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Wasserstoffstrategie: FDP und Grüne drücken aufs Tempo

Die Koalition hat sich noch immer nicht auf eine Wasserstoffstrategie geeinigt. Nicht nur die Opposition ist genervt, auch die SPD.

 Die Stahlindustrie verursacht besonders viel klimaschädliches Kohlendioxid. Mit Hilfe von Wasserstoff soll sich das ändern. Foto: dpa
Die Stahlindustrie verursacht besonders viel klimaschädliches Kohlendioxid. Mit Hilfe von Wasserstoff soll sich das ändern. Foto: dpa

Die Opposition fordert die Bundesregierung auf, ihre Differenzen zu überbrücken und endlich eine „Nationale Wasserstoffstrategie“ vorzulegen. „Die Wasserstoffstrategie ist eine der zentralen Weichenstellungen auf dem Weg zur klimaneutralen Industrie“, sagte Lukas Köhler, klimapolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, dem Handelsblatt.

Durch eine „ideologisch motivierte Festlegung auf einzelne Technologien“ drohe Deutschland aufs falsche Gleis zu geraten und international den Anschluss zu verlieren, so Köhler. Die Zeit dränge. Der Umbau der gesamten deutschen Industrie auf klimaneutrale Produktionsverfahren sei eine gigantische Herausforderung.

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Ursprünglich wollte die Regierung bereits im vergangenen Jahr ein Konzept verabschieden, doch Union und SPD lassen sich mit der Vorlage einer gemeinsamen Wasserstoffstrategie weiterhin Zeit.

„Wir brauchen endlich eine engagierte Nationale Wasserstoffstrategie des Bundeswirtschaftsministers“, erklärte Matthias Miersch, stellvertretender SPD-Fraktionsvorsitzender, am Freitag. „Der Entwurf wird von Woche zu Woche im Kabinett geschoben, weil der Bundeswirtschaftsminister auf der Bremse steht.“

Sören Bartol, ebenfalls SPD-Fraktionsvize, forderte das von Peter Altmaier (CDU) geführte Ministerium auf, „schleunigst“ zu liefern, „bevor es nach Windkraft und Photovoltaik auch bei Wasserstoff zum Innovationshindernis wird“.

Eine Einigung steht vor allem bei der Menge der für die Erzeugung von Wasserstoff notwendigen Elektrolysekapazitäten aus. Miersch wirft dem Bundeswirtschaftsministerium vor, maximal drei bis fünf Gigawatt Elektrolyseleistung zu wollen. Die SPD fordert mindestens das Doppelte: zehn Gigawatt. Einen solchen Beschluss, sagte Miersch, wollte die SPD am Freitag in der Fraktion beschließen.

Auch FDP und Grüne haben eigene Papiere erarbeitet und legten diese jetzt vor. Das Klimaschutz-Potential könne nur dann ausgeschöpft werden, wenn ausreichende Mengen Wasserstoff zur Verfügung stehen, heißt es in dem noch unveröffentlichten Antrag der Liberalen, der dem Handelsblatt vorliegt.

Die geographischen und klimatischen Bedingungen ließen in Deutschland nur eine begrenzte Produktion von so genanntem grünen Wasserstoff aus erneuerbaren Energien zu, heißt es in dem Papier. Deshalb müsse ein Großteil des Bedarfs über Wasserstoffimporte gedeckt werden. Dabei gebe es andere, ebenso klimafreundliche Alternativen.

Grüner, blauer und türkiser Wasserstoff

Gemeint ist die Diskussion um die Farbe des eigentlichen farblosen Gases Wasserstoff – und die Frage, welche Variante durch die Bundesregierung besonders gefördert werden soll. So genannter grüner Wasserstoff wird mit Strom aus erneuerbaren Energien durch Elektrolyse hergestellt und ist CO2-neutral. Blauer Wasserstoff wird beispielsweise auf der Basis von Erdgas produziert.

Dabei entsteht Kohlendioxid (CO2). Es kann mit der so genannten „Carbon Capture and Storage-Technik“ unterirdisch gespeichert werden. Doch die CCS-Technik ist in Deutschland umstritten. Das SPD-geführte Umweltministerium und das CDU-geführte Forschungsministerium klammern daher blauen Wasserstoff in ihren Überlegungen aus. Das CDU-geführte Wirtschaftsministerium nicht.

Türkiser Wasserstoff wiederum wird mit so genannter Methanpyrolyse ebenfalls aus fossilem Erdgas gewonnen. Dabei entsteht kein CO2, sondern es bleibt fester Kohlenstoff zurück, der als Rohstoff in unterschiedlichen Industrieprozessen genutzt werden kann. Das Verfahren wurde jedoch bislang nur im Labormaßstab angewandt. Es wird also kaum kurzfristig einen relevanten Beitrag zur Versorgung mit Wasserstoff leisten könnten. Die Debatte dreht sich deshalb vor allem um „grünen“ und „blauen“ Wasserstoff.

„Wir können es uns nicht leisten, auf einzelne klimafreundliche und völlig sichere Technologien wie die CO2-Speicherung unter der Nordsee zu verzichten“, sagt FDP-Klimapolitiker Köhler. „Wer beim Klimaschutz einzelne Technologien gegeneinander ausspielt, gefährdet massiv das Ziel, in Deutschland und Europa bis 2050 klimaneutral zu wirtschaften.“ Blauer Wasserstoff müsse als Wegbereiter für grünen Wasserstoff betrachtet werden.

Die Grünen wiederum stehen auf der Seite von Umweltministerin Schulze und Forschungsministerin Anja Karliczek. „Investitionen in Wasserstoff dürfen keine Hintertür-Subvention für fossile Energieträger sein“, sagte Ingrid Nestle, Sprecherin für Energiewirtschaft der Grünen-Bundestagsfraktion, dem Handelsblatt. „Deshalb steht unsere Wasserstoffstrategie ganz klar für grünen Wasserstoff.“

Kooperationen mit wind- und sonnenreichen Ländern

Ein großer Vorteil von Wasserstoff ist seine Speicherbarkeit. Er kann dann und dort produziert werden, wo viel erneuerbarer Strom zur Verfügung steht. Nestle fordert darum gezielte Kooperationen mit wind- und sonnenreichen Ländern.

Außerdem fordern die Grünen, ähnlich wie die SPD, eine Quote für synthetisches Kerosin. Eine solche Quote könne künftigen Investoren ein belastbares Signal geben, dass es tatsächlich zahlungsbereite Abnehmer gibt. „Nur so können wir zu den Import-Konditionen für grünen Wasserstoff Erfahrungen sammeln und aus Luftschlössern solide Planung machen“, so Nestle.

Die Ökopartei knüpft hohe Erwartungen an Wasserstoff als Wegbereiter für eine klimafreundlichere Zukunft, aber eben nur an grünen Wasserstoff. Grüner Wasserstoff sei in den verschiedensten Bereichen eine „schlaue Lösung für Klimaschutz“, heißt es in dem Antrag der Grünen. „Erneuerbarer Strom wird dadurch speicherbar, transportierbar und in mobilen Anwendungen komprimiert einsetzbar.“

Großes Potenzial für die Nutzung von grünem Wasserstoff bestehe in Industriezweigen, „die prozessbedingt Treibhausgase emittieren, sich also allein durch eine Umstellung ihrer Energieversorgung auf erneuerbare Quellen nicht dekarbonisieren lassen“, heißt es weiter.

Durch den Einsatz von grünem Wasserstoff würden beispielsweise klimaneutrale Hochöfen in der Stahlindustrie möglich; oder Chemieparks, deren Produktion nicht länger auf der Verarbeitung von Erdöl und Erdgas basiere.

„Dies sind wichtige Schritte zur kohlenstofffreien Wirtschaft und Standortsicherung der energieintensiven Industrie in Deutschland“, so das Papier. „Der Bedarf an grünem Wasserstoff und grünem Strom ist in einem solchen Szenario riesig.“

Als elementare Voraussetzung für eine klimafreundliche Wasserstoffstrategie halten die Grünen jetzt vor allem den Ausbau der Erneuerbaren Energien. „Wer übermäßige Abstände für Windräder fordert, kann nicht gleichzeitig den Heimatmarkt für grünen Wasserstoff versprechen“, sagte Nestle. Derzeit sorge die Bundesregierung nicht einmal für die Hälfte des Ausbautempos bei der Solar- und Windenergie, welches allein für den Kohleausstieg gebraucht werde.

Unterdessen warnt die FDP davor, potenzielle Anwendungsbereiche wie beispielsweise den Straßenverkehr im Wasserstoffkonzept auszuschließen. Als Speichertechnologie für Wind- und Sonnenenergie könne Wasserstoff angesichts einer immer volatileren Stromerzeugung einen wichtigen Beitrag zur Versorgungssicherheit leisten. In der Industrie könnten damit fossile Brennstoffe ersetzt werden.

Und in Brennstoffzellen könnten mit Wasserstoff Gebäude beheizt und Fahrzeuge angetrieben werden. „Und weiterverarbeitet zu synthetischen Kraftstoffen ermöglicht Wasserstoff den Ersatz von erdölbasiertem Diesel, Benzin und Kerosin in Verbrennungsmotoren im Straßenverkehr wie in der Luftfahrt.“

ARCHIV - 19.07.2019, Baden-Württemberg, Stuttgart: Der Icon für die Reichweite des Wasserstofftanks zeigt 257 Kilometer eines Wasserstoff-Elektro-Hybrids an. (zu dpa «Bericht: Koalition will 40 Milliarden Euro fürs Klima ausgeben») Foto: Sebastian Gollnow/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ Foto: dpa
ARCHIV - 19.07.2019, Baden-Württemberg, Stuttgart: Der Icon für die Reichweite des Wasserstofftanks zeigt 257 Kilometer eines Wasserstoff-Elektro-Hybrids an. (zu dpa «Bericht: Koalition will 40 Milliarden Euro fürs Klima ausgeben») Foto: Sebastian Gollnow/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ Foto: dpa