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Wasserstraßen: Kraftwerken und Stahlkochern droht Versorgungsengpass

Deutschen Binnenschiffen geht wegen der strengen osteuropäischen Quarantäne-Vorschriften die Besatzung aus. Der Branchenverband fordert Hilfe.

Der Binnenschifffahrt könnte bald das Personal ausgehen. Foto: dpa
Der Binnenschifffahrt könnte bald das Personal ausgehen. Foto: dpa

In Deutschland müssen sich voraussichtlich Kraftwerke, Stahlhütten und Chemieunternehmen wegen der Corona-Epidemie auf Lieferengpässe einstellen. Der Grund: Der Binnenschifffahrt, die für einen Großteil der Versorgung verantwortlich ist, droht das Personal auszugehen.

Anlass zur Sorge geben die strengen Einreise- und Quarantänebestimmungen in den meisten Ländern Osteuropas, die für ausländische Besatzungsmitglieder die Arbeit auf deutschen Schiffen erheblich erschweren. Denn Bordmitglieder, die während ihrer Freischicht in ihr Heimatland reisen, laufen Gefahr, keine Ausreisegenehmigung mehr zu erhalten – oder bei der Heimreise in eine 14-tägige Quarantäne zu geraten.

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„Wir werden in den kommenden Tagen massive Probleme bekommen, die Schiffe in Fahrt zu halten, weil uns schlicht das Personal für den Schiffsbetrieb fehlt“, warnt Martin Staats, Präsident des Bundesverbands der Deutschen Binnenschifffahrt (BDB). „Das kann gravierende Auswirkungen auf die Rohstoffversorgung für die Großindustrie und damit auf den Wirtschaftsstandort Deutschland haben.“

Immerhin besitzen nach Angaben des Bundesamts für Güterverkehr (BAG) 21,2 Prozent der Bordmitglieder auf deutschen Binnenschiffen keine deutsche Staatsangehörigkeit, viele von ihnen stammen aus dem Osten Europas.

Eben dort aber verschärften die Länder Polen, Tschechien, Ungarn, Serbien, Slowakei, Kroatien und Ukraine ihre Ein- und Ausreisebestimmungen sowie die Quarantänevorschriften. „Wir haben jetzt unsere Besatzungen gebeten, während der Freischichten in Deutschland zu bleiben“, sagt Julia Dettmer, Sprecherin der Bremer Binnenschiff-Reederei B. Dettmer.

Von der Binnenschifffahrt hängt einiges ab

Gerade für ihre Mitarbeiter aus Polen und der Ukraine bedeutet das jedoch: Ein Besuch bei der eigenen Familie dürfte über Wochen oder Monate unmöglich bleiben. Hinzu kommt die Furcht vor einer Corona-Ansteckung der Crews untereinander, die sich beispielsweise bei der Bremer Reederei alle zwei Wochen abwechseln. „In unserem Pandemieplan haben wir festgelegt“, sagt Julia Dettmer, „dass die Übergänge kontaktlos zu erfolgen haben.“

Die scharfen Grenzkontrollen bereiten auch der Tanker-, Schüttgut- und Containerreederei Deymann im emsländischen Haren Kopfzerbrechen, die auf ihren 35 Binnenschiffen 236 Leute beschäftigt, „Die Hälfte unserer Mitarbeiter stammt von außerhalb Deutschlands“, berichtet Ralph van Beek, bei Deymann verantwortlich für den Personaleinsatz. „Noch bieten viele von ihnen Mehrarbeit an, weil sie nicht daheim in Quarantäne kommen wollen“, sagt er. „Die Bereitschaft dürfte aber abhängig sein von der Dauer der Krise.“ Die Politik müsse Lösungen finden, um den Grenzübertritt für Crewmitglieder zu beschleunigen – etwa durch rasche Schnelltests. „Die Schiffsbesatzungen sind systemrelevant“, sagt van Beek.

Von der Binnenschifffahrt hängt in Deutschland einiges ab. Zwar trägt sie mit rund 200 Millionen Tonnen jährlichem Frachtvolumen nur zu etwa sieben Prozent des deutschen Warenverkehrs bei, einige Branchen aber sind massiv abhängig von den Transporten auf Rhein, Main, Mosel, Donau oder Elbe.

Für Unternehmen wie Thyssen-Krupp ist eine funktionierende Binnenschifffahrt unverzichtbar. Was es für den Stahlhersteller bedeutet, wenn Vormaterialien wie Kohle und Eisenerz nicht mehr über den Rhein angeliefert werden können, zeigte sich beim letzten Niedrigwasser im Jahr 2018: Damals musste der Konzern seine Produktion drosseln und eine Gewinnwarnung herausgeben, weil nicht mehr genügend Rohstoffe zur Verfügung standen.

Rund 60.000 Tonnen Rohstoffe werden täglich am Standort in Duisburg angeliefert. Geht das nicht über den Rhein, muss der Konzern unweigerlich auf die Schiene oder den Lkw-Transport ausweichen.

Denn Anlagen wie beispielsweise die Kokerei komplett anzuhalten, ist aus technischen Gründen keine Option – auch wenn derzeit die Nachfrage nach Stahl wegen der Produktionsstopps der Autokonzerne rapide absinkt.


Acht Millionen Tonnen Nahrungsmittel per Schiff

Die knapp 2000 deutschen Frachter, auf denen zuletzt 5113 Besatzungsmitglieder beschäftigt waren, transportieren jährlich gut 52 Millionen Tonnen an Erzen. Hinzu kommen 33 Millionen Tonnen an Mineralöl-Erzeugnissen, 26 Millionen Tonnen Kohle und 21 Millionen Tonnen chemischer Erzeugnisse.

Selbst acht Millionen Tonnen Nahrungs- und Genussmittel werden pro Jahr über Deutschlands Wasserstraßen befördert. Während der aktuellen Krise kommt den Lastkähnen eine hohe Bedeutung zu, wie sich in diesen Tagen abzeichnet. „Wir spüren wirtschaftlich von der Coronakrise überhaupt nichts“, berichtet Julia Dettmers.

Im Gegenteil: Da in diesen Tagen die Landwirtschaft ihre Maschinen wieder startet, gebe es derzeit eine enorme Nachfrage nach Dieseltransporten per Schiff. Anders als im Lkw-Verkehr wird zudem pünktlich geliefert.

„Einschränkungen im grenzüberschreitenden Verkehr sind zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch kein Thema“, berichtet der BDB. Die Pandemie habe aktuell „keinen direkt messbaren Einfluss“ auf den Gütertransport per Binnenschiff.

Entsprechend laut ist der Hilferuf des Branchenverbands. „Wir richten den dringenden Appell an die Bundesregierung, sich gemeinsam mit uns auf europäischer Ebene dafür einzusetzen, dass das Schiffsbesatzungspersonal in den Nachbarstaaten eine uneingeschränkte Reisefreiheit erhält“, fordert Verbandschef Staats.

Dramatische Auswirkungen für die Personenschifffahrt

Zahlreiche Regelungen der EU-Nachbarstaaten stünden nicht im Einklang mit den Leitlinien zur Freizügigkeit im Güterverkehr, die von der EU-Kommission am 16. März 2020 vorgestellt wurden, kritisiert der Verband. Ähnlich hatte sich vor wenigen Tagen schon der Straßengüterverkehrsverband BGL geäußert, der sich um den Einsatz osteuropäische Lkw-Fahrer sorgt.

Während die Fracht-Schifffahrt mit der Politik noch um ihre Zukunft ringt, steht die Personenschifffahrt schon jetzt vor dramatische Auswirkungen der Covid-19-Pandemie.

So leidet laut BDB die Tagesausflugsschifffahrt in den Tourismuszentren unter einem massiven Schwund an Fahrgästen, nachdem die Behörden das Tourismusgeschäft in Metropolen wie Berlin zum Erliegen gebracht haben. Bereits gebuchte Charterfahrten werden bis in die Sommermonate hinein storniert.

Auch die Flusskreuzfahrt hat eine Welle von Stornierungen zu verkraften. Der Saisonstart wurde deshalb auf Anfang Mai 2020 verschoben. „Bis einschließlich 30. April 2020“, heißt es etwa bei der Kölner KD, „finden keine Schiffstouren auf Rhein, Main und Mosel statt.“ Auch die Fähren in Deutschland verzeichnen derzeit ein Transport-Minus von bis zu 50 Prozent.

Die Ostsee-Fährreederei Scandlines hat aus der Misere dagegen inzwischen ein Geschäft gemacht. Weil der Personenverkehr zwischen Dänemark und Deutschland nahezu vollständig untersagt wurde, transportiert sie auf ihren Verbindungen jetzt fast ausschließlich Fracht.