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Warum das Wachstum der türkischen Wirtschaft kein Grund zur Freude ist

Die türkische Wirtschaft ist im dritten Quartal gewachsen, doch die Regierung würdigt das kaum. Sie weiß: Ihre größten Fehler sind noch nicht behoben.

Erfolgsmeldungen tun gut, das weiß die türkische Regierung ebenso gut wie die deutsche Bundesregierung. Nun hat der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan die Gelegenheit dazu: Die türkische Wirtschaft ist im dritten Quartal gewachsen, und zwar um 0,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum, dem letzten Quartal mit positivem Wirtschaftswachstum. Das teilte das türkische Statistikamt Tüik am Montag mit.

Es gibt aber einen Grund dafür, dass weder Erdogan noch sein Finanzminister Berat Albayrak die Zahlen besonders gewürdigt haben. Denn jeder weiß: Die größten Probleme sind noch lange nicht behoben. Erdogan muss deutlich wichtigere Baustellen angehen, um wirklich einen Erfolg verkünden zu können.

Die Türkei hat seit 2004 zehn Jahre lang Wachstumsraten von durchschnittlich fünf Prozent pro Jahr verkündet. Der „anatolische Tiger“ profitierte lange von weltweit günstigen Krediten, einer geopolitisch ruhigen Zeit im Mittleren Osten und einer Aufbruchstimmung im eigenen Land, für die Präsident Erdogan persönlich verantwortlich zeichnen darf.

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Er ist aber auch zum Teil verantwortlich für die Probleme, mit denen das Land nun kämpfen muss. Der abrupte Wertverlust der Lira geht zum Großteil auf ein diplomatisches Gerangel zwischen Erdogan und US-Präsident Donald Trump vor gut einem Jahr zurück. Und im eigenen Land schürt der Staatschef derzeit lieber nationalistische Gefühle, anstatt das zu propagieren, was die Buchstaben in der von ihm gegründeten AK-Partei eigentlich bedeuten: Gerechtigkeit und Fortschritt.

So zeigt sich auch an der Aufteilung nach Sektoren, dass das Wachstum eher durch Zufall entstanden ist: Der Großteil kommt nämlich aus der Landwirtschaft. Die Agrarbranche ist chronisch ineffizient in der Türkei, was nicht zuletzt auch an unvorhersehbaren Wettereignissen und starken Währungsschwankungen liegt. Dieses Jahr waren die Ernten gut – so gut, dass türkische Kirschen in Deutschland häufig sogar die heimischen Früchte verdrängten.

Schwache Lira hilft Exporten

Die Industrie wuchs um 1,6 Prozent. Das ist beachtenswert, dürfte allerdings eher an der schwachen Lira liegen, die immer noch die Exporte befeuert. Im Dienstleistungssektor beträgt das Wachstum 0,6 Prozent – zu wenig für eine Volkswirtschaft, die in die weltweite Topliga aufsteigen möchte.

Auch die drastischen Zinssenkungen der Zentralbank haben das Wachstum befeuert. Binnen sechs Monaten senkte Notenbankchef Murat Uysal den Leitzins um insgesamt zehn Prozentpunkte. Ein Schritt in die richtige Richtung.

Aber das reicht nicht, um langfristig Vertrauen zurückzuerlangen. Viele Investoren haben ihr Geld aus der Türkei abgezogen, andere wie der Volkswagen-Konzern ihre teils milliardenschweren Investments auf Eis gelegt. Landesverteidigung hin oder her: Wenn die Türkei wirklich wirtschaftlich vorankommen will, muss die Führung in der Hauptstadt mögliche Auswirkungen auf die Wirtschaft künftig häufiger bei ihren politischen Entscheidungen berücksichtigen.

Stattdessen konzentrieren sich Erdogan und seine Minister auf kleine und kurzfristige Ziele: billigere Kredite für Haushalte und Unternehmen, je eine Extrawoche Schulferien im Frühjahr und im Herbst sowie eine Kommission zum Mindestlohn. Das ist Symbolpolitik, mehr nicht.

Auch die Banken trauen den Zahlen offenbar nicht ganz. Ihre Zinsen für Haushalts- oder Firmenkredite sind nicht so stark gefallen, wie die Leitzinsen der Zentralbank gesunken sind. Genau das hatte sich die Führung in Ankara allerdings erhofft. Da aber bereits in den vergangenen Monaten die Zahlungsausfälle gestiegen waren, bleiben die Banker lieber vorsichtig.

Kein Wunder, haben doch immer mehr Türken keinen Job oder müssen fürchten, bald entlassen zu werden. Allein in den vergangenen Monaten sind eine Million Arbeitslose hinzugekommen. Nur ein Bruchteil der jungen Menschen, die aus der Ausbildung in den Arbeitsmarkt eintreten, erhält eine Beschäftigung. Konzerne wie die Fluggesellschaft Atlas oder der Modekonzern Sarar kämpfen gegen die Zahlungsunfähigkeit.

Für 2019 rechnen Experten mit einem Wachstum von einem Prozent. Finanzminister Albayrak glaubt für das kommende Jahr an ein Wirtschaftswachstum in Höhe von fünf Prozent. Wie das erreicht werden soll, überlässt er anderen.