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„Wagenknecht mit falschen Fakten“

Linksfraktions-Chefin Sahra Wagenknecht macht Kanzlerin Angela Merkel für den Anschlag in Berlin mitverantwortlich. Die AfD klatscht Beifall. Doch in Wagenknechts Fraktion regt sich Unmut.

Die Chefin der Linksfraktion im Bundestag, Sahra Wagenknecht, ist in den eigenen Reihen unter Beschuss geraten, weil sie die Flüchtlingspolitik von Bundeskanzlerin (CDU) mitverantwortlich gemacht hat für den Terroranschlag auf dem Berliner Breitscheidplatz.

Der Außenexperte der Linksfraktion, Jan van Aken, warf Wagenknecht auf Twitter vor, mit „falschen Fakten“ zu hantieren. „Amri kam im Juli 2015 nach D, die (vollkommen richtige!) Grenzöffnung war im Sept.“

Wagenknecht hatte Merkel im „Stern“ eine „vielschichtige Mitverantwortung“ an der Lkw-Todesfahrt des Berlin-Attentäters Anis Amri zugesprochen. „Neben der unkontrollierten Grenzöffnung ist da die kaputtgesparte Polizei, die weder personell noch technisch so ausgestattet ist, wie es der Gefahrenlage angemessen ist.“ Ebenso fatal sei die Außenpolitik – „die von Merkel unterstützten Ölkriege der USA und ihrer Verbündeten, denen der 'Islamische Staat' erst seine Existenz und Stärke verdankt“.

Der Zusammenhang, den Wagenknecht zwischen dem Anschlag und dem Flüchtlingszuzug herstellt, ist tatsächlich nicht zutreffend. Laut den Ermittlungen kam Amri im Juli 2015 nach Deutschland. Zuvor war er in Italien registriert und saß dort auch im Gefängnis. Merkel nannte am 31. August 2015 die Bewältigung des Flüchtlingszuzugs eine „große nationale Aufgabe“ und beteuerte: „Wir schaffen das.“ Am 4./5. September entscheiden dann Deutschland und Österreich, Tausende Flüchtlinge und Migranten aufzunehmen, die in Ungarn gestrandet sind.

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Von der AfD erhielt Wagenknecht für ihre Kritik an der Kanzlerin umgehend Beifall. „Willkommen im Klub der logischen Erkenntnis, Frau Wagenknecht", sagte die AfD-Bundesvorsitzende Frauke Petry. "Seit ihrem Bestehen kritisiert die AfD die explosiv herbeigeführte Auflösung der nationalstaatlichen Rechte und Pflichten Deutschlands, zu denen zwingend auch die Kontrollen an der deutschen Grenze gehören."

„Bravo Frau @SWagenknecht, #AfD - Positionen sind und bleiben die einzig ehrlichen und vernünftigen Aussagen!“, schrieb auch der Chef der AfD-Fraktion im Magdeburger Landtag, André Poggenburg, auf .


„Es sind Merkels Tote“

Ähnlich wie Wagenknecht hatten sich zuvor auch führende AfD-Politiker geäußert. Allerdings zu einem Zeitpunkt, als Hintergründe noch vollkommen unbekannt waren. „Es sind Merkels Tote“, schrieb etwa der AfD-Europaparlamentarier Marcus Pretzell schon kurz nach der Lkw-Attacke auf Twitter. Petry, seine Lebensgefährtin, legte am nächsten Morgen nach: „Das Milieu, in dem solche Taten gedeihen können, ist in den vergangenen anderthalb Jahren fahrlässig und systematisch importiert worden.“

Dass die AfD für ihre Positionen Wagenknecht vereinnahmt, bringt die -Politikerin in eine ungünstige Situation. Zumal sie das Erstarken der Partei selbst argwöhnisch beobachtet. Auch dafür macht Wagenknecht Merkel verantwortlich. Die Kanzlerin habe bei ihrer Flüchtlingspolitik keinen Plan und kein Konzept gehabt – „das war letztlich schlimmer als nur leichtfertig, ihre Politik hat viel Unsicherheit und Ängste erzeugt und die AfD groß gemacht“.

Petry pflichtete der Linksfraktionschefin bei. "Wenn Wagenknecht nun beklagt, dass Merkels Politik die AfD groß gemacht hat, muss man ihr Recht geben", sagte sie. "Die AfD steht als einzige ernstzunehmende, deutsche Partei für eine komplett andere Politik, die diese unhaltbaren Zustände in Deutschland rückabwickeln will und wird." Wagenknecht habe nun offenbar erkannt, "worin die Ursachen für Terror, Willkür und sexuelle Gewalt, die unser Heimatland seit über einem Jahr überrollen, liegen".

Jedoch fehle der Linken-Politikerin nach wie vor die Erkenntnis, die richtigen Schlussforderungen daraus zu ziehen. "Jedenfalls dürfte sie sich mit ihrer neuerlichen Aussage weiter von der Basis ihrer Partei entfernt haben, die ideologisch und politisch genau das Gegenteil verkörpert, was Wagenknecht nun zu Recht erneut kritisiert“, so Petry.

KONTEXT

Sicherheit in Deutschland - Was bedeutet der Anschlag?

Hat sich die Sicherheitslage in Deutschland nach dem Anschlag verändert?

Sicherheitsexperten glauben: Nein. Der Chef des Bundeskriminalamts (BKA), Holger Münch, sagt, die Gefährdungseinschätzung habe sich nicht verändert. "Wir haben schon vor der Tat gesagt, dass wir in Deutschland eine ernst zu nehmende Bedrohungslage haben. Dass der islamistische Terrorismus ganz maßgeblich die Sicherheitslage in Deutschland prägt", betont er. Mit dem Attentat von Berlin habe sich die Gefährdungseinschätzung quasi realisiert. Deswegen geht Münch nun nicht von einer anderen Gefährdungslage aus.

Was sind die Anhaltspunkte für ein terroristischen Anschlag?

Generalbundesanwalt Frank sagt, man müsse von einem terroristischen Hintergrund ausgehen. Dafür spricht nach seinen Angaben, dass ein Lkw benutzt wurde und der Anschlag in der deutschen Hauptstadt damit an das Attentat von Nizza vom 14. Juli erinnert. Am französischen Nationalfeiertag war ein islamistischer Attentäter mit einem Lastwagen in eine Menschenmenge gerast und hatte 86 Menschen getötet und mehr als 200 verletzt.

Gibt es dazu schon abschließende Erkenntnisse?

Nein. Aber das prominente und symbolträchtige Anschlagsziel Weihnachtsmarkt gebe weitere Hinweise, sagt Frank. Außerdem führt er die Vorgehensweise des Attentäters an, den "Modus operandi". Der ist schon länger in Aufrufen dschihadistischer Terrororganisationen zu finden. Aber es gebe kein Bekennervideo - und deswegen seien endgültige und abschließende Aussagen zum Hintergrund des Anschlags nicht möglich, sagt Frank. Die Polizei ermittele nach wie vor in alle Richtungen.

Ist Deutschland im Visier der islamistischen Terrormiliz Islamischer Staat (IS)?

Grundsätzlich ja und seit längerem. Aber: Noch gibt es keinen Beleg, das der Islamische Staat (IS) tatsächlich hinter der Attacke steckt. Den Sicherheitsbehörden lagen zunächst kein Bekennerschreiben und kein Bekennervideo vor. Grundsätzlich sind Deutschland genau wie Frankreich, Großbritannien, Spanien oder andere europäische Staaten quasi seit Jahren im Visier islamistischer Terroristen.

Muss ich Angst haben, wenn ich auf einen Weihnachtsmarkt gehe?

Auch hier gilt, was Experten seit langem sagen: Absolute Sicherheit gibt es nicht. Zwar haben die Behörden in vielen Bundesländern die Sicherheitsmaßnahmen für Weihnachtsmärkte erhöht, zusätzliche Polizisten abgestellt und auch mehr Videoüberwachung installiert. Doch auch Betonpoller oder andere Schutzmaßnahmen dürften einen zu allem entschlossenen Attentäter kaum aufhalten.

Sind die Sicherheitsbehörden machtlos gegen die Bedrohung?

Ja und Nein. Bis Montagabend war Deutschland von einem größeren Anschlag mit zahlreichen Toten und islamistischem Hintergrund verschont geblieben. Das hatte oft mit Glück, aber auch mit der Ermittlungsarbeit der deutschen Sicherheitsbehörden zu tun. Viele islamistische Heimkehrer aus den IS-Kriegsgebieten in Syrien und dem Irak sind als Gefährder bekannt und werden überwacht. Geholfen haben öfters auch die Kontakte zu befreundeten Geheimdiensten etwa wie dem umstrittenen US-Dienst National Security Agency (NSA). Die deutschen Geheimdienste haben in der Vergangenheit häufiger Tipps von ihren internationalen Kollegen erhalten.

KONTEXT

Der Nazi-Jargon der AfD

Auffällige Nazi-Rhetorik bei einzelnen AfD-Politikern

Der Vorsitzende der Gesellschaft für deutsche Sprache, Peter Schlobinski, betont zwar, dass man nicht die gesamte (Alternative für Deutschland) AfD über einen Kamm scheren dürfe. "Doch einzelne Mitglieder pflegen eine auffällige Nazi-Rhetorik. Der Rhythmus, das sprachliche Diktum, die Emotionalisierung - es gibt einiges, was stark an die NSDAP-Sprache angelehnt ist." Und der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke sei ja schon "fanatisch in seiner Sprache". Es folgen einige Beispiele.Quelle: "Stern", eigene Recherche.

Björn Höcke, Thüringen-AfD-Chef

"3000 Jahre Europa! 1000 Jahre Deutschland!"

Björn Höcke, Thüringen-AfD-Chef (2)

"Erfurt ist "¦ schön "¦ deutsch! Und schön deutsch soll Erfurt bleiben!"

Björn Höcke, Thüringen-AfD-Chef (3)

"Das Boot ist übervoll und wird kentern."

Björn Höcke, Thüringen-AfD-Chef (4)

In einem Vortrag stellte Höcke das Bevölkerungswachstum Afrikas in einen Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise, was weithin als biologischer Rassismus bewertet wurde. Er sprach von einem "Bevölkerungsüberschuss Afrikas" und erklärte, der "lebensbejahende afrikanische Ausbreitungstyp" treffe in Europa auf den "selbstverneinenden europäischen Platzhaltertyp". Dann schlussfolgerte er: "Solange wir bereit sind, diesen Bevölkerungsüberschuss aufzunehmen, wird sich am Reproduktionsverhalten der Afrikaner nichts ändern."

André Poggenburg, Chef der AfD in Sachsen-Anhalt

In ihrem auf Facebook verbreiteten Weihnachtsgruß vom 24.12.2015 sprach die AfD Sachsen-Anhalt unter anderem davon, in der Weihnachzeit über die "Verantwortung für die Volksgemeinschaft und nächste Generation" nachzudenken. Der verwendete Begriff "Volksgemeinschaft" löste daraufhin eine Diskussion aus. Denn, so der Politikwissenschaftler Samuel Salzborn von der Universität Göttingen bei "tagesschau.de", der Begriff der Volksgemeinschaft sei historisch "eindeutig durch den Nationalsozialismus belegt". Der Begriff sei in einer Demokratie unhaltbar, so der Professor, selbst wenn man sich auf den Standpunkt historischer Naivität zurückziehen würde. Die Idee einer Volksgemeinschaft sei generell nicht mit den Vorstellungen von Demokratie vereinbar.

Alexander Gauland, Brandenburg-AfD-Chef

"Es wird Zeit, dass wir das Schicksal des deutschen Volkes, damit es ein deutsches Volk bleibt, aus den Händen dieser Bundeskanzlerin nehmen."

Alexander Gauland, Brandenburg-AfD-Chef (2)

"Das Boot ist voll. Auch um der Flüchtlinge willen muss Deutschland jetzt die Notbremse ziehen."

Frauke Petry, AfD-Bundesvorsitzende

"Die deutsche Politik hat eine Eigenverantwortung, das Überleben des eigenen Volkes, der eigenen Nation sicherzustellen."

Markus Frohnmaier, Bundesvorsitzender der Jungen Alternative (JA)

"Ich sage diesen linken Gesinnungsterroristen, diesem Parteienfilz ganz klar: Wenn wir kommen, dann wird aufgeräumt, dann wird ausgemistet, dann wird wieder Politik für das Volk und nur für das Volk gemacht - denn wir sind das Volk, liebe Freunde."