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Darum wächst die Lohnlücke zwischen Deutschen und Einwanderern

Die Verdienste zwischen Deutschen und Einwanderern gehen auseinander. Die AfD wittert „Lohndumping“, doch Arbeitsmarktforscher haben eine andere Erklärung.

Die Arbeitsmarktlage von Einwanderern sei so gut wie lange nicht. Foto: dpa
Die Arbeitsmarktlage von Einwanderern sei so gut wie lange nicht. Foto: dpa

Für die AfD ist der Fall klar: „Die Arbeitnehmerfreizügigkeit in der EU sowie die ungesteuerte Zuwanderung der vergangenen Jahre haben zu massivem Lohndumping geführt“, kritisiert der Brandenburger AfD-Bundestagsabgeordnete René Springer.

Das Mitglied im Ausschuss für Arbeit und Soziales hat eine schriftliche Frage an das Bundesarbeitsministerium gestellt, wie sich die Löhne und Gehälter von Vollzeitbeschäftigten seit 2006 entwickelt haben – differenziert nach Deutschen, EU-Ausländern und Flüchtlingen.

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Das Ergebnis: Der Medianlohn von Deutschen ist von 2006 bis 2018 um fast ein Drittel von 2581 auf 3403 Euro gestiegen. Der Median oder mittlere Lohn markiert dabei die Mitte der Einkommensskala, das heißt, die eine Hälfte der untersuchten Personengruppe verdient weniger, die andere mehr.

Bei den EU-Ausländern ist das mittlere Entgelt um rund fünf Prozent gesunken, von 2560 Euro auf 2434 Euro, heißt es in der Antwort der Parlamentarischen Staatssekretärin Anette Kramme, die dem Handelsblatt vorliegt. Bei Beschäftigten aus den acht wichtigsten Asylherkunftsländern stieg das Medianeinkommen bis 2014 kontinuierlich von 1510 Euro auf 1917 Euro an, ist dann aber auf 1894 Euro im Jahr 2018 gesunken.

Lag die „Entgeltlücke“ zwischen Deutschen und EU-Einwanderern im Jahr 2006 nur bei 0,8 Prozent, so ist sie seither auf 28,5 Prozent angewachsen. Bei den Flüchtlingen lag der Lohnrückstand zuletzt bei gut 44,4 Prozent – das sind rund sieben Prozentpunkte mehr als 2014.

Andere Interpretation der Zahlen

Anzeichen für Lohndumping kann Herbert Brücker, Migrationsexperte beim Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), aus den Zahlen allerdings nicht herauslesen. „Das ist ein Beispiel, wie man eine Statistik nicht machen darf, wenn man sie sinnvoll interpretieren will“, sagte Brücker dem Handelsblatt.

Auch das Arbeitsministerium verweist in einer Anmerkung darauf, dass bei der Interpretation von Medianeinkommen zwischen Personengruppen sowie im Zeitverlauf verschiedene Faktoren zu berücksichtigen seien, die sich auf die Entgeltverteilung auswirken können. So habe ein Anstieg der Beschäftigung zum Beispiel bei Personen mit ausländischer Staatsangehörigkeit zumeist einen dämpfenden Effekt auf das Medianentgelt, da die zusätzlichen Personen aufgrund anfänglich geringerer Berufserfahrung und Kompetenzen tendenziell ein geringes Entgelt erzielten als der Durchschnitt.

Die Entlohnung in Deutschland richte sich sehr stark nach dem Senioritätsprinzip und steige im Laufe des Berufslebens deutlich an, sagt dazu IAB-Experte Brücker. „Wenn jetzt viele junge Einwanderer zu uns kommen, ist es klar, dass der mittlere Lohn der Ausländer sinkt.“ Es würde schon helfen, die Zahlen nach Alterskohorten aufzugliedern. Erst dann ließen sie sich sinnvoll interpretieren, meint der Forscher aus der Denkfabrik der Bundesagentur für Arbeit.

Vor 2010 habe es kaum nennenswerte Einwanderung nach Deutschland gegeben, die Zahl der Zuwanderer aus der EU habe sich seit 2009 fast verdoppelt, erläutert Brücker. „Wir vergleichen also Italiener, Griechen und Spanier oder auch Türken aus den ersten Einwanderergenerationen, die seit Jahrzehnten in Deutschland leben und entsprechend verdienen, mit jungen Einwanderern aus den vergangenen Jahren, die oft noch am Anfang ihres Berufslebens stehen.“ Auch ein Deutscher verdiene mit 20 Jahren Berufserfahrung deutlich mehr als ein Berufsanfänger.

Exemplarisch zeigt sich das auch bei Einwanderern aus Afghanistan, Eritrea, Irak, Iran, Nigeria, Pakistan, Somalia und Syrien – den wichtigsten Asylherkunftsländern. Der Verdienstabstand zwischen ihnen und deutschen Beschäftigten ist von 2010 bis 2014 deutlich gesunken. Ein Zeichen dafür, dass in den Jahren zuvor Eingewanderte mehr und mehr im Arbeitsmarkt Fuß gefasst haben und mit steigendem Alter und verbesserter Qualifikation auch mehr verdienen.

Entgeltabstand wächst erst seit 2015 wieder

Erst als mit Zuspitzung der Kriege und Konflikte in Syrien, im Irak oder in Afghanistan ab 2015 in großer Zahl junge Flüchtlinge mit kaum vorhandenen Sprachkenntnissen und oft ohne qualifizierte Berufsabschlüsse nach Deutschland kamen, wächst der Entgeltabstand wieder.

Die AfD-Fraktion sei nicht gegen die Zuwanderung von qualifizierten Fachkräften, wohl aber gegen Lohndumping, sagt dazu der Abgeordnete Springer. Die Bundesregierung habe den politischen Rahmen dafür geschaffen und sich zum „Erfüllungsgehilfen wirtschaftlicher Interessen“ gemacht.

IAB-Experte Brücker ist dagegen überzeugt, dass der Lohnrückstand der eingewanderten EU-Bürger wie auch der Flüchtlinge im Laufe der Zeit abnehmen wird – sofern sie in Deutschland bleiben und nicht wieder abwandern. „Die EU-Einwanderer, die in den zurückliegenden Jahren gekommen sind, werden am Ende eine bessere Arbeitsmarktperformance und höhere Löhne haben als die Gastarbeiter der ersten Stunde, weil sie besser qualifiziert sind.“

Tatsächlich stellt sich die Arbeitsmarktlage von Ausländern so gut dar wie lange nicht. Laut IAB-Zuwanderungsmonitor ist etwa die Beschäftigungsquote von EU-Ausländern zwischen Oktober 2018 und Oktober 2019 um rund drei Prozentpunkte auf 58,8 Prozent gestiegen. Sie liegt damit nur noch rund zehn Prozentpunkte unter der Beschäftigungsquote insgesamt.

Von den Flüchtlingen aus den wichtigsten Asylherkunftsländern im erwerbsfähigen Alter gingen im Oktober vergangenen Jahres 36,6 Prozent einer Beschäftigung nach. Auch hier ist die Quote gegenüber dem Vorjahresmonat aber deutlich um mehr als vier Prozentpunkte gestiegen.