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Die Vonovia-Hauptversammlung steht im Zeichen der Mietdebatte

Deutschlands größter Wohnungskonzern hat ein erfolgreiches Jahr hinter sich. Doch statt Zahlen stehen Image-Fragen und das Thema Enteignungen im Vordergrund.

Gut zwei Dutzend Mieteraktivisten haben sich am Donnerstagmorgen vor dem RuhrCongress in Bochum versammelt, um den Vorständen und Aktionären der Vonovia einen ungemütlichen Empfang zu bereiten. „Wohnraum soll keine Ware sein“, „Vonovia macht Mieter arm“ oder „Häuser sanieren statt Mieter plündern“ steht auf ihren Plakaten. Nicht zuletzt skandieren sie die in diesen Tagen immer wieder zu hörende Forderung, den Wohnkonzern zu enteignen.

Die Zahl der Aktivisten vor der Halle mag überschaubar geblieben sein. Und doch war die gesellschaftliche Frage auch im Inneren, auf der Jahreshauptversammlung von Europas größtem privaten Wohnungskonzern, raumgreifend.

Konzernchef Rolf Buch legte den Fokus seiner Rede auf die gesellschaftliche Debatte. Anlegerschützer wie Daniel Vos, Vertreter der Schutzgemeinschaft für Kapitalanleger, wiesen einerseits zwar auf die guten Zahlen, aber auch die zuletzt rückläufige Kundenzufriedenheit hin.

Für Vonovia sind die anhaltenden Mieterdiskussionen heikel. Es gilt, Imageschäden zu vermeiden. Im Geschäftsbericht wird das Image schließlich als dritthöchstes Risiko ausgewiesen. Auf Rang eins stehen regulatorische Rahmenbedingungen, die die Geschäftsaussichten negativ beeinflussen könnten. Beide Faktoren treten derzeit in Kombination auf. Bestandsgefährdend sei dies alles laut Geschäftsbericht zwar nicht. Doch wohl nie zuvor standen die privaten Wohnkonzerne so unter Druck wie in diesen Tagen.

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Vonovia reagiert auf den Druck. Nur wenige Stunden vor der Hauptversammlung legte Konzernchef Rolf Buch ein neues Geschäftsverständnis vor. Sein Anliegen: Vonovia solle für bezahlbares Bauen, altersgerechte Wohnungen und Klimaschutz stehen. „Einfache Lösungen gibt es nicht. Aber wir möchten Teil der Lösungen sein“, sagt Buch.

Außerdem gibt er Mietern ab 70 eine Garantie dafür, dass sie ihre Wohnungen nicht aufgeben müssen und die Kosten für ihre Wohnungen bei „Veränderung der ortsüblichen Vergleichsmiete bezahlbar bleibt“. Damit reagiert der Konzernchef auf einen Kritikpunkt der Mieter. Doch noch immer bleiben Konfliktpunkte.

Streitpunkt Nummer eins: Die Dividende

Die Gewinnausschüttungen sind den Mietervertreten ein Dorn im Auge. Ein Drittel ihrer Miete gehen als Dividende an die Aktionäre, behaupten sie. Die Mieterinitiativen setzen für diese Aussage die Mieteinnahmen – 1,9 Milliarden Euro – und Dividendenauszahlungen – 750 Millionen Euro – ins Verhältnis.

Vonovia erwidert, dass seine Aktionäre zwischen einer Barauszahlung und einer Auszahlung in Aktien wählen können. Vier von zehn Aktionären entschieden sich zuletzt für die Aktiendividende. Außerdem sei die Ausschüttung aus den Erträgen von Veräußerungen und aus dem Geschäft in Österreich und Schweden gezahlt.

Tatsächlich orientiert sich die Dividendenausschüttung an den Funds From Operation I. Diese Kennzahl ist in der Immobilienwirtschaft maßgeblich für den Ertrag und steht für den Gewinn aus der Immobilienwirtschaft. Vonovia schüttet seit Jahren 70 Prozent des FFO je Aktie als Dividende an die Aktionäre aus. Das sind in diesem Jahr 1,44 Euro je Aktie.

Wie man die Zahlen auch dreht und wendet, ob die Ausschüttungen nun aus den Mieteinnahmen oder anderen Erträgen stammen, macht zwar vordergründig in den Formulierungen einen Unterschied. Letztlich aber ist es zweitrangig. Am Ende geht es im Kern um die Ausschüttungen an sich. Die Mieterinitiativen fordern, die Dividende drastisch zu reduzieren. Der Konzern fühlt sich seinen Aktionären verpflichtet.

Streitpunkt Nummer zwei: Die Betriebskosten

Wer im Internet nach Vonovia und Betriebskosten sucht, findet Dutzende Mieterklagen aus allerlei Städten, denen allen der gleiche Hauptvorwurf zu Grunde liegt. Die Mieter fühlen sich übervorteilt durch vermeintlich falsche und intransparente Abrechnungen. Vor allem an Dienstleistungen, die Vonovia in den vergangenen Jahren von externen Beauftragten an Vonovia-Tochterunternehmen verlagert hat, erzürnen sich die Gemüter.

Mit dem Value-Add-Geschäft, den haushaltsnahen Dienstleistungen wie zum Beispiel dem Winterdienst, Heckenschneiden oder Reparaturen, hat Vonovia in den vergangenen Jahren ein wachsendes Geschäftsfeld aufgebaut. Im vergangenen Jahr belief sich der Gewinn in dem Segment vor Zinsen und Steuern auf 120 Millionen Euro, ein Fünftel mehr als noch im Jahr zuvor. Hausmeisterkosten, über die Mieter ebenfalls klagen, sind darin nicht enthalten.

Vonovia verweist in diesem Zusammenhang auf eine Zahl: 0,8 Prozent. So hoch liege der Anteil an Fällen, in denen der Konzern tatsächlich Nebenkostenerstattungen vollzog. Zuletzt erstellte der Konzern 714.000 Betriebs- und Heizkostenabrechnungen. Darauf habe es 61.000 Kundenreaktionen und letztlich 36.000 Einsprüche gegeben. Nur in 0,05 Prozent der Fälle gebe es Rechtstreitigkeiten.

Jede falsche oder missverständliche Nebenkostenabrechnung sei eine zu viel, sagt Buch. Bei den vielerorts erhobenen Betrugsvorwürfen aber reagiert er deutlich: „Das geht gar nicht“, betont Buch. Das passe weder zu Vonovia, noch zu seinem Selbstverständnis, das eines ehrbaren Kaufmannes.

Im Streit um die Betriebskosten verweist Vonovia außerdem auf die anfallenden Betriebskosten im Durchschnitt. Vonovia-Mieter zahlten im Jahr 2017 im Schnitt Nebenkosten in Höhe von 2,55 Euro pro Quadratmeter – und damit deutlich weniger als die 2,79 Euro, die der Deutsche Mieterbund als Bundesdurchschnitt im Jahr 2016 auswies. Außerdem seien 40 Prozent der Nebenkosten wie Heizkosten oder Warmwasser verbrauchsabhängig.

Ulrich Ropertz, Geschäftsführer des Deutschen Mieterbundes, erwidert jedoch, dass die durchschnittlichen Nebenkosten nur bei 2,19 Euro lägen. „Nur wenn man alle denkbaren Kosten aufaddieren würde, kommt man auf 2,79 Euro. Aber längst nicht alle Mehrfamilienhäuser besitzen beispielsweise einen Aufzug oder haben einen Garten, der gepflegt werden muss“, sagt Ropertz.

Streitpunkt Nummer drei: Die Modernisierungen

Immer wieder kritisiert werden auch Modernisierungen, denn Mieterhöhungen nach Modernisierungen sind nicht von der Mietpreisbremse erfasst und können demnach zu Mietpreissteigerungen deutlich über dem ortsüblichen Mietspiegel führen. So berichten etwa Mieter aus Witten-Heven über Mieterhöhungen um 48 Prozent nach Modernisierungen. Der DMB listet auf seiner Webseite eine Reihe weiterer Fälle, in denen Vonovia die Miete deutlich erhoben habe.

Vonovia entgegnet darauf, dass sie bei Mieterhöhungen auf Härtefälle Rücksicht nehme und die Miete in Absprache mit den Mietern kappe. Der DMB wendet ein, dass für einen Härtefallantrag nur wenig Zeit kurz nach der Modernisierungsankündigung bleibe.

Dass Vonovia im vergangenen Jahr angekündigt hat, weniger in energetische Sanierungen zu investieren, kann die Gemüter auch nicht besänftigen. Zum einen hat der Gesetzgeber mit dem ersten Januar die Mieterhöhungen nach Modernisierungen ohnehin auf maximal drei Euro gekappt. Zum anderen hat Vonovia in Bochum angekündigt, in diesem Jahr knapp zwei Milliarden Euro in den Bestand zu investieren. Die Mittel sollen verstärkt in altersbedingte Modernisierungen und den Neubau fließen.

Konzernchef Buch plädiert für einen weiter offenen, aber konstruktiven Dialog. Aber der Schlagabtausch zwischen Konzern und Mietern geht weiter. Nicht nur auf der Hauptversammlung in Bochum, schon seit Wochen streiten sich die Parteien auch über die Medien.