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Wahlverlierer Merz und Spahn gehen getrennte Wege

Friedrich Merz verzichtet nach der Niederlage auf ein Parteiamt. Jens Spahn strebt weiter nach Höherem – mit besseren Chancen als je zuvor.

Der Jubel für Friedrich Merz ist groß, auch nach seiner Niederlage. Der 63-Jährige hört den lauten, langen Applaus, als er in Hamburg ans Rednerpult tritt. Er spürt den Wunsch vieler Delegierter, dass er weiter aktiv in der Partei bleiben sollte. Merz weiß um all die Sehnsüchte und Erwartungen, die er mit seiner Kandidatur um den CDU-Vorsitz geweckt hat. Und doch kommt für ihn ein Parteiamt wohl nicht infrage.

Merz sagt, er sei „gern bereit, dort, wo es gewünscht ist, der Partei zu helfen“. Was das genau bedeutet, verrät er vorerst nicht. Für Präsidium und Vorstand kandidiert er jedenfalls nicht. Merz war in den Wochen vor dem Parteitag sehr siegesgewiss gewesen. Er hatte prominente und wichtige Unterstützer, etwa Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble.

Doch das Comeback scheiterte, Annegret Kramp-Karrenbauer setzte sich äußerst knapp im zweiten Wahlgang gegen ihn durch. Seine zweite und wohl letzte Chance auf den Parteivorsitz und auf das Kanzleramt ist verstrichen.

Am Tag danach sprach Merz ohne Groll bei einem Galadinner der Atlantik-Brücke in Berlin. Der CDU-Politiker ist Vorsitzender des elitären Transatlantiker-Netzwerks. Die Last der Niederlage versuchte er mit einem Scherz abzuschütteln.

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Er habe gerade eine ziemlich knappe Kiste hinter sich, informierte Merz den Ehrengast des Abends, die kanadische Außenministerin Chrystia Freeland. „Und ich habe es nur rechtzeitig geschafft, weil meine Rivalin gewonnen hat.“ Das Gelächter im Saal klang fast erleichtert. Seinen etwas spröden Humor hat Merz sich bewahrt.

Ein paar Sätze verliert Merz noch über die Bedeutung der transatlantischen Beziehungen, über Multilateralismus und internationale Kooperation. Die Weltlage wird er auch in den kommenden Jahren nur kommentieren können. Andere werden sie gestalten. Wie wird Merz, der sich immer zu Größerem berufen fühlte, damit zurechtkommen?

Wenn sein Auftritt vom Samstagabend die Richtung vorgeben sollte, lässt sich sagen: indem er weitermacht, wo er aufgehört hatte, bevor der Machtkampf um den CDU-Vorsitz begann. Als wäre nichts gewesen. Schon nach seinem ersten Rückzug aus der Politik vor neun Jahren hat er bewiesen, dass er als Anwalt und Aufsichtsrat in der Wirtschaft erfolgreich sein kann. Wahrscheinlich zieht es ihn nun wieder dorthin zurück.

Seine Unterstützer im Wirtschaftsflügel hoffen darauf, dass Merz sich weiter in die Partei einbringt. „Friedrich, bleib bitte bei uns!“, ruft Carsten Linnemann, Chef der Mittelstandsvereinigung, in einer Rede beim Parteitag.

„Wir müssen den Laden zusammenhalten, verdammt noch mal.“ Großer Applaus. Merz solle vor allem bei den anstehenden Wahlkämpfen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg helfen, dort werden kommendes Jahr die Landtage neu gewählt. Kramp-Karrenbauer hat ihre beiden unterlegenen Konkurrenten um Mitwirkung bei der Aufgabe gebeten, die CDU als „große Volkspartei der Mitte“ zu erhalten und zu formen.

Während Merz der ganz großen politischen Bühne offenbar fernbleiben will, nimmt ein anderer Verlierer das Angebot an: Jens Spahn.

Der Ungeduldige braucht Geduld

Spahn hat trotz seiner Niederlage gewonnen – an Profil, an Bekanntheit, an Souveränität. Zwar stimmten lediglich 15,72 Prozent der Delegierten für den Bundesgesundheitsminister als Vorsitzenden. Der Münsterländer wurde, wie schon wochenlang prophezeit, nur Dritter im Rennen um die Merkel-Nachfolge. Aber sein Ergebnis ist gemessen an den viel schlechteren Umfragen höchst respektabel.

Spahn sitzt jetzt fester denn je im Berliner Kabinettssessel. Das verdeutlicht auch seine Wiederwahl ins CDU-Präsidium: 89,1 Prozent – mehr als alle anderen Bewerber. Obendrein ist er mit Paul Ziemiak befreundet, den die neue Vorsitzende Kramp-Karrenbauer als ihren Nachfolger auf dem Posten des Generalsekretärs wählen ließ.

„Wir sind ja so ein bisschen wie eine Rockband gemeinsam durch Deutschland getourt“, sagt Spahn nach seiner Niederlage – und blickt direkt zu „AKK“. Bei den Regionalkonferenzen habe man sich näher kennen gelernt. Ihm hat es „echt Spaß“ gemacht, sagt Spahn. Klar habe er immer für die Führung des Teams kandidiert. „Aber ich möchte in jedem Fall im Team bleiben.“

In einem Zweikampf um die Parteispitze, Spahn gegen Kramp-Karrenbauer, hätte der Münsterländer wohl bessere Chancen gehabt. Im Dreikampf aber galt er immer nur als Nummer drei. Als der Kandidat ohne Chance. Als sicherer letzter Platz. Doch das scheint auch Druck von ihm genommen zu haben. Beim Finale in Hamburg liefert er eine seiner besten Reden ab.

Im blauen Anzug steht er auf der Bühne, violette Krawatte, er redet frei, locker, voller Elan. Auch mit einem Hauch Selbstironie. Er spricht über seine Vision für 2040. Über Brücken, die nicht bröckeln. Über Flughäfen, von denen wirklich Flugzeuge abheben. „Das ist doch keine Raketenwissenschaft!“, ruft Spahn.

Einer von vielen Sätzen, die dem ein oder anderen Parteifreund bekannt vorkommen mögen. Viele der Versatzstücke stammen von den acht Regionalkonferenzen. Doch es gibt auch neue Töne. Spahn will einen modernen Patriotismus, ein „selbstbewusstes Wir-Gefühl“. Deutschland sei in den vergangenen Jahren viel freier und gelassener geworden.

Er stehe nicht fürs „Weiter-so“, nicht für ein „Zurück“, erklärte er ganz am Anfang seiner Bewerbungsrede – ein kleiner Seitenhieb auf seine Konkurrenten. Er stehe für eine Zukunft mit Tatendrang, für eine Perspektive. „Zukunft braucht Ungeduld“, sagte Spahn.

Diese Ungeduld, die muss er nun zügeln. Seine Gestaltungskompetenz beschränkt sich vorerst weiter auf die Zukunft der Gesundheitspolitik. Die Digitalisierung des Gesundheitswesens, die Stärkung der Pflege, die Finanzen der Krankenkassen – das sind die Themen, denen er sich widmen muss. Aber Spahn bleibt in Lauerstellung, mit seinen 38 Jahren kann er weiter das Attribut „Nachwuchshoffnung“ tragen.

Dass er die Parteiseele erwärmen, dass er begeistern kann, hat er mit seinem Auftritt in Hamburg jedenfalls bewiesen.