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Vorwerk-Chef über wochenlange Wartezeiten und Lieferketten: "Eine Preiserhöhung für den Thermomix ist wahrscheinlich"

Vorstandssprecher Thomas Stoffmehl
Vorstandssprecher Thomas Stoffmehl

„Kairo“ heißt der Konferenzraum, in dem sich "Welt" mit Thomas Stoffmehl in einem Flughafenhotel in Düsseldorf trifft. „Da bin ich aber froh, dass wir nicht einen Raum weiter sind“, sagt der Vorstandssprecher von Vorwerk bei seiner Ankunft. Dann nämlich hätte das Interview im Saal „Moskau“ stattgefunden.

Ohnehin beeilt sich Stoffmehl – wie derzeit viele Manager und Unternehmer – gleich zu Beginn des Gesprächs zu betonen, dass seine Firma keinerlei Verbindung mehr zu Russland hat. Zwar wurden in der Vergangenheit über einen unabhängigen Distributor die Vorwerk-Vorzeigeprodukte Thermomix und Kobold dorthin verkauft, wenn auch in überschaubaren Mengen.

„Die Lieferung unserer Produkte nach Russland haben wir aber mit Ausbruch des Ukraine-Krieges sofort beendet“, berichtet Stoffmehl. In der Konzernbilanz sind die Auswirkungen vernachlässigbar. Gleichwohl hat der russische Überfall auf andere Art und Weise Folgen für Vorwerk und die Fans der Luxus-Küchenmaschine Thermomix.

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WELT: Welche Folgen hat der Ukraine-Krieg für Vorwerk?

Thomas Stoffmehl: Das Kriegsgeschehen macht uns betroffen und wir schauen mit Sorge auf das Leid der Menschen. Die Vorwerk Community hat daher inzwischen rund 400.000 Euro Soforthilfe an die SOS-Kinderdörfer in der Ukraine und weitere Hilfsorganisationen zugunsten von Kindern in der Ukraine oder auf der Flucht gespendet. Was das Wirtschaftliche angeht: Eigene Aktivitäten haben wir nicht in Russland und der Ukraine. Die direkten Auswirkungen auf Absatz und Umsatz sind marginal. Folgenlos bleibt der Krieg trotzdem nicht. Denn was dadurch an den Energie- und in der Folge auch auf den Rohstoffmärkten passiert, hat längst spürbare Konsequenzen für uns.

WELT: Was bedeutet spürbare Konsequenzen?

Stoffmehl: Da geht es zum einen um Verfügbarkeiten und zum anderen um Preise. Wir brauchen Hunderte Komponenten für unsere Produkte. Derzeit bekommen wir aber nicht mehr jedes Teil in der gewünschten Menge und/oder zum gewünschten Termin. Beim Thermomix zum Beispiel fehlen uns zeitweise Halbleiter, aber auch Controller oder Kunststoff. Deshalb können wir zeitweise nicht in den Mengen produzieren, die wir benötigen. Die Lieferzeiten sind dadurch zuletzt deutlich gestiegen. Aktuell dauert es bis zu zehn Wochen, bis unsere Kunden ein bestelltes Gerät bekommen. Und das wird sich frühestens bis zum Herbst wieder verbessern. Die Kundennachfrage ist ungebrochen hoch.

WELT: Das war das Thema Verfügbarkeit. Welche Folgen haben die Preissteigerungen für Energie und Material. Wie viel teurer wird der Thermomix?

Stoffmehl: Eine Preiserhöhung für den Thermomix ist wahrscheinlich. Der Aufschlag wird jedoch moderat ausfallen. Es geht um einen niedrigen bis mittleren zweistelligen Betrag.

WELT: 2020 hat Vorwerk von der Pandemie profitiert und beim Thermomix Rekordverkäufe verzeichnet, weil die Menschen zu Hause bleiben mussten und mehr selbst gekocht haben. Wie ist 2021 gelaufen?

Stoffmehl: 2021 hat es wieder Rekordzahlen gegeben. Wir haben weltweit über 1,5 Millionen Geräte verkauft, der Umsatz des Geschäftsbereichs Thermomix ist dabei um gut sieben Prozent auf fast 1,7 Milliarden Euro gestiegen. Und 2022 planen wir einen erneuten Rekord. Der bisherige Auftragseingang lässt darauf jedenfalls schließen. Und von einer Marktsättigung sind wir noch weit entfernt. In Deutschland haben geschätzt weniger als fünf Prozent der Haushalte einen Thermomix. Da ist also noch riesiges Potenzial. Und in anderen Ländern ist das kaum anders. Die höchste Marktdurchdringung hat Portugal mit zehn Prozent.

WELT: Woher kommt gerade jetzt dieses starke Wachstum?

Stoffmehl: Dass es auch einen Corona-Effekt gibt, lässt sich nicht wegdiskutieren. Zugleich haben wir aber 2019 die Strategie modifiziert und uns auf den personengestützten Direktvertrieb fokussiert. Dazu gehört natürlich auch, die Beraterinnen und Berater mit digitalen Tools auszustatten. So haben wir die Zahl der Berater massiv erhöht. Stand April 2022 sind 100.062 Berater für uns aktiv und damit fast doppelt so viele wie noch im Jahr 2014. Das ist ein ganz entscheidender Punkt für die Absatzzahlen. Die Formel mehr Berater gleich mehr Menge ist nicht neu und total einfach – aber wirksam.

WELT: Woher bekommen Sie die vielen neuen Berater?

Stoffmehl: Unsere Marken Thermomix und Kobold erfreuen sich wachsender Beliebtheit, das spielt uns in die Karten – aber mit Sicherheit auch, dass es in der Corona-Zeit nicht mehr so viele Branchen gab, in denen ein Zusatzverdienst möglich war. Hinzu kommt, dass wir unseren selbstständigen Beraterinnen und Beratern ein Höchstmaß an Flexibilität bieten – denn jeder Berater kann selbst entscheiden, wie viel Zeit er wann investieren möchte. Und ich bin mir sicher, dass die neuen Kollegen auch noch einige Zeit bleiben werden, denn monetär lohnt sich die Arbeit bei Vorwerk am Ende ja auch.

WELT: Sie haben das Thema Digitalisierung als Teil der neuen Strategie angesprochen. Den Thermomix gibt es mittlerweile auch online ohne Verkaufsparty in der eigenen Küche. Wie sehr kannibalisiert das den klassischen Direktvertrieb?

Stoffmehl: Gar nicht. Denn Online ist keine Konkurrenz für unsere Berater, sondern ein zusätzlicher Vertriebs- und Kommunikationskanal. Interessierte Kunden werden nicht aus der Unternehmenszentrale bedient, sondern automatisch auf die persönliche Homepage ihres zuständigen Beraters in der Nähe weitergeleitet, auf die sogenannten MySites. Die bekommen bei uns die besonders erfolgreichen Berater, dafür muss an sich also qualifizieren. Damit aber gibt bei uns kein Geschäft mehr am Berater vorbei. Das war mal anders – und das war damals falsch.

WELT: Wie viele Geräte werden online gekauft?

Stoffmehl: Rund zehn Prozent der Verkäufe in Deutschland passieren mittlerweile über die MySites. Das bedeutet aber nicht, dass dieses Geschäft komplett anonym abläuft. Wir bieten jedem eine Geräteeinweisung bei sich zu Hause an – und rund ein Drittel der Käufer nutzt diesen Welcome-Service. Aber natürlich gibt es auch Kunden, die keinen direkten Kontakt wollen. Diese Gruppe erreichen wir mit den MySites nun auch.

WELT: Wie steht es um den Aufbau einer eigenen Ladenkette?

Stoffmehl: Aktuell gibt es 66 Vorwerk-Läden, davon 59 in Deutschland. Ich kann mir aber einen Ausbau vorstellen, zunächst auf 150 bis 200 Geschäfte in Europa. Die vielen Leerstände in den Innenstädten infolge der Corona-Pandemie können für uns eine Chance sein. Aber auch dort gilt: kein Geschäft an den Beraterinnen und Beratern vorbei.

WELT: In Summe kommt Vorwerk auf knapp 3,4 Milliarden Euro Umsatz. Damit steht der Thermomix für allein die Hälfte der Erlöse. Wie gefährlich ist diese Abhängigkeit?

Stoffmehl: Eine gewisse Abhängigkeit lässt sich nicht wegdiskutieren. Die ist da und die wird auf absehbare Zeit auch bleiben. Ansonsten würden wir uns in die Tasche lügen. Wir arbeiten aber intensiv daran, Vorwerk breiter aufzustellen, etwa durch Innovationen im Geschäftsbereich Kobold. Das Staubsaugergeschäft hat nach vielen Jahren mit rückläufigen Zahlen den Turnaround geschafft – weil der neue Akku-Sauger „Besserwischer“ voll eingeschlagen ist und wir auch in diesem Bereich mit deutlich mehr Beratern unterwegs sind. 2021 gab es ein Wachstum von 703 auf 819 Millionen Euro. Und 2022 rechnen wir mit einem Sprung in ähnlicher Größenordnung.

WELT: Wie steht es um die Teemaschine Temial?

Stoffmehl: Die ist deutlich hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Und das nicht nur 2021. Deswegen stellen wir das Geschäft nun ein, auch wenn damit am Ende viel Geld verbrannt wurde. Dieses Risiko besteht aber immer. Unternehmertum bedeutet, auch Dinge auszuprobieren.

WELT: 2019 haben Sie auch schon das Akku-Werkzeug-Set Twercs aus dem Markt genommen. Damit sind die beiden neu gelaunchten Geschäftsbereiche der vergangenen Jahre gefloppt. Wann kommt endlich wieder das nächste große neue Vorwerk-Ding?

Stoffmehl: Wir arbeiten stetig an Neuentwicklungen. Gleichzeitig planen wir jetzt aber auch Zukäufe, um neben Thermomix und Kobold eine dritte und/oder vierte Säule zu haben. Der Zielbereich dafür ist definiert, ohne das jetzt näher spezifizieren zu können und zu wollen. Nur so viel: Es muss ums Thema Haushalt gehen, sei es mit Geräten oder mit Dienstleistungen. Wir starten jetzt die Marktanalyse und eine gezielte Ansprache von Unternehmen.

WELT: Mit Vorwerk Ventures gibt es im Konzern auch einen Venture-Capital-Fonds. Haben Sie sich dort schon Tipps geholt?

Stoffmehl: Nein, Vorwerk Ventures ist fokussiert auf Start-ups und investiert in Gründerteams mit disruptiven Produkt- und Service-Ideen. Für eine weitere Säule schauen wir auf bereits etablierte Firmen und Marken.

Dieser Artikel erschien zuerst bei der „WELT“ unter dem Titel Eine Preiserhöhung für den Thermomix ist wahrscheinlich“