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Volkswagens Vorgänger kamen billiger davon

Abgas-Schummel - Volkswagens Vorgänger kamen billiger davon

Auf der Liste stehen Top-Namen der amerikanischen Nutzfahrzeug-Branche: Der neue Volkswagen-Partner Navistar, Mack Trucks und Caterpillar. Aber auch die wichtigsten US-Motorenhersteller sind dabei – Cummins und die spätere Daimler-Tochter Detroit Diesel. Aus Europa rundet noch Volvo die Liste der Nutzfahrzeug-Unternehmen ab, die Schweden sind mit ihren Lastwagen ebenfalls auf dem amerikanischen Markt vertreten.

Alle sechs Unternehmen hatten vor mehr als 15 Jahren ein gemeinsames Problem: Die US-Umweltbehörde EPA war den Unternehmen aus der Nutzfahrzeug-Branche wegen gefälschter Abgaswerte auf der Spur.

Die Lastwagen-Hersteller waren Ende der 90er-Jahre der Zeit voraus – und damit letztlich auch . Auch die Lkw-Konzerne kannten schon 1998 sogenannte „Defeat Devices“; die geheimen Abschaltvorrichtungen, mit denen die Abgaskontrolle der Fahrzeuge manipuliert wird und in bestimmten Situation gar nicht oder nur eingeschränkt funktioniert.

Die Top-Konzerne der amerikanischen Nutzfahrzeugbranche hatten sich etwas Besonderes für lange Autobahn-Fahrten mit konstantem Tempo ausgedacht, typisch beim Dauereinsatz von Lastwagen. Eine manipulierte Software sorgte dafür, dass der Kraftstoffverbrauch auf solchen langen Strecken zwar zurückging. Was den amerikanischen Behörden dabei allerdings überhaupt nicht gefiel: Zugleich gingen damit auch die Stickoxid-Emissionen nach oben. Und natürlich passte es der US-Aufsicht überhaupt nicht, dass sie von dieser Manipulation nichts wusste.

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Es kam, wie es kommen musste: Die Umweltbehörde EPA bekam Wind davon, schlug Alarm und bestrafte die prominenten Vertreter aus der Nutzfahrzeugbranche. Es hagelte daraufhin Geldbußen wegen der illegal eingesetzten Motorensteuerung. Und wie im Fall Volkswagen mussten auch die Lkw-Konzerne zusätzlich Geld in Umweltfonds überweisen. Außer Frage stand damals genauso die Umrüstung der manipulierten Lastwagen, damit sie die US-Umweltbestimmungen durch und durch erfüllten.

Einen Unterschied dürfte der Wolfsburger Autokonzern allerdings mit Verwunderung wahrgenommen haben. Die sechs Unternehmen aus der Nutzfahrzeug-Branche mussten zusammen gerade einmal eine Milliarde Dollar an Bußgeld an die US-Behörden überweisen. Bei Volkswagen sind schon jetzt nur für den zivilrechtlichen Vergleich mit US-Autofahrern mehr als 13 Milliarden Euro veranschlagt. Weitere strafrechtliche Konsequenzen – und damit auch zusätzliche Strafzahlungen von Volkswagen – sind darin überhaupt nicht enthalten.

Der extreme Unterschied der Geldbußen von Volkswagen und den Nutzfahrzeug-Unternehmen ist noch aus einem weiteren Grund schwer nachvollziehbar. Wie VW hatten die Lkw-Konzerne die manipulierte Motorensteuerung über mehrere Jahre eingesetzt. Nach vorsichtigen Schätzungen dürften damit 1,3 Millionen Tonnen Stickoxide zusätzlich an die Atmosphäre abgegeben worden sein.


Argwöhnischer Blick auf die Konkurrenz

Bei Volkswagen mit seinen kleineren Personenwagen steht dem eine viel kleinere Belastung der Umwelt gegenüber. Nach vorsichtigen Schätzungen aus den könnten es insgesamt etwa 60.000 Tonnen Stickoxide zusätzlich sein. Über die extremen Unterschiede der Geldbußen, einmal für US-Unternehmen und einmal für den ausländischen Konkurrenten, lässt sich nur spekulieren. „Wahrscheinlich sollte ein Exempel statuiert werden“, meint etwa Arndt Ellinghorst, Automobilanalyst beim Investmentberater Evercore ISI in London.

Doch die Liste früherer Vergehen mit „Defeat Devices“ ist noch länger. Außer den Nutzfahrzeug-Herstellern sind in der Vergangenheit in den USA weitere Unternehmen damit erwischt worden. Am bekanntesten ist der Fall Honda ebenfalls aus dem Jahr 1998.

Mit der manipulierten Abgassteuerung waren seit 1995 rund 1,6 Millionen Honda-Modelle vorwiegend aus der Mittelklasse ausgestattet worden. Zum Vergleich: Bei geht es in den USA maximal um etwa 550.000 Autos. Die Abschaltautomatik bei Honda sorgte dafür, dass etwa 8000 Tonnen Abgase zusätzlich in die Atmosphäre gelangt wären – hätte die Umweltbehörde EPA die Technikmanipulationen nicht entdeckt.

Außerdem hätte der Katalysator der betroffenen Fahrzeuge beschädigt werden können – mit möglichen weiteren negativen Konsequenzen für die Umwelt. Bei Honda standen Kohlenwasserstoffe im Fokus, sie sollen die Ozon-Schicht der Atmosphäre beschädigen.

Argwöhnisch wird Volkswagen auch in diesem Fall die Höhe der Strafzahlungen in Augenschein nehmen: Noch nicht einmal 300 Millionen Dollar musste der japanische Hersteller Honda als Buße an die US-Behörden und betroffene Autofahrer überweisen. Wie bei Volkswagen wurden alle Fahrzeuge mit manipulierter Motorsteuerung zur Umrüstung in die Werkstätten beordert.

Noch deutlich gnädiger gingen die US-Behörden mit einem anderen Unternehmen in einem weiteren Fall mit „Defeat Devices“ um. Ford hatte im Jahr 1997 in 60.000 Vans des Modells „Econoline“ ebenfalls eine illegale Abschaltvorrichtung installiert. Sie sorgte dafür, dass wie im Fall der US-Lastwagenhersteller die Stickoxid-Emissionen bei langen Autobahn-Fahrten deutlich nach oben gingen. wollte damit den Kraftstoffverbrauch reduzieren, nahm dafür aber die höheren Abgaswerte in Kauf.


Nicht zum ersten Mal als Umweltsünder ertappt

Auch Ford musste die manipulierten Autos in den eigenen Werkstätten reparieren. Die Strafgelder an die US-Behörden dürften den renommierten amerikanischen Hersteller nicht sonderlich belastet haben. In den amtlichen Unterlagen der Umweltbehörde ist die Rede von damals gerade einmal rund acht Millionen Dollar, die an die US-Aufsicht überweisen musste.

Dass Volkswagen bald 20 Jahre später ein Vielfaches an Straf- und Bußgeldern in den entrichten muss, ist sicherlich auch auf ein deutlich verschärftes Umweltbewusstsein zurückzuführen. Verstöße gegen das Umweltrecht gelten heute nicht mehr als Kavaliersdelikt.

Es könnte aber auch an einem anderen Fall liegen, der in der Vergangenheit belastet hat und heute Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Wolfsburger Konzerns aufkommen lässt. Denn schon einmal in den frühen 70er-Jahren ist Volkswagen in den USA bei einer Umweltsünde erwischt worden.

Bei 25.000 Autos waren die Abgaswerte zu hoch – und als Konsequenz daraus mussten die Wolfsburger ein Bußgeld an die US-Umweltbehörde EPA überweisen. Damals kostete ein solches Vergehen nicht sonderlich viel, VW musste gerade einmal 120.000 US-Dollar Strafe zahlen, bestätigt ein Volkswagen-Sprecher in Wolfsburg. Eigentlich hätte sich der deutsche Autokonzern danach immer an die strengen US-Umweltvorgaben halten können. Eine Vorgabe, die gut 30 Jahre später wieder nicht so richtig funktioniert hat.

KONTEXT

Dieselgate wird für VW immer teurer

Teure Folgen

Für Volkswagen sind die finanziellen Risiken durch die Abgasaffäre immer noch schwer zu kalkulieren. Zwar hat der Konzern nach dem 15-Milliarden-Dollar-Vergleich in den USA mehr Klarheit darüber, was ihn der Skandal um manipulierte Dieselautos dort kosten wird. Zugleich nimmt der Druck auf die Wolfsburger in Europa zu, die Kunden auch hier zu entschädigen. Europas größtem Autokonzern drohen weitere Kosten für Rückrufe, Aktionärsklagen und Strafen, die sich auf weit mehr als zehn Milliarden Euro auftürmen könnten. Analysten schätzen, dass die Aufarbeitung des Skandals den Konzern am Ende insgesamt zwischen 20 und 35 Milliarden Euro kosten wird, sogar von bis zu 50 Milliarden ist vereinzelt die Rede. Es folgt eine Übersicht der absehbaren Kosten.

Der US-Vergleich

Die Einigung mit Hunderten Sammelklägern, Behörden und US-Bundesstaaten kostet Volkswagen bis zu 15,3 Milliarden Dollar (umgerechnet rund 13,6 Milliarden Euro). Der größte Teil entfällt auf den Rückkauf von 475.000 manipulierten Dieselwagen mit 2,0-Liter-Motoren, für den gut zehn Milliarden Dollar reserviert sind. Die tatsächlichen Kosten hängen davon ab, wie viele Dieselbesitzer ihre Wagen zurückgeben und ob die US-Behörden eine Umrüstung genehmigen.

Entschädigung für US-Händler

Seinen rund 650 US-Händlern will VW Insidern zufolge mindestens 1,2 Milliarden Dollar Entschädigung zahlen, weil sie seit fast einem Jahr keine Dieselautos mehr verkaufen durften. Eine Grundsatzvereinbarung ist getroffen, für eine endgültige Einigung gab ein Gericht den Parteien bis Ende September Zeit.

Weitere Strafen und Klagen in den USA

Mit dem US-Justizministerium laufen derzeit Verhandlungen über eine Strafzahlung wegen der Abgasmanipulation. Das "Wall Street Journal" berichtete unlängst, dem deutschen Autobauer könne eine Strafe von mehr als 1,2 Milliarden Dollar aufgebrummt werden. Analysten rechnen mit einer Summe zwischen einer und drei Milliarden Euro. Einige US-Bundesstaaten wollen zudem zivilrechtlich versuchen, einen höheren Schadensersatz durchzusetzen, weil sie mit dem Vergleich nicht zufrieden sind. Dabei geht es um Hunderte Millionen Dollar.

Lösung für Drei-Liter-Autos lässt auf sich warten

Keine Einigung gibt es weiterhin für die rund 85.000 größeren Fahrzeuge mit Drei-Liter-Dieselmotor. VW zeigt sich zuversichtlich, dass eine Reparatur gelingen kann. Bis Ende Oktober hat das Gericht in San Francisco Volkswagen Zeit gegeben, um Lösungsvorschläge einzureichen. Für den 3. November setzte Richter Charles Breyer eine weitere Anhörung an. Sollte Volkswagen gezwungen werden, auch diese teureren Wagen zurückzukaufen, würde das weitere Milliarden verschlingen. Analysten schätzten die Kosten auf bis zu 2,5 Milliarden Euro.

Rückrufe in Europa

Ein großer Brocken ist auch die Umrüstung der rund 8,5 Millionen Dieselautos in Europa. Schätzungen reichen von gut einer bis drei Milliarden Euro, die das kosten dürfte. Der Autoanalyst Arndt Ellinghorst von Evercore ISI rechnet zudem damit, dass sich schrumpfende Marktanteile von Volkswagen und geringere Preise im Ergebnis bemerkbar machen werden.

Entschädigung auch in Europa?

Bundesweit klagen Autobesitzer vor mehreren Gerichten wegen überhöhter Stickoxidwerte auf Rückabwicklung des Kaufs oder Schadensersatz. Allein vor dem Landgericht Braunschweig sind rund 70 solcher Klagen anhängig. Eine Entschädigung der Kunden in Europa lehnt VW nach wie vor ab, obwohl sich Forderungen nach einem ähnlichen Vergleich wie in den USA mehren. Sollten diese dennoch fällig werden, könnte das Volkswagen finanziell das Genick brechen, fürchten Experten. Der Autoanalyst Jürgen Pieper vom Bankhaus Metzler geht von einem Wertverlust in einer Größenordnung von 500 Euro je Fahrzeug aus. "Es ist schwierig zu sagen, ob VW am Ende doch einen symbolischen Betrag zahlen wird." Branchenexperte Ellinghorst hält es für wahrscheinlich, dass die Kunden in Europa kein Geld sehen werden.

Ärger rund um den Globus

Weltweit droht Volkswagen in mehreren Ländern Ungemach. "Wir haben die ganze Welt am Hals", sagte Konzernchef Matthias Müller unlängst. Südkorea, zweitgrößter Markt für Dieselfahrzeuge in Asien, zog die Zulassungen für VW- und Audi-Modelle zurück und verhängte eine Strafe von 14,3 Millionen Euro. In Australien fordern Besitzer von VW-Dieseln Entschädigung von umgerechnet 6700 Euro pro Fahrzeug, die Verbraucherschutzbehörde klagt ebenfalls gegen VW. In Italien brummte die Wettbewerbsbehörde VW eine Strafe von bis zu fünf Millionen Euro auf, in Großbritannien forderte der Umweltausschuss vom Parlament eine härtere Gangart gegen VW. Auch in Kanada ringt der Konzern noch um die Beilegung des Abgasskandals. Würde das US-Entschädigungsmodell auf den nördlichen Nachbarn übertragen, müsste der Konzern womöglich mit einer weiteren Belastung in Milliardenhöhe rechnen.

Aktionärsklagen

Weltweit sieht sich Volkswagen zudem mit milliardenschweren Schadensersatzklagen von Investoren und Kleinaktionären konfrontiert. Die Inhaber von Aktien und Anleihen werfen Volkswagen vor, zu spät über das Ausmaß des Abgasskandals informiert zu haben und wollen einen Ausgleich für Kursverluste durchsetzen. Zu den Klägern gehören große US-Pensionsfonds, der Norwegische Staatsfonds, aber auch der Versicherungskonzern Allianz und die Dekabank. Das Land Bayern hat ebenfalls angekündigt, wegen Kursverlusten seines Pensionsfonds für die Landesbeschäftigten vor Gericht zu ziehen. Hessen und Baden-Württemberg prüfen einen solchen Schritt. Beim Landgericht Braunschweig liegen 290 Schadensersatzklagen mit Forderungen von zusammen rund vier Milliarden Euro.

Die Krise als Einnahmequelle für Anwälte

Die Scharen an Anwälten, die Volkswagen weltweit wegen des Dieselskandals beschäftigt, verschlingen ebenfalls Geld. Der Autoexperte Pieper geht von bis zu einer Milliarde Euro aus, sein Kollege Ellinghorst schätzt die Anwaltskosten auf mehrere hundert Millionen.

Quelle: Reuters