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Wertvoller als Bayer und BASF: Das sind die drei Erfolgsfaktoren von Merck

In aller Stille ist der Konzern zum wertvollsten Unternehmen der Branche aufgestiegen. Merck punktet vor allem mit drei Faktoren gegen die Konkurrenz.

Die designierte Firmenchefin wird vom bisherigen Firmenchef Stefan Oschmann im kommenden Jahr einen solide ausgerichteten Pharma- und Spezialchemiekonzern übernehmen, dem Analysten auch mittelfristig kräftige Umsatz- und Ertragssteigerungen zutrauen. Foto: dpa
Die designierte Firmenchefin wird vom bisherigen Firmenchef Stefan Oschmann im kommenden Jahr einen solide ausgerichteten Pharma- und Spezialchemiekonzern übernehmen, dem Analysten auch mittelfristig kräftige Umsatz- und Ertragssteigerungen zutrauen. Foto: dpa

Über mehr als ein Jahrhundert hinweg war die Rangordnung der chemisch-pharmazeutischen Industrie in Deutschland fest definiert. An der Spitze – und zeitweise vereint im IG-Farben-Konglomerat – agierte das Großchemie-Trio BASF, Bayer und Hoechst. Und nach der Zerschlagung von Hoechst Ende der 90er-Jahre verblieben BASF und Bayer als unangefochtene Branchenführer.

Doch diese Ära ist nun zu Ende gegangen. Aus dem Blickwinkel des Kapitalmarktes jedenfalls hat sich in den letzten Wochen ein bemerkenswerter Favoritenwechsel vollzogen: Erstmals heißt das höchstbewertete Chemie- und Pharmaunternehmen Deutschlands nicht mehr BASF oder Bayer, sondern Merck KGaA. Schon im März überrundete Merck die umsatzmäßig noch immer weitaus größere BASF, seit einigen Tagen hat man nun auch Bayer hinter sich gelassen.

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Der Aufstieg vollzog sich dabei eher unscheinbar. Das hat auch damit zu tun, dass für die Bewertung von Merck häufig nur die 129 Millionen Aktien des Konzerns berücksichtigt werden, die sich im Streubesitz befinden, nicht aber der gut 70-prozentige Kapitalanteil, den die Gründerfamilie über ihre Holding E. Merck KG hält.

Bezieht man diesen mit ein, errechnet sich aktuell eine Marktkapitalisierung von 56 Milliarden Euro für Merck, gegenüber 49.8 Milliarden bei BASF und nur noch 43,6 Milliarden Euro bei Bayer.

Noch in den 2000er-Jahren war an solche Relationen nicht zu denken. Die beiden Großchemieriesen waren damals in fast jeder Hinsicht vier- bis fünfmal so groß und ertragsstark wie die vergleichsweise kleine Firma Merck.

Merck-Aktie mit besserer Kursentwicklung

Vor allem aus Sicht der Bayer-Aktionäre fällt der Langfristvergleich daher extrem enttäuschend aus. Während sich der Börsenwert von Merck in den letzten 20 Jahren um den Faktor sieben vergrößerte, ist die Marktkapitalisierung des Leverkusener Konzerns nach einem Zwischenhoch im Jahr 2015 inzwischen wieder auf das Niveau von Ende 2000 zurückgefallen – und dies, obwohl man zwischenzeitlich rund 17 Milliarden Euro zusätzliches Eigenkapital durch diverse Kapitalerhöhungen hereingeholt hat.

Merck kam im selben Zeitraum mit zwei Milliarden Euro an Kapitalerhöhungen aus, obwohl man ebenfalls sehr stark zukaufte. Der Börsenwert der BASF hat sich in 20 Jahren immerhin noch knapp verdoppelt, trotz Aktienrückkäufen im Volumen von mehr als neun Milliarden Euro.

Die reine Kursentwicklung der Aktien bietet ein ähnliches Bild: Die Bayer-Aktie notiert aktuell rund 15 Prozent unter dem Wert von Ende 2000. Für BASF errechnet sich für den Zeitraum ein Plus von knapp 130 Prozent, für Merck ein Kursgewinn von rund 470 Prozent.

Glyphosat belastet Bayer

Der Wachwechsel wird dabei gleichermaßen vom Erfolgskurs des Merck-Konzerns wie von den akuten und strukturellen Schwächen der beiden Großchemieriesen geprägt. Die Coronakrise sorgt bei Bayer und BASF für weitaus stärkere Belastungen als bei dem Konkurrenten aus Darmstadt.

Beide Konzerne mussten in den vergangenen beiden Wochen zudem milliardenschwere Wertberichtigungen ankündigen und damit indirekt einräumen, dass sich die Perspektiven in wichtigen Teilbereichen auch längerfristig eingetrübt haben.

Hinzu kommen Probleme, die auch vor der Coronakrise das Geschäft schon belasteten: im Falle Bayer vor allem die nach wie vor unbereinigten Risiken aus den Verfahren um das Unkrautmittel Glyphosat, bei der BASF die hohen Überkapazitäten und der Margendruck bei Kunststoffen und in der Basischemie.

Das alles wird 2020 heftige Spuren in den Bilanzen hinterlassen. Bayer wird als Folge von riesigen Rückstellungen und Abschreibungen nach Analystenschätzungen für 2020 einen zweistelligen Milliardenverlust ausweisen, BASF dürfte mit dem schwächsten Ergebnis seit mehr als zwei Jahrzehnten abschließen.

Demgegenüber marschiert Merck relativ stabil durch die Krise und steuert damit auf ein operatives Rekordergebnis zu. Der Darmstädter Konzern übernimmt damit 2020 erstmals auch die Ertragsführerschaft in der Branche.

Die designierte Firmenchefin Belén Garijo, so zeichnet sich ab, wird vom bisherigen Firmenchef Stefan Oschmann im kommenden Jahr einen solide ausgerichteten Pharma- und Spezialchemiekonzern übernehmen, dem Analysten auch mittelfristig kräftige Umsatz- und Ertragssteigerungen zutrauen.

Das starke Gefälle in der Performance indessen spricht dafür, dass nicht nur die akute Konjunktursituation eine Rolle spielt, sondern auch die längerfristigen Strategien. Das Merck-Management hat in dieser Hinsicht offenbar einen deutlich besseren Job gemacht hat als die Konkurrenten in Ludwigshafen und Leverkusen. Vor allem drei Faktoren dürften dabei eine Rolle spielen.

1. Besseres Produktportfolio

Der Darmstädter Konzern hat sein Geschäftsportfolio in den letzten zwei Jahrzehnten mit der Konzentration auf Pharma, Biotech und Elektronikchemikalien besser auf langfristige Wachstumssektoren ausgerichtet. Zwar läuft es auch bei Merck derzeit nicht überall rund. Das Geschäft mit Flüssigkristallen und Pigmenten wird aktuell durch starken Preisdruck und Absatzeinbußen gebremst.

Prinzipiell ist der Konzern mit seinen drei Sparten Gesundheit (Pharma), Lifesciences (Biotech-Reagenzien und -Materialien) und Performance Materials (Display- und Elektronikchemikalien) auf langfristige Wachstumssektoren ausgerichtet.

Bayer und BASF dagegen haben sich in dieser Hinsicht in eine gewisse Sackgasse manövriert. Bei BASF brachten die Engagements in der Spezialchemie bisher nicht genügend Schub, um Schwankungen im kapitalintensiven Basischemie- und Kunststoffgeschäft auszugleichen. Schon bevor die aktuelle Krise einsetzte, standen Umsätze und Erträge unter Druck.

Bayer wiederum kämpft nicht nur mit den hohen Risiken aus den Glyphosat-Klagen, sondern auch operativ mit Gegenwind. Im Pharmageschäft wird der Konzern durch die Coronakrise stärker gebremst als die meisten Konkurrenten. Mittelfristig droht zudem eine Umsatzdelle durch den nahenden Patentablauf beim Blockbuster Xarelto.

Gleichzeitig zeichnet sich ab, dass sich das Pflanzenschutz- und Saatgutgeschäft nicht so dynamisch entwickelt wie bisher unterstellt. Dem muss Bayer jetzt mit einer Wertberichtigung von fünf bis zehn Milliarden Euro Rechnung tragen. Die Ratio der Monsanto-Übernahme wird damit nicht nur durch die Glyphosat-Problematik infrage gestellt, sondern auch durch die operativen Perspektiven für dieses Geschäft. Das wiederum hat Investoren in den vergangenen Wochen massiv verunsichert.

2. Bessere Akquisitionsbilanz

Die Akquisitionsstrategie von Merck war um Längen erfolgreicher als die der Konkurrenten. Dabei hat der Darmstädter Konzern auf diesem Feld in den letzten eineinhalb Jahrzehnten ebenfalls ein sehr großes Rad gedreht mit den Übernahmen von Serono, Millipore, Sigma Aldrich und zuletzt Versum Materials sowie Investitionen von zusammen mehr als 35 Milliarden Euro.

Anders als Bayer hat sich Merck indessen mit keinem der Zukäufe versteckte Risiken oder ernsthafte operative Schwächen eingekauft. Die Integration der Firmen verlief weitgehend reibungslos, und nicht zuletzt die großen US-Zukäufe Millipore und Sigma haben bisher auch die angestrebten Wachstumsimpulse geliefert. Das Lifescience-Geschäft ist dadurch zu einem ertragsstarken Pfeiler des Merck-Konzerns geworden.

Demgegenüber fällt die Akquisitionsbilanz bei BASF nur durchwachsen aus und bei Bayer eher katastrophal. Der Leverkusener Konzern hat sich nicht nur mit der Akquisition von Monsanto erhebliche Probleme eingehandelt, sondern auch mit vorangegangenen Deals wie dem Kauf der Consumer-Health-Sparte vom US-Konzern Merck & Co.

Selbst ein vergleichsweiser kleiner Zukauf wie der Erwerb des Verhütungsspezialisten Conceptus sorgte für zusätzliche Milliardenbelastungen. Die im Kern solide operative Ertragskraft von Bayer wird daher schon seit Jahren durch hohe „Sonderbelastungen“ für Rechtsfälle und Wertberichtigungen teilweise aufgezehrt.

Für das laufende Jahr dürften sich diese Belastungen dank der Rückstellungen für den geplanten Glyphosatvergleich und der jüngst verkündeten Wertkorrekturen in der Agrosparte in Richtung 20 Milliarden Euro bewegen.

3. Erfolgreichere Innovationsstrategie

Eine weitere Stärke von Merck resultiert aus der relativ erfolgreicheren Innovationsstrategie. Der Konzern selbst versteht sich, dank seiner starken Ausrichtung auf Biotechnologie und Elektronik inzwischen sogar als „Wissenschafts- und Technologieunternehmen“.

Aber gerade auch in der Pharmasparte zeigten sich zuletzt die Stärken des Konzerns: Während es Bayer im Pharmabereich bisher nicht schaffte, genügend Nachschub für die aktuellen Bestseller Xarelto und Eylea zu generieren, gelang Merck unter Führung von Oschmann und seiner Nachfolgerin Garijo ein deutlicher Turnaround in der Pharmaforschung.

Neue Medikamente gegen Krebs und Multiple Sklerose dürften der Merck-Pharmasparte in den nächsten Jahren ein solides Wachstum sichern. Weitere Entwicklungsprodukte könnten zusätzlichen Schub bringen. Vor allem mit seiner Onkologieforschung ist der Konzern daher zum begehrten Partner von Pharmariesen wie Pfizer und Glaxo-Smithkline geworden.

Die Merck-Pharmasparte ist zwar nach wie vor deutlich kleiner als die von Bayer, sie verfügt dank ihrer F+E-Projekte aber über die stärkeren Wachstumsperspektiven. Auch das ist ein Grund, warum der Darmstädter Konzern am Kapitalmarkt inzwischen die Nase vorne hat.