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Volkswagen glänzt mit Milliardengewinn – hat aber neue Baustellen

Der Jahresgewinn des Autobauers steigt gegen den Branchentrend auf 17,1 Milliarden Euro. Doch nicht nur beim Hoffnungsträger Golf 8 gibt es große Probleme.

Etliche Konzerne aus der Automobilbranche haben in den vergangenen Monaten mit Negativschlagzeilen auf sich aufmerksam gemacht. Gewinnwarnungen bei Daimler und BMW, aber auch bei großen Zulieferern wie Continental sorgten für Unruhe an den Finanzmärkten.

Ganz anders Volkswagen: Die Wolfsburger belohnen nach einem stabilen Geschäftsjahr ihre Aktionäre mit einer steigenden Dividende. Für jede Stammaktie gibt es 4,80 Euro und für Vorzugspapiere 4,86 Euro, in beiden Kategorien jeweils 90 Cent mehr als im Vorjahr.

Der operative Gewinn vor Sondereinflüssen aus der Dieselaffäre stieg mit 17,1 Milliarden Euro um rund 100 Millionen Euro, wie der Konzern am Freitag in Wolfsburg mitteilte. Beim Umsatz hat Volkswagen vergleichsweise moderat zugelegt, 235,8 Milliarden Euro bedeuten gegenüber 2017 ein Plus von 2,7 Prozent.

Der Autokonzern bewegt sich damit im Rahmen der eigenen Erwartungen. Die operative Umsatzrendite vor Sondereinflüssen wie etwa den Belastungen aus der Dieselaffäre ist jetzt mit knapp 7,3 Prozent am oberen Ende der Prognose angekommen. Analysten hatten im Durchschnitt mit einem etwas niedrigeren operativen Gewinn gerechnet.

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Zur Bewältigung der Dieselaffäre hat Volkswagen im vergangenen Jahr wie 2017 noch einmal weitere 3,2 Milliarden Euro zurückgestellt. Grundsätzlich lassen die Kosten für den Abgasskandal tendenziell immer weiter nach, für 2019 wird in Wolfsburg mit einem Rückgang gerechnet. Der gesamte Aufwand beläuft sich jetzt auf rund 28 Milliarden Euro.

Werden die Diesellasten hineingerechnet, kommt der Konzern auf einen operativen Gewinn von 13,9 Milliarden Euro (Vorjahr: 13,8). Die operative Rendite beläuft sich dann auf 5,9 Prozent (6,0). Auch damit bewegt sich VW im Rahmen seiner Ankündigungen.

„Wir haben uns ordentlich geschlagen“, kommentierte Vorstandschef Herbert Diess die Bilanz für das vergangene Jahr. „Unser operatives Geschäft hat sich erneut als widerstandsfähig erwiesen. Mit dem Ergebnis können wir in Summe zufrieden sein“, ergänzte Finanzvorstand Frank Witter. Geholfen haben dem Konzern dabei die erneuerte Modellpalette, allen voran etliche neue SUV.

Daimler hat Premium-Vorsprung verloren

Dass bei Volkswagen im vergangenen Jahr Gewinnwarnungen ausgeblieben sind, hat im Wesentlichen zwei Gründe: Der Konzern profitiert von seinem starken China-Geschäft und von seiner schieren Größe. Der Dieselskandal spielt nur mehr in der öffentlichen Diskussion in Deutschland eine Rolle. Auf den Auslandsmärkten herrscht hingegen inzwischen weitestgehend wieder Normalität. Beim operativen Gewinn kommen allein 4,6 Milliarden Euro aus China.

Volkswagen sieht beispielsweise um einiges besser aus als der Konkurrent Daimler. Die Stuttgarter hatten ihr Jahresergebnis bereits Anfang Februar vorgelegt. Das operative Ergebnis (Ebit) von Daimler ist binnen Jahresfrist von 14,3 auf 11,1 Milliarden Euro gefallen.

Die operative Rendite liegt für 2018 bei 6,6 Prozent – und damit auf dem Niveau eines Volumenherstellers. Der Daimler-Konzern hat dadurch seinen Premiumvorsprung verloren, der Abstand zu Volkswagen hat sich deutlich verringert.

Volkswagen hat auch den Titel als weltgrößter Fahrzeughersteller im vergangenen Jahr verteidigen können. Eine Jahresproduktion von fast elf Millionen Fahrzeuge verschafft den Wolfsburgern Kostenvorteile, die kleinere Hersteller bei weitem nicht erreichen können. VW profitiert insbesondere von seinem Baukastensystem („Plattformen“), das die Produktionskosten deutlich senkt.

10,8 Millionen Fahrzeuge hat Volkswagen im vergangenen Jahr verkaufen können, 100.000 mehr als 2017. Der Wolfsburger Konzern hat sich damit wieder vor seine Rivalen Toyota und Renault-Nissan gesetzt.

Die Nettoliquidität im Automobilbereich hat trotz der Abflüsse im Zusammenhang mit der Dieselaffäre nicht zu größeren Einbrüchen geführt. 19,4 Milliarden Euro (Vorjahr: 22,4) sind für die Branche und für die Größe des Konzerns ein angemessener Betrag.

Der Netto-Cash-Flow im Automobilbereich war mit minus 0,3 Milliarden Euro deutlich besser als im Vorjahr (minus 6,0 Milliarden). „Trotz des großen Aderlasses infolge des Dieselskandals steht der Volkswagen-Konzern finanziell recht solide da“, sagte Frank Schwope, Automobilanalyst bei der NordLB.

Volkswagen hat sich zum Ziel gesetzt, die Forschungs- und Entwicklungskostenquote auf ein Niveau von sechs Prozent zu drücken. Dabei ist Volkswagen allerdings im vergangenen Jahr nicht vorangekommen. Im Gegenteil: Die Quote ist sogar leicht auf 6,8 Prozent gestiegen. VW muss wie andere Autokonzerne viel Geld in die Elektromobilität und die Digitalisierung der Flotte stecken.

Trotzdem könnte Volkswagen aus Investorensicht bei seinen Anstrengungen auf der Kostenseite schon viel weiter sein, auch bei den Entwicklungsausgaben. Arndt Ellinghorst, Automobilanalyst beim Investmenthaus Evercore ISI, sieht in Wolfsburg zwar gewisse Fortschritte, aber er zweifelt an der Nachhaltigkeit.

PSA dient als Vorbild

„Auch nach den drei Jahren von Herbert Diess als Chef der Marke Volkswagen sind die Kosten nicht auf bedeutende und sichtbare Art und Weise gefallen“, sagt der Analyst. 2019 werde zeigen, ob dem Management der Turnaround bei der Marke gelinge. Diess ist vor einem knappen Jahr zum Vorstandschef aufgestiegen, damit könnte er eigentlich noch mehr Druck ausüben und auf Veränderungen drängen.

Als Vorbild gilt der französische PSA-Konzern, der mit seinen Marken Peugeot und Citroën wie Volkswagen vor allem Volumensegment der Massenhersteller unterwegs ist. PSA-Chef Carlos Tavares war es gelungen, die Rendite seines Konzerns auf mehr als acht Prozent zu heben. Was in Frankreich bei PSA möglich sei, müsse auch Volkswagen in Deutschland gelingen, meint Ellinghorst.

Immerhin hat das VW-Management ein Signal gesetzt, das in kürzerer Zeit eine höhere Rendite verspricht. Vor Weihnachten hatte die Marke Volkswagen angekündigt, dass das Renditeziel von sechs Prozent nicht erst im Jahr 2025, sondern schon drei Jahre zuvor erreicht werden solle.

Mit der Ankündigung allein hat Volkswagen allerdings noch keinen Beweis erbracht, dass der Konzern dieses Ziel wirklich erreichen wird. Autoanalyst Ellinghorst bleibt skeptisch, ob der VW-Konzern tatsächlich entscheidend vorankommt. „Die Märkte werden das Interesse an Volkswagen verlieren, wenn 2019 einfach nur wieder ein weiteres Jahr des Überganges wird“, so Ellinghorst. Volkswagen müsse endlich Ergebnisse liefern.

2018 war auch die Umstellung auf die neuen Zulassungsstandards nach WLTP-Standard ein wesentlicher Kostentreiber. Volkswagen hat dadurch beim operativen Ergebnis eine gute Milliarde Euro verloren. 2019 soll es keine größeren WLTP-Probleme mehr geben. Zum 1. September steht zwar noch eine weitere Verschärfung der WLTP-Vorgaben auf dem Programm. Der Konzern diese zweite WLTP-Stufe nach eigenen Angaben jedoch im Griff.

Allerdings hat Volkswagen ein neues Problem in der Fahrzeugproduktion. In diesem Jahr beginnt im Stammwerk in Wolfsburg die Fertigung des neuen Golf. Das wichtigste Auto des gesamten Konzerns wird dann in der achten Generation neu aufgelegt. Der Golf 8 soll deutlich digitaler werden als seine Vorgänger, das verlangt eine neue und komplizierte Elektronikarchitektur.

Viele Unsicherheiten bleiben

Doch genau damit gibt es in Wolfsburg massive Probleme. Wie dazu aus Konzernkreisen verlautet, hat Volkswagen deshalb die für dieses Jahr geplanten Stückzahlen des neuen Golf 8 massiv zusammenstreichen müssen. Waren anfänglich noch mehr als 80.000 Fahrzeuge des neuen Typs für das Wolfsburger Stammwerk eingeplant worden, sollen es in diesem Jahr jetzt voraussichtlich nur noch gut 10.000 Autos werden.

Damit würden der Marke Volkswagen Zehntausende von Fahrzeugen fehlen, wichtige Umsätze gingen dadurch verloren. VW wird deshalb wahrscheinlich versuchen, das Vorgängermodell Golf 7 noch etwas länger und mit größeren Stückzahlen als ursprünglich geplant zu produzieren. Das würde jedoch die Erlöse schmälern, weil VW für das ältere Modell nicht mehr die Preise eines komplett neuen Typs verlangen kann.

Kurzfristig steht Volkswagen wie die anderen Autohersteller auch in diesem Jahr vor ganz anderen Problemen. Sollten die USA tatsächlich Einfuhrzölle auf europäische Autos erheben, droht dem VW-Konzern ein deutlicher Gewinneibruch. Erste Schätzungen von Branchenexperten belaufen sich auf etwa 2,5 Milliarden Euro, die der Konzern dadurch beim Ertrag verlieren könnte.

Unsicherheiten bei der konjunkturellen Entwicklung gibt es auch zunehmend in Europa, allein schon durch die ungelösten Fragen im Zusammenhang mit dem Brexit. Wenn dann noch der Exportmarkt den USA wegen neuer Zölle in Teilen ausfallen sollte, würde das die Probleme in Deutschland und Europa zusätzlich verschärfen. Außerdem wächst der Automarkt in China erstmals seit 20 Jahren nicht mehr.

Entsprechend vorsichtig ist Volkswagen für das neue Jahr. Wie schon im Vorjahr kündigt der Konzern für 2019 eine Umsatzsteigerung von maximal fünf Prozent an. Die operative Rendite vor den Sondereinflüssen werde sich erneut in der Spanne 6,5 und 7,5 Prozent wiederfinden.

„Der Gegenwind in wichtigen Märkten dürfte 2019 nochmals stärker werden“, erwartete Konzernchef Diess. Es seien „erhebliche Anstrengungen“ nötig, um die Jahresziele zu erreichen. Finanzvorstand Witter forderte „große Ausgabendisziplin“.