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VW-Konzernchef Diess gibt Führung der Kernmarke ab – Einkaufsvorstand Sommer muss gehen

Der Volkswagen-Aufsichtsrat macht Ralf Brandstätter zum neuen Markenchef. Diess soll so „mehr Freiraum für seine Aufgaben als Konzernchef“ bekommen.

Der VW-Konzernchef steht derzeit unter Druck. Foto: dpa
Der VW-Konzernchef steht derzeit unter Druck. Foto: dpa

VW-Konzernchef Herbert Diess gibt die Führung der Kernmarke an den bisherigen Co-Geschäftsführer Ralf Brandstätter ab. Das teilte der Aufsichtsrat des weltgrößten Autobauers am Montagabend nach einer außerordentlichen Sitzung in Wolfsburg mit.

Diess, der als Vorsitzender des Markenvorstands auch für die Sparte mit dem VW-Logo verantwortlich und wegen Technikproblemen in die Kritik geraten war, solle so „mehr Freiraum für seine Aufgaben als Konzernchef“ bekommen.

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Als VW-Markenchef hatte Diess im Fadenkreuz der Kritik des Betriebsrats gestanden. Die bei Volkswagen besonders mächtige Arbeitnehmervertretung warf ihm Managementfehler vor und machte ihn für die Softwareprobleme beim Golf 8 und beim neuen Elektroauto ID.3 verantwortlich. Schon länger wurde deshalb vermutet, Diess solle als Markenchef abgelöst werden.

Diess erklärte, Brandstätter habe die Marke in den zurückliegenden zwei Jahren als COO erfolgreich geführt und deren Transformation an entscheidender Stelle mitgestaltet. „Ich freue mich daher, dass Ralf Brandstätter nach den tiefgreifenden strategischen Entscheidungen der vergangenen Jahre jetzt die Entwicklung der Marke als CEO weiter kraftvoll vorantreiben wird.“

Darüber hinaus verkündete der Konzern am Montagabend eine weitere Personalie: Einkaufsvorstand Stefan Sommer verlässt das Unternehmen schon wieder. Im September 2018 hatte der ehemalige ZF-Chef die Nachfolge des langjährigen Chefeinkäufers Francisco Javier García Sanz angetreten. Seine Aufgaben soll nun kommissarisch Finanzvorstand Frank Witter übernehmen. Wie es aus Unternehmenskreisen heißt, geht Sommer ein Jahr vor seinem Vertragsende - und verzichtet dafür auf ein Jahresgehalt von rund fünf Millionen Euro.

Vertrauen des Aufsichtsrats schwindet

Das Personalbeben in Wolfsburg zeigt, dass das Vertrauen des Aufsichtsrats in die Konzernführung schwindet. Insbesondere in der Produktion der Kernmarke hakte es zuletzt gewaltig: Aufgrund der Softwareprobleme beim Golf 8 und beim ID.3 stehen Händler und Kunden mit leeren Händen da. Erst am vergangenen Donnerstag konnte VW den Auslieferungsstopp für den neuen Golf aufheben.

Dabei sind die beiden neuen Modelle entscheidend für die Zukunft des Konzerns. Der Dauerbrenner Golf bringt Stückzahlen und Umsatz. Das Elektroauto ID.3 soll der Golf der Zukunft sein, es soll Volkswagen ins digitale und elektrische Zeitalter bringen. Der Erfolg der beiden Modelle wird auch über die Zukunft des Konzernchefs entscheiden, selbst wenn er jetzt die Kernmarke abgibt.

Diess ist seit fünf Jahren im VW-Konzern, seit zwei Jahren ist er Vorstandschef. In dieser Zeit hat der 61-Jährige viele Weichen gestellt. Er leitete den Umstieg von Verbrennern auf Elektroautos ein und investierte Milliarden in die Digitalisierung der Fahrzeuge.

Doch es tobt ein Machtkampf zwischen Diess und den Arbeitnehmern. Der Betriebsrat gilt im VW-Konzern traditionell als sehr einflussreich. Betriebsratschef Bernd Osterloh selbst soll beim Amtsantritt von Diess insistiert haben, dass die Führung der Kernmarke in der Hand des Konzernchefs bleibt, um VW weiter eine besondere Stellung im Markenreich zu garantieren.

Doch zuletzt lähmte die Konfrontation zwischen Konzernchef und Betriebsratschef große Teile der Organisation – und das in einer entscheidenden Zeit. Vor allem aus Belegschaft und Betriebsrat war zu hören, Diess müsse die anhaltenden Schwierigkeiten in der Produktion des Golf 8 und beim neuen E-Auto ID.3 zur Chefsache machen und mehr Präsenz zeigen.

Hinzu kam gegenüber dem ganzen Management Kritik an der Aufarbeitung des Shitstorms um ein rassistisches Golf-Werbevideo im Internet. Die einflussreichen Vertrauensleute der IG Metall erklärten, Mitarbeiter zeigten sich „massiv besorgt“ wegen des Bildes, das VW abgebe.
Diess war vorgeworfen worden, zu schnell zu viel ändern zu wollen. So ließen sich Probleme mit der komplett neuen Golf-Elektronik trotz zahlreicher Taskforces nicht ganz abstellen. Dann gab es noch einen - inzwischen wieder aufgehobenen - Lieferstopp wegen Störungen beim Nothilfeassistenten.

Betriebsratschef Osterloh war den Manager deswegen schon im März offen angegangen: „Die Folgen dieser unrealistischen Planungen sind ein völlig überzogener Druck auf die Kolleginnen und Kollegen an den Montagelinien.“ 2019 konnten nicht einmal zehn Prozent der ursprünglich angepeilten 100.000 Golf 8 gebaut werden.

Beim elektrischen ID.3, mit dem VW einen Golf-Nachfolger im Massenmarkt aufbauen und eine E-Serie mit Milliardeninvestitionen begründen will, hakt es ebenfalls. Das Modell aus dem Werk Zwickau, das ab Mitte Juni zu bestellen sein soll, kommt zunächst nur mit einem abgespeckten Funktionsumfang. Grund: Software-Verzögerungen.

„Immer mehr Kollegen schämen sich für ihren Arbeitgeber“

Viele Autos stehen ohnehin auf Halde, weil die Verkäufe in der Coronakrise drastisch zurückgegangen sind. Auch in der wochenlangen Debatte um Kaufprämien zur Belebung der Nachfrage hatte der 2015 von BMW zu VW gekommene Manager hoch gepokert. Diess forderte „kraftvolle Maßnahmen“ auch für moderne Verbrenner - der Bund beschloss nur erhöhte Zuschüsse für E- und Hybridwagen, zum Ärger vieler Kollegen.

Die Vertrauenskörper-Leitungen der deutschen VW-Werke, die eine Art Scharnier zwischen dem Betriebsrat und den in der IG Metall organisierten Belegschaftsmitgliedern sind, nannten das heftig umstrittene Instagram-Video zum Golf als weiteres Problem. „Für uns ist das Maß inzwischen unerträglich“, schimpften sie. „Mittlerweile ist ein Zustand erreicht, in dem sich immer mehr Kolleginnen und Kollegen für ihren Arbeitgeber schämen und ihn teilweise verleugnen.“

Auch im Aufsichtsrat sorgt der Managementstil von Diess für Unmut, berichtet die Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf Insider. Diess müsse sich für Aussagen auf einer Managementtagung vom vergangenen Donnerstag entschuldigen, in denen er den Aufsichtsrat „im Hinblick auf seine Integrität und sein Compliance-Verständnis kritisiert“ habe, sagte eine Person aus dem Umfeld des Aufsichtsrats.

Bereits Ende vergangener Woche soll das Kontrollgremium länger über die künftige VW-Führung beraten haben. Einem Insider zufolge stand die Zukunft von Diess bei Volkswagen Spitz auf Knopf. Hintergrund des Streits ist offenbar auch Diess' Wunsch nach einer vorzeitigen Vertragsverlängerung. Das „Manager Magazin“ hatte unlängst berichtet, Diess habe nach der Einstellung des Verfahrens wegen Marktmanipulation im Diesel-Skandal diesen Gedanken IG-Metall-Chef Jörg Hofmann vorgetragen, der als Aufsichtsratsvize in diesem Fall dafür zuständig war. Dass dies öffentlich wurde, führt Diess offenbar auf eine Indiskretion zurück.