimler ein Interesse daran, dass Nachrüstfirmen gute Lösungen anbieten können. Denn in den Schwerpunktregionen sind alleine 150.000 Mercedes-Kunden von möglichen Fahrverboten betroffen. Die betroffenen Fahrzeughalter benötigen schnell Klarheit.

Daher hat beispielsweise Daimler Ende November Nachrüstfirmen wie Baumot, HJS, Dr. Pley oder Oberland Mangold zu einem „Technikworkshop“ eingeladen, damit diese Unternehmen besser entscheiden können, ob und für welche Baureihen es sich überhaupt lohnt, Hardware-Lösungen anzubieten. Daimler stellt zudem Geometriedaten bereit, vermittelt Kontakte zu Lieferanten und bietet teils kostenfrei einen Teilesatz an.

Dennoch sieht die Autoindustrie Hardware-Nachrüstungen insgesamt skeptisch. Die Branche plädiert dafür, die schlechte Luft in vielen deutschen Städten vor allem über Softwareupdates und die Erneuerung der Dieselflotte zu verbessern. Der Grund: Die Entwicklungszeit eines Hardware-Bausatzes für spezifische Modelle beträgt laut Branchenkreisen schon mal 24 bis 36 Monate. Software-Updates seien dagegen schon binnen acht Monaten marktreif.

Da Dieselbesitzer, die von Fahrverboten betroffen sind, schnell eine Lösung brauchen, ist der nachträgliche Einbau von SCR-Katalysatoren, Harnstofftanks und Zuleitungen laut Branchenkreisen suboptimal. Zumal es weitere Unannehmlichkeiten mit sich bringt. „Das Kofferraumvolumen sinkt und der Kraftstoffverbrauch steigt“, sagt ein Manager. „Diesen Preis zahlt der Kunde bei Hardware-Nachrüstungen“. Im Gegensatz zu den Autokonzernen hatte Scheuer der dpa gesagt, die Entwickler der Nachrüstsysteme hätten ihm mitgeteilt, sie bräuchten für die Entwicklung nur rund sechs Monate.

Die Grünen machten am Freitag erneut den Verkehrsminister für Diesel-Fahrverbote in deutschen Städten verantwortlich. Bundestags-Fraktionsvize Oliver Krischer sagte der dpa, die Maßnahmen der Bundesregierung für bessere Luft in Städten brächten entweder wenig oder kämen um Jahre zu spät. „Es werden weiter Fahrverbote verhängt, die lange bestehen bleiben. Für die meisten Fahrer von älteren Dieselfahrzeugen gibt es keine Lösung.“

Auch die Software-Updates der Hersteller brächten wenig. „Verkehrsminister Scheuer kann noch so viel lamentieren, am Ende ist er für diese Fahrverbote verantwortlich, weil er sich bei der Hardware-Nachrüstung nicht mit den Herstellern angelegt hat“, so Krischer.

Scheuer hatte angesichts nahender Fahrverbote mehr Anstrengungen von den Autoherstellern gefordert. „2019 muss nicht nur die Diskussion um die Hardware-Nachrüstungen zum Ergebnis führen, sondern es muss auch das Jahr der Vertrauens-Nachrüstung für die deutschen Hersteller sein“, sagte der Minister der dpa am Donnerstag. Die Autobauer sollten selbstkritisch nachdenken, was sie besser machen könnten. „Und die deutschen Hersteller haben verdammt viel gutzumachen.“ Sie müssten Vertrauen und Image bei den Kunden zurückgewinnen.

Kein Jobverlust durch strengere Abgas-Grenzwerte

EU-Industriekommissarin Elzbieta Bienkowska hat indes der Warnung deutscher Autobauer vor Arbeitsplatzverlusten durch die neuen europäischen Klimaschutzvorgaben widersprochen. „Ich glaube nicht an diese Weltendszenarien für die Autoindustrie“, sagte die Polin den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.

Die Europäische Kommission gehe davon aus, dass das vor Weihnachten beschlossene Kohlendioxid-Reduktionsziel insgesamt sogar positive Arbeitsplatzeffekte haben werde. Zwar seien Jobs, die eng mit dem Verbrennungsmotor verbunden seien, in Gefahr. „Aber es werden Plätze in anderen Sparten geschaffen, zum Beispiel im Bereich der elektrischen Mobilität oder Plug-in-Hybriden, aber auch in anderen Maschinenbausektoren oder der Telekommunikation.“

Die EU-Institutionen hatten sich Mitte Dezember auf unerwartet strenge Grenzwerte für den CO2-Ausstoß geeinigt. Neuwagen sollen demnach bis 2030 rund 37,5 Prozent weniger CO2 ausstoßen, als Zwischenziel wurde ein Minus von 15 Prozent bis 2025 vereinbart.

Deutschland hatte sich zuvor für ein weniger hartes Vorgehen starkgemacht. Branchenverbände und Firmenvertreter wie VW-Chef Herbert Diess hatten den Beschluss scharf kritisiert und vor dem Verlust von Arbeitsplätzen gewarnt.
Mit Material von dpa und Reuters