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VW-Chef Diess bringt Autozulieferer gegen sich auf

Volkswagen-Chef Herbert Diess beherrscht eine Kunst, die in Wolfsburg zuvor wohl nur Ferdinand Piëch zu eigen war – mit wenigen Worten die gesamte Branche in helle Aufregung zu versetzen. „Technologieoffenheit ist jetzt die falsche Parole und führt dazu, den Systemwandel weiter in die Zukunft zu verlegen“, sagte Diess vergangene Woche bei der Vorstellung der Jahresbilanz.

Der VW-Chef erteilt damit allen Alternativen zum Elektroauto eine klare Absage; Gas- oder Brennstoffzellenautos beerdigte er damit gleich mit. Der Batterieantrieb sei „auf absehbare Zeit die beste und effizienteste Möglichkeit für weniger CO2 im Straßenverkehr“, legte Diess an Sonntag gegen über der „Welt“ nach.

Am Samstag hatte Diess in einem Beitrag im Business-Netzwerk LinkedIn ebenfalls für die Elektromobilität geworben. „In Politik und Verbänden darf nicht länger so getan werden, als gebe es gleichwertige Alternativen“, schrieb er.

Autozulieferer brüskiert

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Diess brüskierte damit nicht nur Daimler und BMW und konterkarierte die Position des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), sondern traf vor allem die großen Zulieferer an ihrem wundesten Punkt – allen voran Weltmarktführer Bosch, aber auch Continental, ZF Friedrichshafen, Schaeffler und Mahle.

Zwar sind sich die großen Zulieferer einig, dass dem Elektroauto die Zukunft gehört, und bereiten sich darauf intensiv vor. „Kein Elektroauto ohne Bosch“, sagt Bosch-Chef Volkmar Denner. Und da Zulieferer beim Elektroauto auch die Motoren und Batterien liefern werden, wird ihr Wertschöpfungsanteil tendenziell größer.

Für ihre Umstellung brauchen die Zulieferer aber vor allem eines: Zeit. Es geht um Milliardeninvestitionen und um tausende Arbeitsplätze, die bei einer einseitigen und vorzeitigen Festlegung auf Elektromobilität noch schneller zur Disposition stehen als ohnehin schon. Bei den Zulieferern rumort es auf der Arbeitgeberseite gewaltig, weil VW-Chef Diess mit seinem Vorstoß Öl ins Feuer gegossen hat.

Noch hat sich nichts an der alten Mechanik der Branche geändert: Die Zulieferer bauen das, was der Autohersteller bestellt.

ZF-Chef gibt Contra

Keiner traute sich daher zur offene, Widerspruch gegen den Chef des größten europäischen Autoherstellers und damit mit Abstand größten Kunden. Aber die Statements fielen unterkühlt aus. Am deutlichsten äußerte sich ZF-Chef Wolf-Henning Scheider im Interview mit dem „Tagesspiegel“: „Man darf nicht die Strategie eines einzelnen Unternehmens mit der gesamten Branche gleichsetzen.“

Angefressen sind die Zulieferer vor allem, weil ausgerechnet das Unternehmen, das mit dem Dieselbetrug die ganze Branche in Verruf gebracht hat, jetzt versucht, sich als Vorreiter aufzuspielen. Wohlwissend, dass die Glaubhaftigkeit einer radikalen Elektrostrategie im Bezug auf die CO2-Emissionen an der Art der Energieerzeugung hängt.

Bosch-Beschäftigte hoffen auf sanften Umbau

„Wir müssen als Zulieferer technologieoffen sein“, sagt Bosch-Manager Uwe Gackstatter. „Das ergibt sich schon aus Risikogesichtspunkten. Wenn das mit der Elektromobilität nicht klappt, gibt es keinen zweiten Schuss.“ Bosch habe 300 Kunden.

Gackstatter ist Chef des Bereichsvorstandes Antriebslösungen bei dem Konzern. Die Schwaben haben bereits alle Antriebsarten Diesel, Benzin und Elektro zusammengelegt, um flexibel auf die Order der Autoindustrie reagieren zu können. Gackstatter hat die Mammutaufgabe, die Transformation in den kommenden Jahren möglichst sozialverträglich über die Bühne zu bringen.

Das wird ohnehin kaum möglich sein. Aber je mehr Zeit Bosch bei der Umstellung hat, desto sanfter wird der Umbau. Bei Bosch sind 50.000 Menschen weltweit in der Dieseltechnologie beschäftigt, 15.000 davon in Deutschland und dort vor allem im Feuerbacher Stammwerk, in Homburg und in Bamberg.

Dieselmotoren stoßen im Vergleich zu Benzinern weniger CO2 aus, sind aber nach dem VW-Abgasskandal, an dem Bosch mit Softwarelieferungen involviert war, in Verruf geraten. Moderne Diesel halten die Abgasnormen ein. Deshalb wollen die Zulieferer wie Weltmarktführer Bosch die Technologie nicht abschreiben.

Vergangenen Mittwoch gingen die Beschäftigten in Feuerbach erstmals während der Arbeitszeit auf die Straße. Bei Bosch ist das eher ungewöhnlich. Der Vorstoß von Diess könnte bedeuten, dass die Elektromobilität deutlich schneller kommt und dass bei Bosch mehr Beschäftigte schneller ihren Job verlieren.

Vor den Kopf gestoßen fühlen sich die Zulieferer auch, weil Elektroautos mit Strom aus deutschem Strommix erst ab einer Fahrleistung um die 100.000 Kilometer in der Ökobilanz überlegen sind. „Die CO2-Bilanz des Straßenverkehrs ist unvollständig, solange Kraftstoff- und Stromerzeugung nicht betrachtet werden“, sagte Bosch-Chef Denner erst kürzlich. Die ambitionierte CO2-Regulierung der EU sei deshalb nur mit Technologieoffenheit zu erreichen, sprich mit Verbrennern zumindest in Hybridfahrzeugen.

„Die beste Lösung für eine umwelt- und bedarfsgerechte Mobilität hängt immer vom Einsatzzweck ab“, betont auch Mahle-Chef Jörg Stratmann. Aus diesem Grund sei es essenziell, alle verfügbaren Lösungen zu betrachten und technologieneutral über den gesamten Lebenszyklus eines Fahrzeugs zu bewerten.

„Wir bei ZF sind überzeugt: Ingenieure brauchen keine Schranken, sondern Spielräume“, sagt ZF-Chef Wolf-Henning Scheider. Nur damit finde sich für alle Bedürfnisse die richtigen Lösungen. „Entscheidend für die Mobilität der Zukunft ist ein technologieoffener und pragmatischer Ansatz, der die Menschen mitnimmt und für sie auch erreichbar ist“, ergänzt Scheider.

Auto-Experte warnt vor zu rascher Transformation

Scheider hatte bereits im Handelsblatt-Interview erstmals einen „Volkshybrid“ gefordert, mit Blick auf Haushalte, die nur ein Fahrzeug haben und ihre Mobilität in Alltag und Urlaub erhalten wollen. Mit einem Hybrid der nächsten Generation können die Menschen mit einer Reichweite von 90 Kilometern elektrisch in die Städte fahren. Bei längeren Überlandfahrten mit Verbrennungsmotor sind sie nicht in der Reichweite und beim Laden limitiert wie reine Elektroautos.

Es stehen also pragmatische Ansätze dem radikalen Vorstoß von Volkswagen gegenüber. „Die Fokussierung von Diess auf eine ganzheitliche Betrachtung weltweit verdient Respekt“, sagt Auto-Experte Stefan Bratzel Center of Automotive Management (CAM). „Der VW-Chef erhöht damit den Druck auf alle, nicht nur auf die Zulieferer, sondern auch auf die Regulatorik, Politik und Infrastruktur.“ Aber auch Bratzel sieht die Nachteile einer zu raschen Transformation. „Das verschärft die Auswirkungen auf die Beschäftigung.“

31.200 von 69.600 Stellen bei Herstellern von Motoren oder Verbrenner-Komponenten wie Abgasanlagen, Dichtungen, Kolben oder Getrieben könnten unter dem Strich allein im Autoland Baden-Württemberg wegfallen. Das hat die Landesagentur E-Mobil Baden-Württemberg in ihrer am Montag veröffentlichten Studie bekannt gegeben. Dass knapp 8000 neue Stellen durch Elektromotoren entstehen können, ist da schon eingerechnet.

IG-Metall Bezirkschef Roman Zitzelsberger geht davon aus, dass deutschlandweit weit über 100.000 Arbeitsplätze bei der Transformation zur Disposition stehen. „Es zeichnet sich klar ab, dass die Elektromobilität viel schneller kommt, als noch wir vor einem Jahr gedacht haben“, sagte Zitzelsberger den „Stuttgarter Nachrichten“.

Mit einer ersten Demonstration haben die Gewerkschafter auf die soziale Komponente der Transformation hingewiesen. Auch die Gewerkschafter stehen zu den Klimazielen, fordern aber ähnlich wie bei der Kohle von der Politik die Bildung einer Kommission, um den Wandel sozial verträglicher zu machen.