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VW beendet Zusammenarbeit mit US-Start-up Aurora beim autonomen Fahren

Die Wolfsburger erklären die Kooperation mit Aurora für beendet. VW setzt stattdessen auf Ford. Auch von Digitalchef Johann Jungwirth trennt sich der Autobauer.

Vor einem guten Jahr hat alles noch nach großem Aufbruch geklungen. „Wir wollen mit Aurora beim autonomen Fahren auf die Überholspur“, sagte damals Johann Jungwirth im Gespräch mit dem Handelsblatt. Es sollte eine sehr langfristig angelegte Zusammenarbeit zwischen dem Volkswagen-Konzern und dem jungen Start-up aus Kalifornien werden, verkündete Jungwirth, damals noch der Chief Digital Officer (CDO) von Volkswagen.

Der etablierte Wolfsburger Hersteller würde die Hardware, die Autos, zur Verfügung stellen. Das junge Unternehmen Aurora sollte die Software und damit vor allem die Konzeption für das autonome Fahren liefern.

Die Wolfsburger planten nach Angaben ihres damaligen Digitalchefs, dass in den darauffolgenden Monaten eine „signifikant zweistellige Summe“ eigener Autos mit Aurora-Technologie als Testflotte in Betrieb gehen würde. Das System des Start-ups aus den USA sollte langfristig in allen Modellen des VW-Konzerns und damit auch von allen Marken verwendet werden. Erste Tests mit einigen Audi-Fahrzeugen des SUV-Typs Q7 hätten schon im Vorfeld überzeugende Ergebnisse erbracht.

Doch damit ist es ein gutes Jahr später schon wieder vorüber. „Die Aktivitäten unserer Partnerschaft sind erreicht worden“, sagte am Dienstag ein Konzernsprecher in Wolfsburg. Volkswagen habe beispielsweise wie vereinbart die zugesagten Fahrzeuge an Aurora geliefert. Damit seien die Vorgaben der Anfang 2018 verkündeten Kooperation erfüllt, die Zusammenarbeit könne eingestellt werden.

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Hinter dem Ende der Kooperation zwischen Volkswagen und Aurora steckt allerdings noch viel mehr. In den zurückliegenden zwölf Monaten hat es bei Volkswagen einen klaren Strategiewechsel beim autonomen Fahren gegeben. Unter dem Konzern-CDO Johann Jungwirth war beim Wolfsburger Konzern zunächst die Basis für selbstständig fahrende Autos gelegt worden. Unter Jungwirth wurde beispielsweise das erste autonome Fahrzeug von Volkswagen – der Sedric – konstruiert.

Heute wird der Sedric nicht mehr auf Automessen, sondern eher in Museen präsentiert. Vorstandschef Herbert Diess verlangt, dass die Vorbereitungen des autonomen Fahrens viel stärker unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten betrieben werden. Volkswagen solle diese Technik zwar weiterhin vorantreiben. Doch zugleich müssten auch wirtschaftlich tragfähige Geschäftsmodelle entwickelt werden.

Zurückhaltung auf dem Genfer Autosalon

Schon im März dämpfte der Chef der Volkswagen-Nutzfahrzeugsparte, Thomas Sedran, auf dem Genfer Autosalon die Erwartungen: Frühestens in fünf Jahren werde man ohne Fahrer auskommen. Aber auch dann nicht in jeder denkbaren Situation im Straßenverkehr. „Es ist einfach zu teuer“, betonte er. Daher sei für Roboterautos im Privatkundenbereich aktuell kein tragfähiges Geschäftsmodell zu erkennen, sagte Sedran und machte eine Rechnung auf.

Schon für einen Wagen mit einem gewissen Automatisierungsgrad (Level 3) würde die Technologie für Sensoren, Prozessoren und Software rund 50.000 Euro verschlingen. Zu viel für einen Privatkunden. Die Komplexität der damit verbundenen Probleme verglich Sedran mit denen einer bemannten Mission zum Mars. Mitte des nächsten Jahrzehnts könnte es die ersten einsatzfähigen Systeme geben.

Deshalb will sich Volkswagen beim autonomen Fahren klar auf kommerzielle Nutzungen konzentrieren. Einen Sedric für private Kunden wird es auf absehbare Zeit nicht geben. Stattdessen stehen im VW-Konzern Sammeltaxen und Kleinbusse im Vordergrund, die kommerziell im Personentransport eingesetzt werden. Wenn dort der Fahrer in nächster Zukunft durch ein Robotersystem ersetzt werden kann, lohnen sich die Investitionen von 100.000 Euro und mehr für ein komplett eigenständig eingesetztes Fahrzeug.

Deshalb hat Volkswagen die Entwicklung des autonomen Fahrens jetzt auch bei der von Thomas Sedran geführten Nutzfahrzeugsparte (VWN) in Hannover konzentriert. Dort werden die Transporter gefertigt, die später die autonomen Systeme verwenden sollen – und eben nicht mehr mithilfe von Aurora. VWN hat das Entwicklungszentrum für das autonome Fahren auf gesamter Konzernebene bekommen.

Noch ein weiteres Argument spricht für VWN und damit letztlich gegen Aurora: Die Nutzfahrzeugsparte von Volkswagen ist eine weitreichende Kooperation mit dem US-Autokonzern Ford eingegangen. Zunächst einmal sollen Transporter und andere leichte Nutzfahrzeuge gemeinsam produziert werden.

Doch später ist noch viel mehr geplant, Volkswagen und Ford wollen auch beim autonomen Fahren gemeinsame Sache machen. Der VW-Konzern wird sich voraussichtlich maßgeblich an Argo beteiligen. Das ist die Ford-Tochtergesellschaft, die für den US-Autokonzern Softwaresysteme für selbstständig fahrende Fahrzeuge entwickelt. „Die Gespräche mit Ford machen gute Fortschritte“, sagte dazu ein VW-Sprecher. Volkswagen lässt allerdings im Moment noch offen, wann es konkrete Vereinbarungen dazu mit Ford geben wird.

Volkswagen fällt die Trennung von Aurora also vor allem deshalb nicht schwer, weil es auf absehbare Zeit die Zusammenarbeit mit Ford geben soll. Ford bietet im Zweifel mehr als das Start-up aus Kalifornien – nämlich Fahrzeuge und zugleich die Software für das autonome Fahren.

Treiber für die Kooperation mit Aurora war im Wesentlichen CDO Johann Jungwirth. Für ihn ist unter den neuen Bedingungen kein Platz mehr bei Volkswagen hinsichtlich der laufenden Vorbereitungen für das autonome Fahren. Schon vor einem Jahr hatte er sich deshalb aus Wolfsburg zurückgezogen und war für VW in die USA gegangen, um dort weiter an autonomen Systemen zu arbeiten.

In Konzernkreisen wurde am Dienstag bestätigt, dass Jungwirth Volkswagen jetzt auch vollständig verlassen wird. Innerhalb der nächsten Wochen sollte die Trennung vom bisherigen CDO beschlossene Sache sein, hieß es. Offiziell wollte sich der Konzern dazu allerdings nicht äußern. „Kein Kommentar“, sagte ein Sprecher in Wolfsburg.

Völlig überraschend dürfte der Rückzug von Volkswagen für Aurora nicht gekommen sein. Zu Wochenbeginn verkündete das amerikanische Start-up, dass es eine Kooperation mit dem Fiat-Chrysler-Konzern beim autonomen Fahren eingehen werde. Insofern ist die Lücke also schon wieder aufgefüllt, die der VW-Konzern mit seinem Rückzug hinterlässt. Auch Fiat-Chrysler ist dringend auf das Software-Know-how von außen angewiesen.

Mehr: In der Untreue-Affäre wegen zu hoher Betriebsratsgehälter ist nun auch Volkswagens oberster Arbeitnehmervertreter, Bernd Osterloh, beschuldigt.