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Wie sich die Wall Street auf Präsident Biden einstellt

Die Finanzindustrie hat Millionen ausgegeben, um Joe Biden zu unterstützen. Er ist für die Märkte berechenbarer, könnte aber die Bankenregulierung neu beleben.

Ein Blick auf die Wahlkampfspenden zeigt, dass der Demokrat deutlich mehr Geld in der Finanzbranche eingesammelt hat als Donald Trump. Foto: dpa
Ein Blick auf die Wahlkampfspenden zeigt, dass der Demokrat deutlich mehr Geld in der Finanzbranche eingesammelt hat als Donald Trump. Foto: dpa

Die Wall Street ist schon lange bereit für den Wechsel. „Ich glaube, es gibt hier niemanden, der nicht ausgelaugt und genervt ist von Donald Trump“, stellt Daniel Alpert, Mitgründer der New Yorker Investmentbank Westwood Capital, klar. „Schon vor der Pandemie war die vorherrschende Meinung, dass die von Trump verursachte Instabilität nicht mehr erwünscht ist.“ Die Coronakrise habe das nur noch verschlimmert.

Wie kein anderer Präsident hat Trump mit seinen Tweets die Stimmung an den Märkten dominiert. Goldman Sachs und andere Institute fertigten eigene Studien dazu an, um zu untersuchen, wie die Kurznachrichten und erratischen Botschaften aus dem Weißen Haus die Investoren beeinflussen.

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Zuerst attackierte Trump gezielt Unternehmen, wie General Motors und Harley-Davidson. Später konzentrierte er sich auf den Handelskrieg und die Zinspolitik der US-Notenbank Federal Reserve (Fed).

Dass der Börsengang des Fahrdienstanbieters Uber im vergangenen Mai floppte, hatte auch mit der schlechten Stimmung an den Börsen zu tun, die Trump kurz davor via Kurznachricht in Sachen Handelsstreit verbreitet hatte.

Die Investoren sehnen sich nun nach einer Phase der Stabilität, zumindest was die Signale aus dem Weißen Haus angeht. Das haben sie sich einiges kosten lassen: Ein Blick auf die Wahlkampfspenden zeigt, dass der Demokrat Biden mit 74 Millionen Dollar deutlich mehr Geld in der Finanzbranche eingesammelt hat als Amtsinhaber Trump. Der kam nur auf 18 Millionen Dollar, wie Zahlen des überparteilichen Analysehauses Center for Responsive Politics zeigen.

Doch langweilig dürfte es auch unter Biden nicht werden, dessen Amtszeit am 20. Januar beginnt. Denn mit dem neuen Präsidenten wird es andere Schwerpunkte geben, die sich bereits abzeichnen.

Neues Zeitalter der Bankenregulierung?

Die US-Finanzbranche sorgt sich vor allem um das Thema Regulierung. Anders als in der Finanzkrise 2008 stehen die großen Wall-Street-Häuser derzeit zwar nicht im Zentrum der Aufmerksamkeit und haben zuletzt trotz der Coronakrise Milliardengewinne erzielt, vor allem dank eines gut laufenden Investmentbanking-Geschäfts.

Die Rückstellungen für Kreditausfälle sind allerdings gewaltig, und für eine Entwarnung ist es nach Einschätzung von Experten noch zu früh. Es könnte nach wie vor sein, dass aus der Coronakrise am Ende auch eine Bankenkrise wird, wenn sich große Löcher in den Bilanzen auftun.

Dann ist entscheidend, wer die Schlüsselpositionen im Kabinett und in den Aufsichtsbehörden besetzt. Am Montag wurde bekannt, dass der von Trump eingesetzte Chef der Börsenaufsicht SEC, Jay Clayton, Ende dieses Jahres zurücktreten wird – ein halbes Jahr bevor seine Amtszeit abgelaufen wäre. Das vergrößert Bidens Spielraum, wichtige Posten in seinem Sinne zu besetzen.

Als unwahrscheinlich gilt inzwischen, dass Senatorin und Bankenkritikerin Elizabeth Warren den Posten als Finanzministerin oder als Chefin einer wichtigen Aufsichtsbehörde bekommt.

Doch auch die Namen, die in der engeren Auswahl sind, sorgen für Nervosität an der Wall Street. Der Leiter des Teams, das den Übergang in die Regierung vorbereitet, Ted Kaufman, hat sich 2010 für die Aufspaltung großer Banken ausgesprochen. Er war damals, kurz nach der Finanzkrise, Senator. Der frühere Chef der Derivateaufsicht CFTC, Gary Genseler, leitet unter Kaufman das Team, das Posten speziell für Finanzaufseher ausloten soll.

Das sorgte für Spekulationen, dass Genseler selbst ein Kandidat für die Börsenaufsicht SEC oder ähnliche Posten sein könnte. Genseler ist für seine harte Linie bei der Bankenregulierung und beim Thema Verbraucherschutz bekannt. Der ehemalige Goldman-Sachs-Banker und Ultra-Marathonläufer hat sich unter Trumps Vorgänger Barack Obama einen Ruf als harter Knochen aufgebaut. Biden war damals Vizepräsident.

Auch der ehemalige New Yorker Staatsanwalt Preet Bharara ist für den obersten Posten bei der SEC im Gespräch. Er wurde 2017 von Trump entlassen, nachdem er einer Aufforderung zum Rücktritt nicht gefolgt ist.

Bharara galt während seiner Zeit in New York als „Wall-Street-Schreck“. Er führte unter anderem den Prozess gegen den Milliardenbetrüger Bernard Madoff sowie gegen den Hedgefonds-Manager Raj Rajaratnam, der wegen Insidergeschäften zu elf Jahren Haft verurteilt wurde. „Dieser Mann sprengt die Wall Street“, titelte das „Time“-Magazin 2012.

Für den Posten des Finanzministers sind unter anderem die frühere Fed-Chefin Janet Yellen sowie die Fed-Gouverneurin Lael Brainard im Gespräch, die sich ebenfalls als Befürworterin einer strengeren Bankenregulierung positioniert hat.

Präsident Trump hat keine großen Veränderungen in der Bankenregulierung bewirkt, jedoch bewusst branchenfreundlichere Aufseher installiert. Clayton steht aktuell für eine Initiative in der Kritik, die es Hedgefonds einfacher machen würde, ihre Investments geheim zu halten. Fed-Chef Jerome Powell hat in den vergangenen Jahren unter anderem die Regeln für die Stresstests der Banken etwas gelockert.

Auch das Thema Steuererhöhungen dürfte unter Biden auf die Agenda kommen. Er hat sich im Wahlkampf klar dazu bekannt, vor allem was wohlhabende Amerikaner und Großkonzerne angeht.

Wie viel Biden davon tatsächlich durchsetzen kann, hängt allerdings auch von den Mehrheiten im Senat ab, der auch über Kandidaten für das Kabinett und die Aufsichtsbehörden abstimmt. Wie die Verhältnisse im Senat ausfallen werden, wird sich jedoch erst durch eine Stichwahl in Georgia am 5. Januar entscheiden.

Derzeit ist es am wahrscheinlichsten, dass die Republikaner eine knappe Mehrheit im Senat behalten. „Sollte es Biden trotzdem gelingen, Steuererhöhungen durchzusetzen, würde das die positiven Effekte durch mehr Stabilität im Weißen Haus in etwa aufwiegen“, glaubt Matt Maley, Aktienstratege von Miller Tabak.

Er geht davon aus, dass Biden die schwierigen Projekte gleich zu Beginn seiner Amtszeit durchsetzen will. „Daran erinnert sich dann in vier Jahren so gut wie keiner mehr.“

Warten auf das Konjunkturpaket

Trotz der Debatte um Steuererhöhungen sind die US-Aktienmärkte in den vergangenen Tagen auf neue Rekordwerte gestiegen. Und die gute Stimmung könnte sich noch bis deutlich ins nächste Jahr ziehen, glaubt Barry Bannister, der bei Stiefel Nicolaus die Aktienstrategie für institutionelle Investoren leitet. Er sieht den S & P 500 im Frühjahr bei 3800 Punkten, das wäre ein Plus von sechs Prozent vom derzeitigen Stand.

Den Optimismus treibt auch die Aussicht auf ein Konjunkturpaket, das eine Biden-Administration auf den Weg bringen würde. Es wird vermutlich nicht so üppig ausfallen wie ursprünglich angenommen. Schließlich blieb die erwartete „blaue Welle“ aus, bei der Bidens Demokraten auch eine deutliche Mehrheit im Senat gewonnen hätten. Aber auch im Zusammenspiel mit den Republikanern gelten neue Hilfen für die Wirtschaft als wahrscheinlich.

Die sind auch dringend nötig, wie Fed-Chef Jay Powell vergangene Woche erneut warnte. „Die Wirtschaft wird sich erholen, aber es wird eine andere Art von Wirtschaft sein“, gab er bei der Notenbankertagung der Europäischen Zentralbank zu bedenken.

Powell fürchtet, dass junge Leute, Minderheiten, Geringverdiener, Arbeiter und zum Teil auch Frauen vom digitalen Wandel überholt werden und dann Mühe haben, den Wiedereinstieg in die Arbeitswelt zu finden. „Es besteht die Gefahr, dass diese Menschen das Leben verlieren, das sie hatten“, sagte er. Powell signalisierte bereits, dass die Fed das Finanzsystem weiter stützen wird – erwartet aber eben auch ein schnelles Handeln der Regierung.

Die große Rotation

Der unabhängige Kapitalmarktberater Ed Yardeni verweist darauf, dass historisch betrachtet die Aktienmärkte am meisten steigen, wenn die Partei, die den Präsidenten stellt, nicht auch noch die Mehrheit in beiden Kammern hält. Wenn es so kommt, wären das also gute Vorzeichen für das neue Jahr.

In der vergangenen Woche waren bei Aktien bereits erste große Umwälzungen zu sehen. Die guten Nachrichten zu einem Corona-Impfstoff von Pfizer und Biontech sorgten für deutlich beflügelten Banken, Industrieunternehmen, Airlines und Reiseanbieter, die von einer breiteren Erholung der Wirtschaft profitieren würden.

Doch die Rotation war noch nicht nachhaltig. Die Sorgen wegen der rapide steigenden Fallzahlen gaben wenige Tage später den sogenannten „Stay-at-Home-Aktien“ wie Zoom und Netflix wieder etwas Auftrieb.

Jim Paulsen, Investmentstratege des Vermögensverwalters Leuthold Group, geht davon aus, dass dieses Tauziehen noch eine ganze Weile anhalten wird. Anleger müssten sich für die kommenden Monate „Langhantel-Portfolios“ aufbauen. „Man kann nicht nur auf Technologie setzen. Man braucht auch zyklische Titel, Nebenwerte und ausländische Unternehmen.“

Paulsen beobachtet zudem eine Rotation innerhalb des Technologiesektors. Anleger würden sich von den sogenannten FAANG-Aktien (Facebook, Amazon, Apple, Netflix und die Google-Mutter Alphabet) trennen, die über große Teile von Trumps Amtszeit zu den Gewinnern zählten und die Aktienrally der vergangenen Jahre maßgeblich befeuert haben. Stattdessen hätten Chiphersteller und kleinere Tech-Werte noch deutlich Luft nach oben.